Wort zur Besinnung
Wir Menschen sind nicht immer gleich „drauf“. An manchen Tagen lässt uns selbst unser Lieblingsessen gleichgültig, von dem wir sonst nicht genug bekommen können. So ist es nicht verwunderlich, dass uns auch das Weihnachtsfest nicht jedes Jahr gleich viel sagt.
Diesmal habe ich mich Weihnachten schon seit ein paar Wochen irgendwie nahe gefühlt. Es war ein schöner Novembernachmittag, einer der letzten sonnigen Tage, aber doch ein bisschen kalt. Ich gehe ein Stück spazieren, nehme die letzten bunten Blätter wahr – und denke mit einem Mal an einen Tag, der mir in der Erinnerung so ähnlich vorkommt: ein ebenso sonniger zweiter Weihnachtsfeiertag, eine Weile her, der mich damals für eine Stunde nach draußen geführt hatte. Aber auch sonst: Während mir das „Fest der Feste“ manches Mal in den Wochen zuvor innerlich noch sehr weit weg schien und ich den Advent regelrecht „verstolpert“ hatte, habe ich dieses Jahr das Bedürfnis empfunden, etwas aus dieser Zeit zu machen, sie für mich zu gestalten, mitzuerleben, sie für mich zu begehen. Und selbst noch die obligatorischen „Zutaten“, die Dekoration, die Märkte, die etwas zu frühen Lieder: Ich könnte nicht sagen, dass sie mich heuer gestört hätten. Im Gegenteil!
Vielleicht gibt es ja eine einfache Erklärung: Nach all den bedrückenden Schlagzeilen, die die Nachrichten der jüngsten Zeit beherrscht und die Welt unter mancherlei Rücksicht in einem beunruhigenden Zustand gezeigt haben, sucht man nach etwas, das „das Herz wärmt“. Das können Advent und Weihnachten zweifellos. Noch heute, da manches von den Bräuchen, mit denen die Generationen vor uns einst das Fest zum Sprechen brachten, ein wenig abgeflacht scheint, schafft es für Momente Oasen der Herzlichkeit und Innigkeit inmitten einer oft genug recht rauen Wirklichkeit.
Womöglich bedeutet der Wunsch nach solcherart geprägten Stunden aber mehr, als ein paar Augenblicke auf andere Gedanken kommen zu wollen. Wenn sich unsere Vorfahren noch unter ganz anderen Umständen zum Fest zusammenfanden und viel Energie darauf verwandten, es für sich trotzdem zu einem Fest der Liebe zu machen, dann lag hierin auch ein Protest gegen jene äußeren Lebenslagen und deren erbarmungslose Regeln. Wie wenn ein Mensch sagt: Ich lasse mir die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht nehmen! Auf eine Welt, die Liebe, Frieden, Herzlichkeit zu ihrer Mitte hat!
Diese Hoffnung aber hat ihren Grund. Das Kindlein in der Krippe; der erwachsene Verkünder der Frohen Botschaft; der am Ende Gewalt litt, aber nicht tat; den Gott zu neuem Leben auferweckte: Lebensstationen, die Zeugnis geben „von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,39).
Prof. Dr. Elmar Koziel,
Rektor der
Bildungshäuser Vierzehnheiligen