Täglich widmet sich Pflegedienstleiterin Karin Büttner den pflegebedürftigen Menschen im Senioren- und Pflegeheim Lucas-Cranach-Haus in Kronach. Gerne würde sie sich in ihrem Berufsalltag mehr Zeit nehmen, um die Bewohner zu versorgen und sie individuell zu betreuen. Aber dafür lässt ihr das hohe Maß an Bürokratie und Dokumentation, das sie jeden Tag bewältigen muss, keine Zeit.
„Das muss sich ändern. Der bürokratische Aufwand in der Pflege muss zurückgedrängt werden“, fordert der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner (Stimmkreis Kronach-Lichtenfels). Vergangene Woche hatte er die vier Kronacher Pflegekräfte Karin Büttner, Katja Suffa-Weißkopf, Andreas Beetz und Harald Schubert zum Werkstattgespräch zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation in den Bayerischen Landtag eingeladen, wo sie mit ihm im Arbeitskreis Gesundheit und Pflege der CSU-Fraktion konkrete Vorschläge eingebracht haben, wie das Pflegesystem durch den Abbau von Bürokratie verbessert werden könnte.
„Und die Anträge haben einige politische Sprengkraft“, erklärte Baumgärtner jüngst im Pressegespräch. Abgeschafft und durch eine Prüfinstanz, die direkt dem Bayerischen Gesundheitsministerium unterstellt ist, ersetzt werden, sollen demnach der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) und die Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA). Grund sei, dass der MDK für die Krankenkassen arbeite und daher Zweifel bestünden, ob tatsächlich in jedem Fall eine objektive Beurteilung zum Wohle des Patienten erfolge. Außerdem prüften MDK und FQA nach unterschiedlichen Prüfkriterien, was zusätzlichen bürokratischen Aufwand in den Pflegeeinrichtungen schaffe, so der Abgeordnete. „Wenn wir zudem die Prüfintervalle strecken, könnten wir Millionen einsparen, die wir dann direkt zur Verbesserung der Bedingungen für die Pflegenden und die Pflegebedürftigen verwenden könnten.“ Er will sich dafür einsetzen, dass sein Stimmkreis Kronach-Lichtenfels zur Pilotregion für dieses Vorhaben wird.
Außerdem möchten die Pflegekräfte genau wissen, wie die schriftliche Pflegeplanung aussehen soll, damit sie sicher sein können, mit welchem Maß an Pflegeplanung sie die notwendigen Anforderungen erfüllen. Daher fordern sie mit Unterstützung von Baumgärtner eine gesetzliche Regelung, die festlegt, was in der Pflegeplanung enthalten sein muss. Des Weiteren sollen Überleitsysteme, die für die Ernährung über eine Magensonde erforderlich sind, für die reale Anzahl an Tagen in einem Monat verordnet werden. Nicht nur – wie derzeit – pauschal für 30 Tage. Der Einsatz von Hilfsmitteln solle zukünftig bei der Einstufung in Pflegestufen nicht mehr betrachtet werden, da mit dem Einsatz keine Zeitersparnis für das Pflegepersonal verbunden sei, heiß es. Psychosoziale Befindlichkeiten sollten nur noch dokumentiert werden, wenn der Zustand vom Normalen abweiche oder ein bestimmtes Krankheitsbild die Dokumentation erforderlich macht. Die Kosten für den Transport zu ambulanter medizinischer Versorgung sollten die Krankenkassen zukünftig generell übernehmen, wenn der behandelnde Arzt die Notwendigkeit festgestellt habe. Bisher sei für die Kostenübernahme eine zusätzliche Genehmigung durch die Krankenkassen nötig. Bei der Bemessung des Personalschlüssels solle getrennt beachtet und einbezogen werden, wie viel Zeit tatsächlich für die individuelle Pflege des Bewohners und für Dokumentation anfalle.
„Derzeit brauchen meine Mitarbeiter ein Drittel der Pflegezeit alleine für die Dokumentation“, verdeutlichte die Geschäftsführerin des Caritasverbandes im Landkreis Kronach, Cornelia Thron. MdL Baumgärtner fordert: „Mehr Mut zur Lücke in der Dokumentation und damit mehr Mut zur Menschlichkeit.“