Claudia Reuter baut auf ihrem Bauernhof namens „Weidenzentrum Land Wursten“ 187 verschiedene Sorten und Arten von Weide an. „Für Imker, die Bienenkörbe flechten, aber auch für andere Flechter“, sagt sie. Aber das ist nur ein geringer Teil von dem, was die Frau aus dem hohen Norden mit dem Flechthandwerk verbindet.
Ihrem Unternehmen in Padingbüttel an der Wurster Nordseeküste Nordsee ist sogar ein Seminar angegliedert. Dort werden Pädagogen, aber auch Kinder in der Kunst des Flechtens weitergebildet. Dazu gibt es etliche Praxis-Kurse. „Ich zeige zum Beispiel, wie man Gebäude und Zäune aus lebender Weide bauen kann und ich kenne mich bei der Parklandgestaltung mit Weide aus“ , sagt sie. Traditionelle Flechterei gehöre auch zu ihrem Repertoire.
Weide ist als Rohstoff an der Wurster Nordseeküste offenbar reichlich vorhanden. Dort, wo Claudia Reuter herkommt, hat der Weidenbaum auch heute noch einen prägenden Stellenwert als erhaltenswertes Kulturgut. Viele Wege werden immer noch von alten Kopfweiden gesäumt.
„Bei uns an der Nordseeküste konnte früher fast jeder Hof flechten.“
Claudia Reuter, Padingbüttel
„Bei uns an der Nordseeküste konnte früher fast jeder Hof flechten. Aber das ist leider lange vorbei“, sagt die Flechterin. Um das Kulturgut an der Nordseeküste zu erhalten, wurde 2015 der Verein „Weidenzentrum Wurster Nordseeküste“ aus der Taufe gehoben. Vorsitzende: Claudia Reuter. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, das Wissen um das traditionelle Kulturgut Weide weiter zu geben und zu erhalten. Das Handwerk der Korbflechterei hat dabei einen besonders hohen Stellenwert.
Von Reuter sagen Freundinnen, sie sei seit vielen Jahren der „Weidomanie“ verfallen. Die Norddeutsche war am Wochenende mit einem Stand auf dem Korbmarkt, der einen Hauch von Meer und Watt nach Lichtenfels brachte. Im Stand wurde das Weidenzentrum vorgestellt und für das Weidenflechten geworben.
Als anschauliches Beispiel für die Tradition des Flechtens in ihrer Heimat brachte Reuter eine geflochtene Krabbenreuse mit, über deren Entstehen und Geschichte Reuter Besucher in Bild und Ton informierte. „Die Krabbenreuse ist bei uns zuhause“, sagte sie. Bis in die 50-er Jahre des 20. Jahrhunderts hätten die Krabbenfänger an der Nordseeküste insgesamt rund 1500 solcher selbst geflochtenen Reusen „im Watt gehabt“. Das ist vorbei. Heute gebe es dort, wo sie lebt, nur noch einen Krabbenreusenfischer. Der arbeitet nach wie vor mit selbst geflochtenen Krabbenreusen, die er im Watt auslegt.
Krabbenfang im Watt
Reusenflechten ist ein anspruchsvolles Handwerk, das seit dem Aufkommen der Krabbenkutter und den Kunststoffnetzen vom Aussterben bedroht ist. Hinzu kommt, wie Reuter erzählt, neuerdings die Vertiefung von Weser und Elbe und die damit verbundene erhöhte Strömungsgeschwindigkeit des Wassers. Dadurch werde der Krabbenfang mit Reusen im Watt immer schwerer.
„Wir wollen, dass das Handwerk erhalten wird“, sagt Reuter. Sie und weitere Flechter wollten einen tieferen Einblick in die Kunst des Reusenflechtens bekommen. Mit dem Krabbenfischer, der im Rentenalter ist, stellten sie eine Krabbenreuse her.
Krabbenreusen bestehen aus geflochtenen Trichtern und der sogenannten Höfke, die im Watt verankert wird. Mit der Ebbe schwimmen die Krabben hinaus. Sie strömen in die Reusen, in denen sie ganz unten mit einer speziellen, ebenfalls geflochtenen, Fangvorrichtung dingfest gemacht werden. Mit dem Hundeschlitten holt der Krabbenfischer dann den Fang an Land.
Traditionelles Kulturgut
Heuer sei der Krabbenfischer wieder von März bis Oktober aufs Watt hinaus gefahren, um die Reusen auszulegen. Die Zeiten, in denen der Krabbenfischer am Tag 80 Kilogramm Krabben gefischt habe, seien vorbei. „Aber unser Krabbenfischer kommt immer noch auf einen guten Schnitt“.
Die Krabbenreusen sind traditionelles und regionales Kulturgut, sagt Claudia Reuter. Und dies wiederum habe mit dem immateriellen Kulturerbe „ganz viel zu tun“. Die Krabbenreuse sei an der Nordseeküste über Jahrhunderte geflochten worden. Das Exemplar, das im Stand der Norddeutschen zu bewundern war, sei „lebendig, benutzbar und kein Museumsstück“. Damit könne sie zeigen, wie lebendig traditionelle Flechterei in deutschen Regionen wie an der Nordseeküste noch sein kann, sagte Reuter weiter.
Der Reusen-Krabbenfischer an der Nordsee suche einen Nachfolger. „Wir hoffen sehr, dass er jemanden findet, weil wir wollen, dass sein Handwerk nicht ausstirbt “, sagt Claudia Reuter. Vom traditionellen Reusenfang alleine könne man zwar heute nicht mehr existieren. Die Norddeutsche kann sich aber gut vorstellen, dieses Handwerk touristisch zu verwerten. „Für 100 Euro einmal mit dem Schlitten hinaus ins Watt“, meint sie im Gespräch mit dieser Redaktion. „Das ist unglaublich, da draußen. So viel Natur haben Sie noch nie erlebt“.
Info: www.weidenzentrum.de