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LICHTENFELS: Lichtenfels 1869: Der exkommunizierte Stadtrat Ignaz Döllinger

LICHTENFELS

Lichtenfels 1869: Der exkommunizierte Stadtrat Ignaz Döllinger

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    Der Kirchenhistoriker Ignaz Döllinger gilt als einer der Gründungsväter der „Altkatholiken“. Foto Repro: Karlheinz Hößel
    Der Kirchenhistoriker Ignaz Döllinger gilt als einer der Gründungsväter der „Altkatholiken“. Foto Repro: Karlheinz Hößel

    Das I. Vatikanische Konzil, das 1869 in Rom eröffnet wurde, hatte ein zentrales Thema: Das sogenannte „Unfehlbarkeitsdogma“, also die Festlegung, dass der Papst, wenn er in Fragen des Glaubens und der Sitte in höchster Lehrautorität entscheidet, aus sich heraus unbedingt Recht habe, unfehlbar sei, auch wenn die Zustimmung der Gesamtkirche dazu nicht gegeben ist.

    Diese Haltung sorgte natürlich für Zündstoff und schon auf dem Konzil wandten sich 50 Bischöfe gegen diese Meinung und verließen die Kirchenversammlung vorzeitig. Unter ihnen war auch der Bamberger Erzbischof Michael von Deinlein (1858-1875), der zwar für seine Haltung zuhause begeistert empfangen wurde, allerdings sehr bald auch Einiges an Widerspruch hinnehmen musste.

    Vollends zum Politikum wurde die Angelegenheit, als die Staatsregierung vorschrieb, ihre Erlaubnis einzuholen, ehe das Dogma verkündet würde. Ein katholischer Deutscher war damals tatsächlich in einer Zwickmühle, auf der einen Seite verlangte der Papst Gehorsam, mit dem Seitenblick auf die durch Säkularisation und Industrialisierung angeschlagene Position der Kirche, auf der anderen Seite galt es dem neu gegründeten Deutschem Kaiserreich Loyalität zu zeigen, an dessen Spitze freilich ein protestantischer Preuße stand.

    Pro und Contra

    Bald begannen sich die Gegner der päpstlichen Unfehlbarkeit zu sammeln. Ende August 1870 trafen sich die deutschen Bischöfe, die die Konzilsbeschlüsse ablehnten, in Nürnberg zu Beratungen. Zum Zentrum des Widerstands wurde der Münchner Kirchenhistoriker Professor Ignaz Döllinger, der diese neuen Glaubensartikel für unannehmbar hielt und dies auch öffentlich kund machte. Er, wie auch viele andere Gläubige, wollten an dem Glauben festhalten, wie er überliefert sei, deshalb nannten sie sich „Altkatholiken“.

    Auf diese Herausforderung reagierte die katholische Kirche mit einem ihrer stärksten Mittel, sie verhängte über Döllinger am 17. April 1871 die Exkommunikation. Um Döllinger zu stützen, wurde eine Adressenbewegung ins Leben gerufen, von Nürnberg aus organisert, wozu man die zugeschickten Listen unterschreiben sollte. In Lichtenfels unterzeichneten beide städtischen Gremien ohne Umstände. Man ging sogar soweit, den Polizeidiener mit der Liste in der Stadt herumzuschicken, allerdings mit der irrigen Information, die Unterschriften seien für den Papst zu leisten.

    Vor allem auch in Weismain schlugen die Wogen hoch. Hier war es der Gendarm, der beim Bezirksamt Anzeige wegen der propäpstlichen Predigten in der Stadt erstattete. Die Regierung von Oberfranken, bei der man nachfragte, empfahl die Nichteinmischung der Gendarmerie in solche Fragen. Diese Predigten waren wohl auch der Grund, dass der Bürgermeister und die Stadträte Weismains nun erst recht die Adresse für Döllinger unterschrieben und sogar vom Gemeindediener Unterschriften sammeln ließen.

    „Kulturkampf“ in Lichtenfels

    Ende April 1871 schließlich kam aus Bamberg der Beschluss, dass von den Kanzeln verkündet werde, jeder, der sich gegen die Unfehlbarkeit des Papstes ausspreche, würde exkommuniziert. Damit aber feuerte man die Bewegung zunächst nur an. Bereits 1872 fand der erste altkatholische Gottesdienst in Bayreuth statt.

    In Lichtenfels zogen nun zwar einige Döllinger-Unterstützer ihre Unterschrift zurück, doch die Überzeugten machten weiter. In der ganzen Stadt machten Broschüren und Flugblätter die Runde, die für die altkatholische Sache warben. Schließlich sah sich Pfarrer Johann Neuner genötigt einzugreifen. Er warnte dringend davor, solche Schriften anzunehmen, selbst wenn sie eine Amtsperson anböte. Die Gemeindegremien, die sich ja geschlossen für Döllinger ausgesprochen hatten, betrachtete der Pfarrer als exkommuniziert und behandelte sie auch entsprechend. Es wurde ihnen verboten an der Fronleichnamsprozession teilzunehmen und sich aktiv am kirchlichen Leben zu beteiligen.

    Streit gab es auch um den Ort für die Gottesdienste. Die Altkatholiken brachten dafür die Spitalkirche ins Gespräch, die seit der Säkularisation keine rechte Funktion und Betreuung mehr hatte. Doch wütender Protest eines Teils der katholischen Gemeinde verhinderte dies.

    Ihren Höhepunkt fanden die Auseinandersetzungen im Sommer 1874, als ein Altkatholik zur letzten Ruhe gebettet werden sollte. Pfarrer Neuner hatte die Kirchentüren verschlossen und weigerte sich, den Schlüssel herauszugeben. Auch gutes Zureden des Bürgermeisters Adam Wenglein brachte keinen Sinneswandel.

    Wenglein, studierter Apotheker und seit 1870 Bürgermeister in Lichtenfels, war als Mitglied der Nationalliberalen Partei von 1875 auch Mitglied der Bayerischen Abgeordnetenkammer und in der Stadt hochgeschätzt und geachtet, immerhin blieb er bis 1912 Bürgermeister. Auch mit den kirchlichen Kreisen hatte er im Armenpflegschaftsrat und bei der Sorge um die Armen mit Schulschwestern bereits gut zusammengearbeitet.

    Doch im vorliegenden Fall war nichts zu machen, er musste schließlich einen Schlosser beauftragen, die Kirchentüre zu öffnen, um die Glocken zur Beerdigung läuten zu lassen. Das brachte Wenglein für lange Zeit den Groll katholischer Kreise ein. Erst 1880 wurde er wieder in die Kirchengemeinschaft aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war der Zenit für die Altkatholiken bereits überschritten. Nachdem sich 1871 26 Bürger zu ihnen bekannt hatten, waren es 1879 nur noch 7.

    Auch in Weismain gingen die Wogen zunächst hoch. Nach der Exkommunikationsandrohung gab es Tumulte in einigen Wirtshäusern und auch nächtliche Unruhen. Der damalige Pfarrer Leonhard Endres betrachtete einige Gaststätten als Sammelplätze und Brutstätten des „altkatholischen Ungeistes“ und empfahl dringend, sie nicht mehr aufzusuchen. Doch auch hier beruhigten sich die Gemüter in den nächsten Jahren. Von den zwölf bekennenden Altkatholiken des Jahres 1871 blieben acht Jahre später noch 4 übrig. Der letzte Altkatholik starb 1888 mit 87 Jahren.

    Blick zurück und nach vorn

    Betrachtet man heute die Forderungen des „synodalen Wegs“, einer reformfreudigen Bewegung in der katholischen Kirche, getragen von Laien und Geistlichen, so ist es erstaunlich, wie viele Parallelen es zu den Altkatholiken gibt: Überlegungen zu Macht und Gewaltenteilung in der Kirche, Frauen in Kirchenämtern, Neubewertung von Homosexualität, ein Überdenken priesterlicher Ehelosigkeit, die Behandlung Geschiedener und viele andere Dinge. Manchmal lohnt es sich vielleicht beim Überdenken neuer Ansätze auch einen Blick zurückzuwerfen.

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