Die Vorwürfe sind ungeheuerlich und müssen aufgeklärt werden: Nach einem Beitrag des BR-Magazins „quer“ über den Verkauf von nicht mehr für den Verzehr geeignetem Fleisch aus dem städtischen Schlachthof in Coburg ermittelt die Staatsanwaltschaft. Noch gibt es keine Beweise für einen neuen „Gammelfleisch-Skandal“, obwohl der Bayerische Rundfunk mit eidesstattlich versicherten Aussagen von Schlachthof-Mitarbeitern kürzlich nochmals nachlegte. Herausgekommen ist bisher nur, dass in einer Kuttelei, in der Hundefutter hergestellt werden darf, ohne Genehmigung auch Rinder- und Schweinehälften zerlegt wurden.
Unmittelbar nach der Sendung im Fernsehen, wo Aufnahmen mit versteckter Kamera zu sehen waren, gab es Stimmen, die eine Schließung der mit Steuergeldern subventionierten Einrichtung forderten. Dies würde dann auch heimische Metzger betreffen, die in Coburg schlachten lassen oder aus dessen Schlachtungen Frischfleisch für ihren Betrieb und damit für die Kunden beziehen. Diskussionen um eine mögliche Schließung geben auch Spekulationen Raum, im heimischen Landkreis einen möglichst zentral gelegenen eigenen Schlachthof zu etablieren. Mit kürzeren Wegen und weniger Zeitverlust könnten die Metzger vom Obermain dorthin ihr Schlachtvieh bringen.
Für den Vorsitzenden des Hotel- und Gaststättenverbandes im Landkreis, Volker Gagel, eine verlockende Perspektive. Der Wirt und Metzgermeister, Inhaber einer Gaststätte in Michelau, schlachtete bis vor einigen Jahren selbst, bevor er im Zuge verschärfter Auflagen seitens der EU und damit verbundener zusätzlicher Kosten die hauseigenen Schlachtung aufgab. Seitdem fahre er sein Schlachtvieh nach Coburg und beziehe vom Coburger Schlachthof Frischfleisch zur Weiterverarbeitung.
Debatte um EU-Vorschriften
Gagel kritisiert die Schärfe der EU-Vorschriften zur Hygiene und zur eigentlichen Zulassung für gewerbliche Schlachtstätten. Sie würden dem Sinn der hiesigen Genussregion widersprechen. „Kleinen Betrieben wird das Leben schwer gemacht. Viele können diese Auflagen nicht erfüllen,“ sagt Gagel. Wenn Metzgereien nicht mehr schlachten, gehe dies zu Lasten von Qualität und Tierschutz.
Die heimische EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier teilt die Ansicht Gagels nicht. Sie betont, dass die Einführung der EU-Vorschriften vor wenigen Jahren den heimischen Metzgereien kaum Probleme bereitet habe. Ganz im Gegenteil: Im Landkreis Lichtenfels hätten noch vergleichsweise viele Metzgereien - 20 an der Zahl - die Genehmigung, selbst zu schlachten. Sie verteidige zwar nicht jede Regulierung, die aus Brüssel komme, sagt Hohlmeier. Bei Lebensmitteln sei die EU aber gefordert: „Verbraucherschutz ist ganz wichtig und hochsensibel“, sagt die Parlamentarierin.
„Ein Schlachthof im Landkreis wäre für die heimischen Metzger zwar besser als die Tiertransporte in die umliegenden Schlachthöfe nach Coburg, Kulmbach oder Kronach,“ meint Volker Gagel. Allerdings wisse er auch, dass eine solche Einrichtung ohne entsprechende Auslastung keine Sinn machen würde. Ähnlich sehen das einige von Gagels Berufskollegen. Gerhard Mantel, stellvertretender Obermeister der Fleischerinnung im Landkreis, wiegelt gleich ab: „Das lässt sich unmöglich finanzieren, da hätten wir zu wenig Aufkommen“, sagt er. Ein Schlachthof im Landkreis Lichtenfels sei vor rund 20 Jahren bereits ein Thema gewesen und schon damals nicht verwirklicht worden.
Dennoch: Eine ortsnahe Schlachtung kommt dem Verbraucher zugute. Davon zeigen sich heimische Metzger abseits aller finanziellen Erwägungen überzeugt. Deswegen schlachtet, wer es sich leisten kann und wer will, auch heute noch am Obermain. Gerhard Mantel gehört dazu. „Die Qualität des Fleischs ist besser, die Ware frischer“, sagt er. In seinem Betrieb in Zettlitz werden Schweine geschlachtet, sagt der Metzgermeister. Geschlachtete Bullen und Kühe zur Weiterverarbeitung liefere ihm der am Coburger Schlachthof tätige Großhändler Dellert-Fleisch aus dem unterfränkischen Burgpreppach, der jetzt in die Schlagzeilen gekommen ist. Dessen Fleisch werde in der Regel am Tag nach der Schlachtung im Zettlitzer Betrieb angeliefert. Die Ware sei immer tip-top und mit allen nötigen Dokumenten und Bestätigungen versehen.
„Von der Schlachtung hängt ganz wesentlich die Qualität des Fleisches ab.“
Markus Partheymüller Metzgermeister Marktgraitz
Mantel bedauert, dass die Zahl der Schlacht-Metzgereien im heimischen Landkreis zurückgegangen ist. „Heute schlachten kaum noch zehn Betriebe bei uns“, sagte er. Die Zahl sei im vergangenen Jahrzehnt um etwa die Hälfte gesunken. Für kleine Betriebe sei es immer schwieriger geworden, hauseigene Schlachtungen zu finanzieren, meint auch er. Zudem sei der Preisdruck durch Discounter und Supermärkte gestiegen.
Markus Partheymüller ist ebenfalls leidenschaftlicher Metzgermeister und einer, der sein Handwerk lebt. Der Marktgraitzer sieht ebenfalls keine Chance für einen eigenen Schlachthof im Raum Lichtenfels. Aber selbst schlachten, das lässt sich der Metzgermeister nicht nehmen. Als er vor einigen Jahren schlachten ließ, sei er eines Besseren belehrt worden: „Wir haben erfahren, das selbst geschlachtete Ware haltbarer ist und eine bessere Qualität hat“, sagte er im Gespräch mit dem OT. Er habe damals mehrere zehntausend Euro in eine neue Schlachtbahn investiert und neues Gerät angeschafft, um wieder selbst schlachten zu können.
„Eine Wissenschaft für sich“
Das Schlachten sei eine „schwere und unangenehme Arbeit und zudem höchst sensibel. Eine Wissenschaft für sich“, sagt der Metzgermeister. Im heimischen Betrieb ist Schlachten Chefsache. Von der Schlachtung hängt die Qualität der verschiedenen Produkte aus dem Schlachtvieh ganz wesentlich ab. „Eine falsche Schlachtung verschlechtert das Fleisch ebenso wie eine falsche Haltung der Tiere zuvor,“ sagt der Metzger. Das reiche bis zum Stressfaktor: „Zu viel Stresshormone vor der Schlachtung beeinflussen die Fleischqualität.“
Die vor einigen Jahren verschärften EU-Auflagen hielten den Metzgermeister nicht ab, weiter zu selbst zu schlachten. Den zusätzlichen bürokratischen Aufwand nahm Partheymüller zähneknirschend in Kauf. Während er früher eine Metzgerei besessen habe, seien es heute vier voneinander getrennte Betriebe: Schlachtbetrieb, Zerlegebetrieb, Produktionsbetrieb und Verkaufsbetrieb. Für alle Bereiche müssten EU-Auflagen erfüllt werden. Auch Partheymüller bezieht zusätzliche Ware aus dem Coburger Schlachthof. Zulieferer ist ebenfalls der Großhändler Dellert, auf den Partheymüller, wie sein Kollege Mantel aus Zettlitz, nichts kommen lässt. „Das System in Coburg passt,“, sagt er. Dellert biete eine gute Qualität. „Der ist auf Zack“, so der Marktgraitzer. Ohne Dellert könne der Schlachthof in Coburg nicht funktionieren.
29 Betriebe im Landkreis für Schlachtung zugelassen, zehn Metzgereibetriebe schlachten noch tatsächlich
Nach Mitteilung des Landratsamtes gibt es derzeit noch 29 schlachtende Betriebe im Landkreis Lichtenfels, die für die Schlachtung zugelassen sind, nicht aber unbedingt deshalb derzeit schlachten. Darin enthalten sind auch Direktvermarkter für Geflügel und Damwild. Zehn klassische Metzgereibetriebe, die regelmäßig schlachten, gibt es derzeit im Landkreis Lichtenfels.
Bei Schlachtungen in den heimischen Metzgereien werden bisher regelmäßig, ein Mal pro Jahr, im Rahmen der EU-Zulassungen Kontrollen durchgeführt. Es werden auch im Rahmen des offiziellen nationalen Rückstandsproben-Kontrollplans (NRKP) zur Probenentnahme im Schlachtbetrieb die selbstschlachtenden Metzger regelmäßig aufgesucht. Regelmäßige Kontrollen finden entsprechend der vorgeschriebenen Risikoanalyse statt.
Jedes Jahr wird eine bestimmte Prozentzahl aller Schlachttiere auf verbotene Stoffe und Hemmstoffe untersucht. Anhand der Schlachtzahlen werden die Proben in Deutschland über die Regierungen auf die Kreisverwaltungsbehörden heruntergebrochen. Nebenbei werden auch in Erzeugerbetrieben (Schweine-, Rinder- und Geflügelhalter) Proben genommen.
Die Regelungen für die Schlachtung sind in verschiedenen EU-Rechtsverordnungen geregelt. Dazu gibt es noch weitere Regelungen in Bundesgesetzen, die zur Durchführung der EU-Vorschriften erlassen worden sind. Diese regeln die hygienischen Anforderungen, die Durchführung der Lebendtier- und Schlachttieruntersuchung, die weiteren notwendigen Untersuchungen (zum Beispiel BSE-Test, Trichinenuntersuchung, bakteriologische Untersuchungen) sowie den Tierschutz bei der Schlachtung. Die Entsorgung der Nebenprodukte der Schlachtung werden in weiteren EU-Verordnungen geregelt, ebenfalls mit ergänzenden deutschen gesetzlichen Regelungen (Tierkörperbeseitigungsgesetz).