Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Bad Staffelstein
Icon Pfeil nach unten

WIESEN: Wenn Schafe auf die Gleise laufen

WIESEN

Wenn Schafe auf die Gleise laufen

    • |
    • |
    Sie fordern eine Einzäunung der ICE-Trasse (v. li.): Kreisbrandrat Timm Vogler, Fachberaterin Renate Baierlein, Schäfer Anton Wunderlich, Bürgermeister Jürgen Kohmann und Landrat Christian Meißner. FOTOS: Andreas Welz
    Sie fordern eine Einzäunung der ICE-Trasse (v. li.): Kreisbrandrat Timm Vogler, Fachberaterin Renate Baierlein, Schäfer Anton Wunderlich, Bürgermeister Jürgen Kohmann und Landrat Christian Meißner. FOTOS: Andreas Welz Foto: Andreas Welz

    „Die Bahn investiert Tausende von Millionen in die ICE-Neubaustrecke und hat kein Geld für ein paar Kilometer Einzäunung.“ Landrat Christian Meißner ist stocksauer und besorgt. Bei einem Pressetermin am Südportal des Eierbergtunnels zwischen Nedensdorf und Wesen machte er am Mittwoch seinem Ärger Luft. „Eine Reihe von Tunnelportalen wurden eingezäunt, warum nicht hier, wo es wirklich nötig ist?“, fragte er. Alle Bemühungen, die Bahn zum Einlenken zu bewegen, seien erfolglos gewesen. Seine Konsequenz: „Jetzt gehen wir an die Öffentlichkeit.“

    Die Bahn berufe sich auf ein Gutachten, das die Einzäunung nur an vier Tunnelportalen an der gesamten Neubaustrecke zwischen Ebensfeld und Erfurt vorsehe. „Mit uns hat aber niemand gesprochen“, verwies der Landrat auf Natur-, Umwelt- und Jagdbehörden. Hier in der unmittelbaren Nähe von Schafweideflächen und Triebwegen sei ein Schutz dringend notwendig. „Noch mal mein Appell an die Bahn: Bauen Sie den Zaun“, so Meißner.

    Kreisbrandrat Timm Vogler bestätigte, dass die Bahn bei der Erstellung des Gutachtens nicht mit der Feuerwehrführung gesprochen habe. Er erinnerte daran, wie am 26. April 2008 ein mit 170 Passagieren besetzter ICE nahe Fulda vor einem Landrückentunnel mit einer Schafherde zusammenstieß und entgleiste. Bei dem Unfall wurden mehr als 20 Personen verletzt, drei davon schwer. Auf der Neubaustrecke sind die Züge mit 300 Kilometer pro Stunde unterwegs. Da könnte ein Unfall noch schlimmere Folgen haben. Vogler erwähnte auch den ICE-Unfall von Eschede, bei dem auf der Bahnstrecke Hannover-Hamburg infolge der Entgleisung eines ICE 101 Menschen ums Leben kamen und 88 schwer verletzt wurden.

    Weiden direkt an der Trasse

    Große Sorgen macht sich auch Schäfer Anton Wunderlich, seitdem der ICE durch den Landkreis braust. „Die Gefährdung meiner und aller Tiere, die sich auf Weiden aufhalten, wird mit den Hochgeschwindigkeitszügen deutlich steigen“, stellte er fest. Manche Weiden lägen nahe an der ICE-Trasse und an den vielen Tunneln, die es bei Altenbanz, Nedensdorf oder Wiesen gebe. Wunderlich lässt zum Beispiel im Raum Coburg seine Schafe auf einer Sommerweide direkt neben einem ICE-Tunnel grasen.

    „Der Obermain ist eine Weideregion. Es ist unmöglich, weidende Rinder oder Schafe stets rund um die Uhr im Blick zu haben“, erläuterte er. Und jetzt komme noch der Wolf dazu.

    Es bestehe die Gefahr, dass Rinder aus dem Stall, wo es keine Anbindehaltung mehr gibt, oder aus ihrer Koppel ausbrechen. „Wenn die Vierbeiner auf die Gleise laufen, können schlimmste Unfälle passieren, die durch keine der üblichen Versicherungen abgedeckt werden“, so der Schäfer. Einerseits wolle man die Bioschiene vorantreiben, andererseits lasse man ein großes, unberechenbares Gefahrenpotenzial wie den ICE zu. Die neue Zugstrecke sei in weiten Teilen frei zugänglich. „Der ICE rauscht mit 300 Stundenkilometern an dir vorbei, und es ist nicht einmal ein Zäunchen dort. Das kann es nicht sein“, sagte Wunderlich. Hier sei die Bahn in der Pflicht.

    „Der ICE rauscht mit 300 Stundenkilometern an dir vorbei, und es ist nicht einmal ein Zäunchen dort. Das kann es nicht sein.“

    Anton Wunderlich, Schäfer

    Zur Beunruhigung der Tiere trügen auch die neu gebauten Wege entlang der Trasse bei. Dort ließen jetzt oft Hundebesitzer ihre Tiere frei laufen. Die aufgeschreckten Schafe würden die Einzäunung durchbrechen und im Tunnel Schutz suchen, so der Schäfer. Er erzählte, wie Schafe bei einem Brand auf einem Industriegelände in ein Treppenhaus flüchteten und mehrere Stockwerke erklommen. Bei Coburg seien Schafe seiner Herde bereits auf die Gleise des ICE gelaufen. Wunderlich kritisierte die Verantwortlichen der Bahn: „Sie setzen die Sicherheit der Passagiere aufs Spiel.“ Unterstützung fand der Schäfer bei Renate Baierlein, Fachberaterin in Oberfranken für Schafe am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kitzingen. „Schafe sind Lebewesen und nicht immer kontrollierbar“, stellte sie fest.

    Bad Staffelsteins Bürgermeister Jürgen Kohmann machte deutlich: „Wir wollten den ICE nicht.“ Jetzt müsse aber alles getan werden, um die Sicherheit von Mensch und Tier zu gewährleisten. Er stellte fest, dass die Trasse historische Jagdreviere zertrenne. Das Wild könnte auf der Suche nach den alten Wildwechseln den Bahndamm queren. Unverständlich sei ihm, dass die Autobahnen eingezäunt werden und die ICE-Schnellbahnstrecke nicht.

    Schutz gegen Wildverbiss

    In unmittelbarer Nähe des Südportals des Eierbergtunnels und auf dem Landrückentunnel wurden mehrere Hektar Ausgleichsflächen mit Büschen und Bäumen bepflanzt. Die Parzellen umgeben kilometerlange Zäune. Zum Schutz gegen Wildverbiss. Ein Landwirt aus Wiesen verstand die Welt nicht mehr. „Die Einzäunung an den Gleisen ist sinnvoll“, sagte er dem Obermain Tagblatt. Die Zerstückelung der Natur mit Zäunen sei ihm unverständlich: „Hier geht der Pflanzenschutz vor dem Leben von Mensch und Tier vor.“

    Hintergrund Ein Manko ist die mangelhafte oder gar nicht vorhandene Einzäunung der Schnellfahrstrecken. Beim TGV-System in Frankreich (train a grande vitesse: französisch für Hochgeschwindigkeitszug) sind alle Schnellfahrstrecken eingezäunt. Tiere können dem TGV nicht in die Quere kommen. Im europäischen Ausland sind die meisten Schnellfahrstrecken mit großen Zäunen umgeben, so dass sich niemand unerlaubt auf den Bahnschienen aufhalten kann. In Deutschland dagegen hat selbst die Schnellfahrstrecke Köln-Frankfurt keine Einzäunung, so dass man ohne Hindernisse auf die Schienen gelangen kann.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden