Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Obermain
Icon Pfeil nach unten
Lichtenfels
Icon Pfeil nach unten

LICHTENFELS: FC Lichtenfels: Matvey aus der Ukraine und die EM

LICHTENFELS

FC Lichtenfels: Matvey aus der Ukraine und die EM

    • |
    • |
    Matvey (li.) und sein Team-Kumpel Levi halten gemeinsam die ukrainische Fahne. „Ich wünsche dem ukrainischen Team, dass sie eine guten Platz belegen“, sagt Levi.
    Matvey (li.) und sein Team-Kumpel Levi halten gemeinsam die ukrainische Fahne. „Ich wünsche dem ukrainischen Team, dass sie eine guten Platz belegen“, sagt Levi. Foto: Till Mayer

    Für Matvey ist die Sache mit dem Fußball ein ganz großes Ding. Ganz besonders in Zeiten, in denen im Leben nicht alles so rund läuft. Ganz und gar nicht sogar. In seiner Heimat der Ukraine herrscht Krieg.

    Der Junge floh mit seiner Familie aus Dnipro. Die Millionenstadt liegt im Hinterland, nicht im Kampfgebiet. Aber russische Raketen- und Drohnenangriffe töten dort in trauriger Regelmäßigkeit Zivilisten und zerstören Wohnhäuser. Dnipro ist ein wichtiger Industrie- und Handelsplatz. Für Putins imperiale Gelüste ein lohnendes Ziel.

    Matvey weiß, wie sich der Fliegeralarm anhört. Oft genug ging es dann mit seinen Klassenkameraden die Treppen hinunter in den Keller der Schule. Unterricht im Luftschutzraum, dass ist für Millionen Kinder und Jugendliche in der Ukraine Alltag geworden. Genauso wie Nächte in fensterlosen Gängen oder Kellern, wenn Alarm herrscht.

    Familie stammt aus Dnipro

    Seine Freunde aus Dnipro, die fehlen ihm. Seit einem Jahr ist der Junge jetzt in Lichtenfels, zusammen mit Mutter, Vater und den beiden Geschwistern. Weil sein Vater drei Kinder hat, ist er nicht wehrpflichtig und konnte die Ukraine verlassen. Viele geflüchtete ukrainische Kinder, die in Deutschland leben, haben weniger Glück. Männer zwischen 18 und 60 Jahren müssen sich für ihre Einberufung bereit halten und dürfen die Ukraine nicht verlassen.

    Matvey spielt in der Abwehr, hat aber ganz offensichtlich Torjäger-Qualitäten.
    Matvey spielt in der Abwehr, hat aber ganz offensichtlich Torjäger-Qualitäten. Foto: Till Mayer

    Zumindest eines dreht sich für Matvey weiter, wie vor seiner Flucht aus der Heimat: der Ball. „Ich hab auch schon in Dnipro Fußball gespielt“, sagt Matvey. Jetzt kickt er für den FC Lichtenfels, noch in der E-Jugend. Doch zur D-Jugend ist es nicht mehr lange hin.

    Mit ernstem Gesicht

    Der Zehnjährige hat für sein Alter ein sehr ernstes Gesicht. Und ist ein wenig schüchtern, als er mit dem Reporter spricht. Aber sein Deutsch, dass ist schon sehr gut.

    Das findet auch Team-Kamerad Levi, der zufällig gerade beim Interview vorbeiläuft. Levi ist auch zehn Jahre alt, und meint es sei schlimm, dass in der Ukraine Krieg herrscht. „Ich habe vor kurzem im Fernsehen ein Bericht über Fußball in der Ukraine gesehen. Da musste alle das Spielfeld verlassen, weil in Russland ein Kampfflugzeug abhob“, sagt Levi.

    Der junge Ukrainer Matvey lebt seit einem Jahr in Lichtenfels. Bei der EM fiebert er mit dem Team seines Heimatlandes mit. „Aber den Titel wird Deutschland holen“, ist er sich sicher.
    Der junge Ukrainer Matvey lebt seit einem Jahr in Lichtenfels. Bei der EM fiebert er mit dem Team seines Heimatlandes mit. „Aber den Titel wird Deutschland holen“, ist er sich sicher. Foto: Till Mayer

    Matvey steht neben sein Team-Kameraden und blickt ein wenig zu Boden auf den Kunstrasen. Er weiß, warum es gefährlich ist, wenn in Russland ein Kampfflugzeug aufsteigt. Ein zehnjähriges Kind in der Ukraine weiß so etwas. Die Flugzeuge können Gleitbomben abwerfen, die dann in der Ukraine in Häuser einschlagen Wie es in seiner Heimatstadt schon mehrmals passiert ist. Darum heulen die Sirenen und rattert die Warn-App auf dem Smartphone in seiner Heimat, wenn ein russisches Flugzeug aufsteigt.

    Aber Matvey will lieber über Fußball sprechen. „Mein Team ist natürlich die Ukraine, aber ich drücke auch den Deutschen die Daumen“, sagt er. Die deutsche Elf sieht er auch als EM-Sieger. Und die Ukraine? „Platz 2“, meint der Zehnjährige, der vielleicht auch ein wenig höflich sein will, bei seinem Tipp für das Turnier. „Ich freue mich schon auf die Spiele“, sagt er. Der Vorbereitungsspiel der deutschen gegen die ukrainische Elf fand er nicht so spannend. Es fiel kein einziges Tor.

    Aber nach seinen Prognosen werden die beiden Teams noch einmal gegeneinander antreten, zum großen Finale. Doch jetzt will Matvey trainieren. Für den Reporter legt er denn Ball vor dem Tor zurecht. Ein Schuss direkt in das Kreuzeck. Der Keeper hat keine Chance. „Sauberer Schuss“, sagt der anerkennend. Matvey steht bei Spielen als Verteidiger auf dem Platz. Hat aber ganz offensichtlich auch Stürmer-Qualitäten.

    Im Hintergrund trainieren Kinder, von denen das eine oder andere aus einem anderen Kriegsland kommt – zum Beispiel aus Syrien. Auch in Äthiopien fordert ein Bürgerkrieg tausende Tote.

    Aus zwölf Nationen

    „In unserem Jugendbereich sind von den Bambinis bis hoch zur A-Jugend Spieler aus zwölf Nationen im Nachwuchsbereich aktiv, darunter aus Äthiopien, Afghanistan, Ghana, Guinea, Kroatien, Mazedonien, Polen, Rumänien, Russland, Spanien, Syrien und der Ukraine. Ab der D-Jugend spielen wir in einer Spielgemeinschaft mit Staffelstein und Schwabthal“, erklärt die stellvertretende Jugendleiterin des FC Lichtenfels, Marion Nikol. Multi-kulti scheint bei Kindern bestens zu klappen. Mit der einen oder anderen Herausforderung.

    „Der 1. FC Lichtenfels steht für Vielfalt, Toleranz und Respekt. Wir freuen uns, dass wir Kindern und Jugendlichen aller Kulturen und Nationen hier die Möglichkeit geben können, gemeinsam Fußball zu spielen, Freundschaften zu schließen sowie gegenseitigen Respekt und Toleranz zu entwickeln. Natürlich sind damit auch Herausforderungen für unsere Trainer verbunden, zum Beispiel bei der Kommunikation mit den Eltern. Das ist tatsächlich nicht immer leicht, doch wenn man sieht, wie gut sich die Kids integrieren und mit wie viel Freude sie sowohl beim Training als auch bei Spielen am Start sind, zahlt sich der Einsatz auf jeden Fall aus“, fügt die junge Frau ganz offiziell hinzu.

    Das große Vorbild

    Und Matvey? „Er ist ein guter Spieler und hat seinen Platz im Team gefunden“, sagt sein Trainer Eugen Herz anerkennend, der selbst als Kind aus Kasachstan nach Deutschland kam. Seinen Platz in einem Team zu finden, für einen Jungen, der vorerst seine Heimat verloren hat, ist das unbezahlbar. Und davon zu träumen, ein Star wie der ukrainische Nationalspieler Oleksandr Sintschenko (linker Verteidiger) zu werden. Der kickt für den Londoner Club FC Arsenal. Matvey würde gerne Profi werden. Das ist das Schöne am Fußball. Er gibt Raum für Träume, auch in schweren Zeiten.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden