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LICHTENFELS: Wie die Kriegsweihnacht vor 80 Jahren am Obermain verlief

LICHTENFELS

Wie die Kriegsweihnacht vor 80 Jahren am Obermain verlief

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    Weihnachten im Lazarett Knechtsteden.
    Weihnachten im Lazarett Knechtsteden. Foto: Repro: Andreas Motschmann

    Ab dem 1. September 1939 herrschte Krieg. Ob Kleidung oder Lebensmittel, alles gab es ab dem Spätherbst nur gegen Marken. Im Dezember genehmigte die Nazi-Regierung zwei Ausnahmen: Weihnachtsplätzchen und Stollen durften ohne Einschränkung gebacken und gekauft werden.

    Den Todesanzeigen im Lichtenfelser Tagblatt zu den „für Führer, Volk und Vaterland“ Gefallenen im September und Oktober folgten die „für die im Lazarett an den Verwundungen Gestorbenen“ im November. Von der euphorischen Stimmung am Jahresende 1938 war ein Jahr später nichts mehr zu spüren. Die erste Kriegsweihnacht nach 1917 erfüllte die Menschen mit wenig Hoffnung und Freude, sie war mit der bangen Frage überschattet: Wie lange noch Krieg, wann ist endlich Frieden?

    Weihnachten 1939 war trocken, kalt und lief nicht im gewohnten Rahmen ab

    Weihnachten 1939 war trocken und kalt und lief nicht im gewohnten Rahmen ab. Neue Bücher hatten die Nazis im Herbst auf die Schnelle neu zusammengestellt; sie sollten die Kriegssituation berücksichtigen. Den Kirchen und ihrer „Botschaft vom Frieden“ wollte die Regierung nicht so ohne Wweiteres das Feld überlassen. Das neue Schlagwort: „Familien-Weihnacht“. Ebenso versuchte die nationalsozialistische Propaganda ab 1939 verstärkt, Heldengedenken mit dem Weihnachtsritus zu verschmelzen.

    Am 21. Dezember feierte man die Wintersonnwende und besuchte offiziell Kriegerdenkmäler am Obermain. Aus Sicherheitsgründen war das dazugehörige Wintersonnwendfeuer verboten.

    Subtil und systematisch hatten die Nationalsozialisten den Weihnachtskult schon Jahre vorher umgedeutet: Sie schufen einen neuen, vermeintlich germanischen Sonnenwendkult, Julfest genannt und verklärten die Mutterrolle.

    Zwischen Lametta hängen rote Kugeln mit schwarzem Hakenkreuz

    Ab 1935 änderte sich bei so manchen „Parteigrößen“ der Nazis am Obermain das Weihnachtsfest. Zwischen glitzerndem Lametta hingen keine roten, blauen und goldenen Glaskugeln, keine Engelsfiguren und Weihnachtsmänner mehr, sondern kleine rote Glaskugeln mit dem schwarzen Hakenkreuz auf weißem Kreis. Als Christbaumspitze hatte ein SA-Mann in brauner Uniform seinen Arm zum Hitlergruß ausgestreckt.

    An Weihnachten bekamen deutsche Mütter das Mutterkreuz

    Weihnachten 1937 wurde von der Reichspost in Anlehnung an „Christ der Retter ist da!“ ein Poststempel mit der Aufschrift: „Unser Führer der Retter ist da!“ herausgegeben. Das Weihnachtsfest wurde zum „Fest der allgemeinen Mutterschaft“, der „Mutternacht“ erhoben, die deutsche Mutter als Gottesmutterersatz stilisiert. Zu diesem Zweck stiftete die NSDAP Weihnachten 1938 kinderreichen Müttern das Ehrenkreuz der deutschen Mutter. Nur Mütter mit Ariernachweis bekamen es.

    Christliches Weihnachtslied „Zu Bethlehem geboren“ verboten

    Christliche Weihnachtslieder wie „Tochter Zion, freue dich“ und „Zu Bethlehem geboren“ durften nicht mehr in den Kirchen am Obermain gesungen werden. „O Tannenbaum“ und „Morgen, Kinder, wird?s was geben“ galten als unbedenklich. Das populärste nationalsozialistische Weihnachtslied: „Hohe Nacht der klaren Sterne“ wurde schon 1936 veröffentlicht.

    Kriegsspielzeit unter dem Weihnachtsbaum, passend zur Kriegsweihnacht.
    Kriegsspielzeit unter dem Weihnachtsbaum, passend zur Kriegsweihnacht. Foto: Repro: Andreas Motschmann

    In den Nachkriegsjahren wurde im Rahmen der Spruchkammer-Verfahren in Coburg gegen ehemalige Nationalsozialisten aus unserer Region von Betroffenen ausgesagt, „Hohe Nacht der klaren Sterne“ sei nur in den Schulen und bei den Nazi-Weihnachtsfeiern intoniert worden. Die Ehefrauen zu Hause hätten darauf bestanden, vor dem Christbaum in der Stube die christlichen Weihnachtslieder zu singen. An der Front oder im Lazarett sei am Heiligen Abend eher „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen worden; das habe den Soldaten „mehr Kraft zum Durchhalten“ gegeben.

    Jahresrückblicke fielen nicht mehr euphorisch aus

    Die Jahresrückblicke fielen im Lichtenfelser Land nicht mehr euphorisch aus. NSDAP-Kreisleiter Lorenz Kraus verwies auf die Herausforderungen des abgelaufenen Jahres 1939: Das Hochwasser im Januar hatte rund um Lichtenfels fast den Negativrekord von 1909 eingeholt.

    Evakuierte aus der Saarpfalz mussten am Obermain untergebracht werden. In der Staffelsteiner Schule hatte man sogar eine Klasse für die ersten vier Jahrgänge der „Pfalzkinder“ eingerichtet. Als „positive Errungenschaften“ erwähnte Kraus die Neueröffnung einer Porzellanfabrik in Hochstadt, die Einrichtung einer Flachsröste in Staffelstein, die neue Straße zum Bahnübergang in Michelau und dass bei der Errichtung der Reichskanzlei in Berlin Material aus dem Steinbruch bei Kleinziegenfeld eingesetzt worden war. Eine Delegation der Firma Diroll hatte man daher zur Einweihung nach Berlin eingeladen, was der Kreisleiter als besondere Ehre in seinem Jahresrückblick herausstellte.

    „Zusammengepfercht“ leben die verbliebenen Juden im Gemeindehaus

    Abschließend betonte Kraus „den Wert der Volksgemeinschaft, mit der man auf Gedeih und Verderb verbunden ist, vor allem dann, wenn Feinde diese Gemeinschaft bedrohen“. Er berichtete nicht, dass die in Lichtenfels verbliebenen 14 Juden Ende 1939 im Gemeindehaus zusammengepfercht wurden. Ihre Synagoge war ein Jahr vorher im Dezember 1938 für 600 Reichsmark in den Besitz der Stadt gekommen und und als Alteisenlager und an Markttagen als Schweinestall zweckentfremdet worden. Für die jüdischen Einwohner war der Jahreswechsel sicher mit großen Ängsten für die Zukunft verbunden, die sich leider mit der Deportation und Ermordung im Jahr 1942 bewahrheiten sollten.

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