Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

LICHTENFELS: Monika Hohlmeier: „AfD missbraucht Andenken an Toten“

LICHTENFELS

Monika Hohlmeier: „AfD missbraucht Andenken an Toten“

    • |
    • |
    Politik-Profi Monika Hohlmeier mit Manfred Weber, dem Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP).
    Politik-Profi Monika Hohlmeier mit Manfred Weber, dem Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP). Foto: red

    Monika Hohlmeier ist Polit-Profi, seit 2009 Abgeordnete im Europaparlament. Im Interview erklärt sie, warum es wert ist für Europa zu kämpfen. Und wie ihrer Meinung nach Vater Franz Josef Strauß mit der AfD umgegangen wäre.

    ObermaIN-tAGBLATT: Sehr geehrte Frau Hohlmeier, seit 2009 sind sie Abgeordnete in Straßburg. Was macht es Wert, für Europa zu kämpfen? Monika Hohlmeier:

    Wir leben seit 70 Jahren in Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wir sind umgeben von Freunden, genießen Reisefreiheit, profitieren vom Binnenmarkt und exportieren unsere Waren und Dienstleistungen in die ganze EU ohne Zölle und künstliche Schranken. Wir kennen keinen Hunger und gehören zu den zwei Prozent der Welt, die sauberes Trinkwasser haben, das in der EU als öffentliches Gut der Daseinsvorsorge geschützt ist. Mit „Galileo“ haben wir europäische Unabhängigkeit in der Satellitennavigation und mit Kopernikus die modernste Erdbeobachtung für weltweite Klimaforschung entwickelt. Viele Menschen leben im EU-Ausland, genießen volle Gleichbehandlung und sind keinen willkürlichen Übergriffen ausgesetzt. Millionen junger Menschen konnten dank Erasmus in Europa studieren, lernen und sich bilden; sie werden die Brückenbilder eines friedlichen Zusammenlebens sein. Das alles ist nur ein kleiner Ausschnitt einer erfolgreichen Zusammenarbeit in unserer EU.

    Populisten stellen sich gegen ein weiteres Zusammenwachsen Europas. Der Nationalismus erwacht in vielen Ländern Europas wieder. Warum verfangen längst totgeglaubte Parolen bei vielen Wählern? Hohlmeier:

    Weil sich die Welt schneller als jemals zuvor dreht und jeder heute Kriege, Terrorismus und Konflikte täglich live nach Hause berichtet bekommt. Das sorgt für ein mulmiges Gefühl – die perfekte Ausgangslage für rechts- und linkspopulistische Schreihälse und selbsternannte Experten, die mit einfachsten Thesen, Angst, Missgunst und Neid streuen und vorgaukeln, komplizierteste Probleme könnten simpel gelöst werden. Nationalistische Bestrebungen haben in Europa immer zu Krieg und Schwäche geführt! Nur wenn wir Europäer gemeinsam strategisch handeln, werden wir nicht zum Spielball anderer Großmächte. China baut eine neue Seidenstraße. Dahinter steckt ein knallharter Angriff auf unsere soziale Marktwirtschaft, unsere wirtschaftliche Stärke und unsere Arbeitsplätze. Allein kann sich ein Land dagegen nicht wehren.

    Wie versuchen Sie als Politikerin die Vorteile der EU für ihre Wählerinnen und Wähler greifbar zu machen? Gerade hier am Obermain. Hohlmeier:

    Oberfranken profitiert als stärkster Produktionsstandort in Bayern enorm vom freien Zugang zum europäischen und mit der EU verbundenen Märkten. Oberfranken ist eine mittelständisch geprägte Industrieregion mit einer der höchsten Industriedichten Europas. Mehr als jedes zweite in Oberfranken hergestellte Produkt geht in den Export. Die Arbeitsplätze von 434 651 Beschäftigten in Oberfranken hängen am Export. Mit 3,4 Prozent Arbeitslosenquote liegen wir weit unter dem EU-Durchschnitt von 6,4 Prozent. Die EU hat es geschafft aus der Wirtschafts- und Finanzkrise in 2008 stärker zurückzukommen als die USA und hat durch vielfältige Wirtschafts-, Sozial- und Innovationsförderung die Schaffung von mehr als fünf Millionen neuen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen erreicht. Manfred Weber, unser Spitzenkandidat für das Amt des Kommissionspräsidenten, will diesen Weg verstärken, die EU wieder zur Innovationsschmiede der Welt machen und nochmals fünf Millionen Arbeitsplätze schaffen.

    Und wo besteht aus Ihrer Sicht ein Reformbedarf in der EU? Hohlmeier:

    Wir müssen Großes groß und Kleines klein regeln. Die EU muss sich auf die Aufgaben konzentrieren, die nur auf europäischer Ebene gelöst werden können. Manfred Weber hat angekündigt, dass er mindestens 1000 Regelungen streichen will, die überflüssige Bevormundung, Kontrolle und Bürokratie mit sich bringen. Stärker und geschlossener müssen wir in der Außen- und Sicherheitspolitik, der Handels-, Wettbewerbs- und Wirtschaftspolitik sowie in der Klimapolitik und in der Entwicklungshilfe werden. Internationale Schwerverbrechen lassen sich nur grenzüberschreitend bekämpfen. Der Polizeibeamte in Bayern muss bei einer Kontrolle wissen, ob er einen Verbrecher vor sich hat oder nicht. Wir müssen im internationalen Wettbewerb unsere Unternehmen vor unfairen Handels- und Wettbewerbspraktiken schützen und internationale IT-Giganten zwingen, Steuern zu zahlen, unser Recht zu achten und für ihr Handeln zu haften, anstatt die Kunden bei Problemen hängen zu lassen.

    Die AfD hat in den vergangenen Jahren immer wieder Franz Josef Strauß für sich in Anspruch genommen. Als seine Tochter wehren Sie sich gegen diesen Versuch der Vereinnahmung ihres toten Vaters. Wie würde FJS mit der AfD umgehen?

    Hohlmeier:

    Mein Vater hat in den 80-ern die Republikaner bekämpft und sein politisches Leben lang gegen Rechtspopulisten und -nationalisten mobil gemacht. Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges haben ihn zutiefst geprägt und er hat diese Erfahrungen an uns Kinder weitergegeben: Glaubt nicht den verführerisch einfachen Botschaften von Nationalsozialisten! AfD und leider auch die extreme Linke beschränken sich auf wenige Themen, verbreiten Angst mit billigen Vereinfachungen, provozieren Missgunst, Neid und Hass und schrecken auch nicht vor Diffamierung, Ausgrenzung und Herabsetzung zurück. Dass die AfD das Andenken eines Toten missbrauchen muss, weil sie unter den Lebenden keine Argumente hat, zeigt klar, wie schwach die Argumente der AfD sind und wie armselig diese Partei der Biedermänner und Brandstifter vorgeht. FJS würde eine nationalistische AfD genauso wie eine SED-Nachfolgepartei Die Linke strikt ablehnen.

    Rechtspopulisten musste die CSU nicht nur beim politischen Gegner suchen. Orban und seine Fidesz betreiben seit Jahren Demokratieabbau, untergraben die Pressefreiheit und Grundwerte, auf die die Europäische Union baut. Orbans Rhetorik ähnelt oft der der AfD. War es ein Fehler der Europäischen Volkspartei, dass zu lange bei einem Mitglied zu dulden?

    Hohlmeier:

    Ich vertrete die Position, dass man mit Viktor Orban im Gespräch bleiben muss, auch wenn seine nationalistische und antieuropäische Rhetorik inakzeptabel ist. Nur durch Dialog können wir noch Einfluss auf seine Politik nehmen. Aber er hat den Bogen überspannt. Man darf kritische Fragen etwa zu Migration oder Schwerverbrechen stellen – auch das gehört zum politischen Diskurs, aber polemische Angriffe und inhaltliche Falschaussagen sind schon befremdlich, die Außerkraftsetzung rechtsstaatlicher Grundsätze wie die Gewaltenteilung oder die Ausbreitung von staatlicher Korruption können und wollen wir niemals tolerieren. Wir haben die Mitgliedschaft der Fidesz in der EVP ausgesetzt, was ich voll unterstütze. SPD oder Liberale sollten in ihrer Parteienfamilie mit „Sorgenkindern“ in Rumänien oder Malta ebenso konsequent umgehen.

    Die jüngsten Anschläge auf Moschee-Besucher in Neuseeland und Kirchenbesucher in Sri Lanka stärken das Gefühl der Unsicherheit, auch in Europa. Nährboden für militante Bewegungen und Terror-Organisationen sind auch Armut und Chancenlosigkeit. Was unternimmt die EU? Hohlmeier:

    Terrorismus ist eine ernste Gefahr für Europa. Terrorismus macht nicht an Länder- und Staatsgrenzen Halt. Deshalb brauchen wir für Prävention und Schutz eine noch stärkere europäische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Eine Vielzahl von Sicherheitsgesetzen wie der bessere Außengrenzschutz oder der europaweite Informationsaustausch wurde bereits in dieser Legislaturperiode verabschiedet. Es laufen zum Beispiel heute schon viele Informationen im neuen europäischen Antiterrorismus-Zentrum zusammen, die Ermittler stehen in ständigem Kontakt und tauschen sich aus. Das bringt uns heute schon einen besseren Schutz vor Attentaten. Ich setze mich unter anderem dafür ein, Europol weiter auszubauen und die Koordination zur Bekämpfung von Schwerverbrechern massiv zu verstärken. Armut und Radikalisierung können, müssen aber einander nicht bedingen. Wir müssen Fluchtursachen und Existenznot in afrikanischen und asiatischen Staaten beseitigen helfen und durch eine strategisch klug ausgerichtete Handels-, Wirtschafts- und Entwicklungshilfepolitik dafür Sorge tragen, dass Menschen in ihrer Heimat oder in deren direkter Nachbarschaft Lebensperspektiven finden und nicht täglich durch Hunger, Not, Elend und Krankheit bedroht sind. Damit verringern wir Fluchtursachen, gewinnen neue wirtschaftliche Partner auf einer fairen freundschaftlichen Basis.

    Libyens Küstenwache fängt - von der EU finanziell gepäppelt - Bootsflüchtlinge ab. Zur Freude libyscher Milizenführer und Warlords, deren Kassen sich dabei füllen. Die Festgenommenen landen in dem Bürgerkriegsland nicht selten in Folter-Gefängnissen. Ist das der richtige Weg für ein sicheres Europa? Hohlmeier:

    Die EU päppelt keine Warlords! Das sind Falschmeldungen! Ganz im Gegenteil: Unsere Anstrengungen gehen dahin, die Flüchtlingslager in die Hände der EU beziehungsweise UN zu bringen, die dortigen Umstände zu verbessern und den Menschen zu helfen. Wir dürfen aber nicht erst in Libyen oder im Mittelmeer ansetzen. Die meisten Menschen sterben in der Sahara, liegen dort tot in Massengräbern und kaum jemand nimmt davon Notiz. Wir müssen wirtschaftliche Zusammenarbeit, den Kampf gegen korrupte Regierungen und internationale Verbrecherbanden beziehungsweise Menschenhändler verstärken, damit sich die Menschen nicht auf den todbringenden Weg machen. Wir können einzelnen Flüchtlingen bei uns helfen, das gehört zu den Werten unseres christlichen Abendlands und unseren menschenrechtlichen Verpflichtungen. Die Hauptlösung von Flucht und Migration liegt in Afrika und Asien selbst und muss in Zusammenarbeit mit kooperationsfähigen und -willigen Staaten gelöst werden.

    China, Russland und auch die USA verfolgen ihre Interessen, und wir würden mit den Konsequenzen leben müssen. Das kann nicht sein. Handeln ist angesagt, nicht reden!

    Zur Person Monika Hohlmeier, geboren 1962, lebt in Bad Staffelstein und hat zwei Kinder. Ihr Vater, Franz Josef Strauß, war CSU-Mitbegründer, Parteivorsitzender sowie bayerischer Ministerpräsident. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Hotelkauffrau und besuchte anschließend ein Fremdspracheninstitut. 1984 gründete sie nach dem Tod Ihrer Mutter Marianne Strauß die Marianne-Strauß-Stiftung und arbeitete sechs Jahre lang vollzeitlich ehrenamtlich im Sozialbereich. Sie war von 1990 bis 2008 Mitglied des Landtags. 1993 wurde Monika Hohlmeier Staatssekretärin im Ministerium für Unterricht und Kultus, 1998 Staatsministerin. Seit 2009 ist sie Mitglied des Europä-Parlaments und dort unter anderem im Haushaltsausschuss, Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und Sonderausschuss Terrorismus tätig.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden