„Lügner, Betrüger, Angeber, Dieb“, nannte ein 89-jähriger Pensionär aus dem Landkreis Lichtenfels einen Geschäftsmann, von dem er sich hintergangen fühlte. Das geschah am 10. November 2015 und führte ihn am Mittwoch vor Richter Stefan Hoffmann und Staatsanwalt Christian Pfab im Amtsgericht: Beleidigungsstrafbefehl.
„Jawoll!“, antwortete der 89-Jährige in bestimmtem Tonfall auf Pfabs Nachfrage, ob er einen ihm bekannten Unternehmer wirklich als Betrüger tituliert habe. An dieser Stelle wurde klar, dass Pfab einige Überzeugungsarbeit aufbringen werden müsse, dem von seiner Einschätzung überzeugten Mann auseinanderzusetzen, dass man einen Betrüger nach deutschem Recht nur einen Betrüger nennen darf, wenn dieser auch tatsächlich wegen Betrugs verurteilt worden ist. Vorher nicht und sonst nicht.
Keineswegs sprachlos
„Na, ich bin ja sprachlos“, so der sich entrüstende Pensionär. Aber für den Senior, der mit dem von ihm beleidigten Mann in einem zivilrechtlichen Verfahren zu einer Pachtangelegenheit steht, standen 600 Euro auf dem Spiel. Auf diese Summe war der Strafbefehl festgesetzt worden. Dazu erklärte der Beschuldigte, dass er ja selbst von seinem Streitgegner mit „Arschloch“ bezeichnet worden sei. Abermals versuchte man ihm seine juristischen Möglichkeiten darzulegen, so die, selbst eine Klage anzustrengen. Nur dürfe er sich eben nicht in beleidigender Weise äußern. „Hohes Gericht, ich fühle mich in meiner Ehre derart beleidigt und in den Schmutz getreten“, hob der Beschuldigte an. Und äußerte zudem, dass er die Situation gerade als „medienreif“ empfinde. „Wenn ich ihr Einspruchsschreiben durchlese, frage ich mich, ob ich ein weiteres Verfahren wegen Beleidigung gegen Sie anstrengen soll“, hielt ihm Pfab entgegen. Denn offensichtlich sparte der Pensionär in diesem Schreiben nicht mit „Ausdrücken“.
„Ich habe das Bundesverdienstkreuz bekommen“, so der 89-Jährige. Und nachfragend, wie es um das bestellt sei, was ihm an Beleidigung angetan worden sei. „Das ist ja nicht Gegenstand dieser Verhandlung“, so Pfab bestimmt.
Dann wurde Pfab jovial und verfiel kurz in Dialekt: „Ich ko Sie ja versteh', auf fränkisch gsagt. Es geht bei uns aber nicht zu wie im Wilden Westen, wo jeder jedem was an den Kopf wirft - Sie haben einen Ehrbegriff, den ich auch schätze, aber Sie müssen verstehen, andere haben auch Ehre.“ Und der so Angesprochene antwortete: „Ja, Ehre habe ich im Leib, die behalte ich auch.“
Rechtsberatung
Aber dem Mann stießen die 600 Euro auf, die er zu zahlen habe. Versöhnlich begegnete ihm Richter Hoffmann, der ihm riet, „die heutige Hauptverhandlung als kostenlose Rechtsberatung“ anzusehen, ansonsten doch ein Einsehen zu haben und die 600 Euro zu bezahlen.
Zu seinen Vermögensverhältnissen befragt, äußerte der Pensionär in seinem Leben „ein kleines Milliönchen“ ge- und seinen Kindern vermacht zu haben. Nun aber lebe er von einer schmalen Pension. Dabei fand der Richter heraus, dass sie nicht schmal genug für einen eigentlich angemessenen höheren Strafsatz gewesen wäre. Mit einem aufblitzenden Humor kommentierte der ältere Herr: „Ich komm' da nicht mehr mit, verurteilen Sie mich - wann werd' ich eingesperrt? Dazu kommt es für den unbescholtenen Mann nicht. Mit der Zahlung der 600 Euro erklärte er sich letztlich einverstanden: „In Gottes Namen, hohes Gericht“.