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Eine Riesenchance für Oberfranken

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Eine Riesenchance für Oberfranken

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    Dr. Stefan Holzheu.
    Dr. Stefan Holzheu. Foto: Ochsenfoto.de

    Ein Ausbau der Windkraft steht seit Jahresbeginn wieder auf der Tagesordnung im Landkreis Lichtenfels. Kritiker betonen aber, dass die Bürger, speziell in den für Windkraft geeigneten Gebieten, gegen Windkraft seien. Doch glaubt man Dr. Stefan Holzheu, der die Arbeitsgruppe EDV und Datenbanken am Zentrum für Ökologie und Umweltforschung der Uni Bayreuth leitet und sich kommunalpolitisch als Gemeinderat in Harsdorf im Landkreis Kulmbach engagiert, ist die Windkraft neben der Photovoltaik ideal geeignet, um Oberfranken Energiesicherheit zu geben und gleichzeitig den CO2-Ausstoß zu verringern.

    Frage: Herr Dr. Holzheu, was spricht gegen Windkraftanlagen?

    Dr. Stefan Holzheu: Es spricht nichts gegen Windkraft. Das einzige Argument ist, dass einem die Windräder nicht gefallen, aber das ist Geschmackssache.

    Windkraftgegner führen die Verschandelung der Landschaft, die Gefährdung von Vögeln und Infraschall an. Wie antworten Sie darauf?

    Dr. Stefan Holzheu: Eine Verschandelung der Landschaft ist, wie gesagt, Geschmacksache. Ich finde Windräder wunderschön.

    Vogelschlag kann vorkommen, wird aber maßlos übertrieben. Neue Studien, beispielsweise mit Milanen, die mit Sendern ausgestattet wurden, zeigen, dass Vögel mit Windrädern klarkommen. Es gibt wesentlich häufigere Todesursachen für Vögel wie Stromleitungen, Verkehr oder illegale Giftköder. Artenschutz wird relativ oft von Windkraftgegnern vorgeschoben, hier tut sich der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz & Biodiversität (VLAB) hervor. Dieser junge Naturschutzverband beklagt jedes Windkraftprojekt. Seine Finanzierung ist unklar, und es stellt sich die Frage, warum er so schnell das Verbandsklagerecht bekommen hat. Für mich ist der Artenschutz kein relevantes Argument gegen Windkraft, denn jeder menschliche Eingriff ist artenschutzrechtlich relevant.

    Und der Infraschall ist ein Humbug-Argument. Er ist absolut harmlos. Wenn ich im Auto fahre, gibt es einen 1000-fach höheren Pegel. Infraschall ist kein Thema, es war nie eins.

    Trotzdem wurde Infraschall immer wieder als gesundheitsschädlich bezeichnet. Als Begründung wurde eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) angeführt. Dann sind Sie aktiv geworden und haben einen Rechenfehler der BGR aufgedeckt. Wie ist es dazu gekommen?

    Dr. Stefan Holzheu: Nachdem ein Windparkprojekt in der Nähe von Bayreuth wegen angeblichen Infraschalls verhindert worden ist, habe ich mir die entsprechenden Studien zu dem Thema angesehen, ob an dem Argument etwas dran ist. Doch wenn man diese Studien liest, fällt auf, dass diese nicht passen. Speziell die BGR-Untersuchung wurde ja immer wieder von Windkraftgegnern angeführt, doch die Ergebnisse passen nicht zu den Messungen an neuen Windkraftanlagen. Ich bat also bei der BGR nach einer Erklärung. Es ging hin und her, der Austausch wurde immer zäher, und irgendwann gab es keine Antwort mehr. Ich sagte der BGR, dass ich das Thema für relevant halte und deswegen meine Bedenken auf eine Web-Seite schreibe. Dann kann die Wissenschafts-Community darüber diskutieren, was richtig oder falsch ist. Das gab dann Ärger. Der BGR-Mitarbeiter warf mir vor, ihm ein Ultimatum gestellt zu haben, und drohte mit der Rechtsabteilung. Mein Chef hat mich unterstützt, ich habe dann auch mit anderen Wissenschaftlern gesprochen, wollte wissen, ob meine Einwände gegen die BGR-Studie plausibel seien, ober ob ich einen Bock geschossen hätte. Ich habe dann viel Unterstützung erhalten, dass die BGR einen Rechenfehler begangen hat. Dank des medialen Drucks hat sie viele Monate später ihren Fehler eingeräumt. Das hat zur Folge, dass man im Internet weniger windkraftkritische Seiten findet, und Infraschall zieht bei vielen Projekten nicht mehr gut als Gegenargument.

    Im Landkreis Lichtenfels gibt es aktuell nur in Weismain wie hier bei Seubersdorf Windkraftanlagen. Aktuell wird aber auch in anderen Kommunen wie in Burgkunstadt diskutiert, neue Windräder aufzustellen.
    Im Landkreis Lichtenfels gibt es aktuell nur in Weismain wie hier bei Seubersdorf Windkraftanlagen. Aktuell wird aber auch in anderen Kommunen wie in Burgkunstadt diskutiert, neue Windräder aufzustellen. Foto: Steffen Huber

    Ist Infraschall überhaupt gesundheitsschädlich?

    Dr. Stefan Holzheu: Infraschall ist da, die Frage ist, wie er auf Körper wirken könnte. Manche behaupten, er soll Zellen schädigen. Doch warum soll Infraschall von Windrädern, der 1000 Mal geringer ist als der in Autos, den Körper schädigen, während Autoverkehr nicht schädlich ist? Das ist absurd. Infraschall wird übrigens um den Körper herumgebeugt, das heißt von der Infraschallenergie nimmt der Körper so gut wie nichts auf.

    Eine andere Möglichkeit der Belästigung wäre, wenn man ihn über das Gehör wahrnimmt. Doch da braucht man einen ordentlichen Pegel. Er müsste 100.000 bis eine Million Mal höher sein als der von Windrädern.

    Eine letzte diskutierte Möglichkeit wäre eine unbewusste Wahrnehmung über andere Rezeptoren als die Ohren. Doch dies setzt voraus, dass es im Menschen einen Sensor gibt, der ihn registriert. Das Ohr ist dafür zu unsensibel, aber alle anderen bekannten Sensoren wie Gleichgewichtssinn oder Tastsinn sind noch mal um einen Faktor weniger empfindlich.

    Es gibt dazu auch einen schönen Doppeltblindversuch vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bei dem ein Subwoofer in einem Schlafzimmer mit deutlichen Signal höher als der von Windenergieanlagen über mehrere Wochen ausgestrahlt wurde. Bei einem anderen Teil der Teilnehmer standen die Subwoofer, ohne zu senden. Das Ergebnis war aber, dass es bei den Probanden keinen Unterschied gemacht hat, sie nahmen nichts wahr.

    Übrigens ist allein bei einem kräftigen Wind der Infraschallpegel auch höher als bei Windrädern. Und wenn ich mit meinem Gerät zur Messung von Infraschall ein Türöffnen untersuche, dann registriere ich Signale, die 10.000-fach intensiver sind als Infraschallpegel von Windrädern. Trotzdem spürt man nichts.

    Was spricht für Windkraftanlagen?

    Dr. Stefan Holzheu: Sie sind sehr flächeneffizient und haben, bezogen auf die Kilowattleistung, den geringsten Flächenverbrauch der erneuerbaren Energien. Sie ergänzt sich sehr gut als Komplementär-Energie im Winter für die im Sommer geeignete Photovoltaik.

    Die Windräder bei Seubersdorf: Geht es nach der IHK für Oberfranken Bayreuth, soll die 10H-Regel in Bayern aufgehoben werden.Archivfoto: Steffen Huber
    Die Windräder bei Seubersdorf: Geht es nach der IHK für Oberfranken Bayreuth, soll die 10H-Regel in Bayern aufgehoben werden.Archivfoto: Steffen Huber Foto: Steffen Huber

    Der Bau von Windkraftanlagen richtet sich nach den Vorranggebieten in den Regionalplänen. Diese wurden teilweise vor mehr als zehn Jahren ausgewiesen. Wie hat sich die Technik der Windkraftanlagen seither geändert? Wie sollten Vorrangflächen nun bewertet werden?

    Dr. Stefan Holzheu: Bei der Festlegung von Vorrangflächen ging es nur darum, ob man Windkraft wollte oder nicht. Die Technik spielte keine Rolle. Meine Heimatgemeinde Harsdorf wollte beispielsweise Flächen ausweisen, doch als diese wurden mit dem Verweis auf den Flugplatz Bindlach und das Landschaftsschutzgebiet abgelehnt.

    Bei der Entwicklung der Technik wurden große Fortschritte gemacht. Wir haben jetzt hohe Anlagen mit einer Nabenhöhe von 160 Metern und einem Rotordurchmesser von 160 Metern. Diese dringen in Luftschichten vor, in denen stärkerer Wind weht und in denen viel mehr Energie gewonnen wird. Im Vergleich zu kleineren Anlagen, die auf 2000 Volllaststunden kommen, erreichen diese großen Schwachwindanlagen mit großem Rotordurchmesser 2500 bis 2800 Volllaststunden. Nach meiner Meinung brauchen wir hier in Oberfranken solche modernen Anlagen.

    Wie viel Energie erzeugen solche neuen Anlagen?

    Dr. Stefan Holzheu: Bestehende Enercon E82 Anlagen mit 139 Metern Nabenhöhe, 82 Metern Rotordurchmesser und 2,3MW Generator erzeugen in Oberfranken aktuell gut 4000 MWh/a. Für eine moderne E160 mit 160 Metern Nabenhöhe, 160 Metern Rotordurchmesser und 4,2MW Generator erwartet man für den gleichen Standort 12.000 MWh.

    Sind private Klein-Windräder eine Lösung?

    Dr. Stefan Holzheu: Nein, denn Windkraft lohnt sich nur in hohen Luftschichten. Wenn man als Privatperson erneuerbare Energie erzeugen will, sind PV-Anlagen viel effizienter.

    Wie sieht nach Ihrer Meinung die Zukunft der Energiegewinnung in Oberfranken aus?

    Dr. Stefan Holzheu: Erneuerbare Energien bieten eine Riesenchance für Oberfranken. Wir haben gute Bedingungen für Windräder, jede mit ihnen erzeugte Kilowattstunde ist ein Gewinn für die Region. Über die Gemeinwohlabgabe profitieren inzwischen auch die Gemeinden direkt.

    Ein Problem sind aber sehr aufwendige und teure artenschutzrechtliche Auflagen, die verhindern, dass es mehr Bürger-Windprojekte gibt. Wenn beispielsweise ein Gutachten für sechs Anlagen im Wald eine Million Euro kostet, können sich solche Windparks nur größere Gesellschaften leisten.

    Beim Weismainer Ortsteil Seubersdorf stehen die meisten der Windräder im Landkreis Lichtenfels.
    Beim Weismainer Ortsteil Seubersdorf stehen die meisten der Windräder im Landkreis Lichtenfels. Foto: Steffen Huber

    Aktuell wird über die Laufzeitverlängerung von AKW gestritten. Ist eine solche sinnvoll?

    Dr. Stefan Holzheu: Darüber kann man diskutieren, doch eine Verlängerung ist nicht so einfach. Denn die Genehmigung läuft um 31. Dezember aus, weil die periodische Sicherheitsüberprüfung vor drei Jahren aus Kostengründen nicht gemacht worden ist. Und diese Prüfung ist nach EU-Recht festgeschrieben. Wenn die Atomkraftwerke also im nächsten Jahr weiterlaufen, brechen wir Europarecht.

    Und dann müssen wir unterscheiden zwischen dem Streckbetrieb mit den alten Brennstäben oder dem Betrieb mit neuen Brennstäben. Streckbetrieb wäre am einfachsten, ich hätte auch persönlich kein Problem damit. Aber der Nutzen ist begrenzt. Nur das AKW Isar 2 kann noch fast die volle Leistung liefern. Bei den anderen beiden sind die Brennstäbe schon so weit abgebrannt, dass schon vor dem 31. Dezember die Leistung reduziert werden muss. Und neue Brennstäbe gibt es nicht so schnell, diese sind für jedes Kraftwerk Spezialanfertigungen. Und dann müsste noch viel Geld in die Sicherheitsüberprüfungen investiert werden. Geld, das eventuell besser für erneuerbare Energien oder Energiespeicher ausgegeben werden sollte.

    Und schließlich brächte eine Laufzeitverlängerung ja nur vier Gigawatt, wir brauchen aber 60 Gigawatt im Netz und in Zukunft wahrscheinlich noch mehr. Deswegen müssen endlich die Hürden für Windernergie, wie die 10-H-Regelung, abgebaut und auch die Artenschutzvorgaben im bayerischen Windenergieerlass sollten überarbeitet werden. Hier ist die Landespolitik gefordert.

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