Stefan Voll ist ein freundlicher, bescheiden-umgänglicher Mensch. Wer nicht weiß, dass er Professor ist, dem drängt er diese Information auch nicht auf. Kurz und gut: ein Mensch wie du und ich.
Allerdings mit dem Unterschied, dass dieser Lichtenfelser Sportwissenschaftler und Vorsitzende des Kulturrings Lichtenfels vor wenigen Tagen im prunkvollen Max-Joseph-Saal der Münchener Residenz von der Staatsministerin für Unterricht und Kultus Anna Stolz mit der höchsten kultusministeriellen Auszeichnung geehrt wurde, die das Bundesland Bayern zu vergeben hat: dem bayrischen Staatspreis.
Besondere Verdienste
Erhalten hat ihn Professor Voll für seine besonderen Verdienste im Bereich der universitären Lehrerbildung und der Entwicklung von schulischen Forschungs- und Anwendungsprojekten, wie „Voll in Form II“ oder „LeBe – Lernen durch Bewegung“, bei der Zusammenhänge zwischen Bewegung, kognitiver Leistungsfähigkeit und Bildung in den Blickpunkt gerieten.
Und weiter heißt es in einer Pressemitteilung: „In seiner beruflichen Tätigkeit als leitender akademischer Direktor des Universitätssportzentrums und des Institutes für die Erforschung und Entwicklung fachbezogenen Unterrichts an der Universität Bamberg beschäftigt sich Professor Dr. Stefan Voll intensiv mit den sich wandelnden bewegungsarmen Aufwachsbedingungen von Kindern und Jugendlichen und den sich verändernden gesellschaftlichen und schulischen Rahmenbedingungen.“

Ein Interview mit einem Mann, der sich mit den Zusammenhängen von Bewegung und universitären sowie schulischen Bildungsprozessen auskennt:
Obermain-Tagblatt: Wann haben Sie von Ihrer Auszeichnung erfahren und was war Ihre erste Reaktion darauf?
Stefan Voll: Vor ein paar Wochen lag ein bedeutungsschwangerer Brief mit augenfälligem Amtssiegel im Briefkasten. Ich war einigermaßen sprachlos.
Hätten Sie je mit so einer Ehrung gerechnet?
Voll: Natürlich nicht! Es gibt im Dunstkreis von Universität, Kultur, Schule und Forschung sicher viele, die Bedeutsameres geleistet haben und leisten. Es heißt ja immer „Bomben und Orden treffen immer die Falschen“. Aber vielleicht wurde die ministerielle Entscheidung durch die Tatsache beeinflusst, dass meine Forschungs- und Anwendungsprojekte ihren Niederschlag in nahezu allen bayrischen Grund- und Mittelschulen gefunden haben und finden.
Wie bereitetet man sich auf so einen Tag vor? Ist man aufgeregt?
Voll: Es gab vom Ministerium im Vorfeld ein höchst detailliertes Ablauf-Protokoll bezüglich der minutiösen Abfolge der Ehrungsveranstaltung. Aber ehrlich gesagt war ich schon mit dem ungewohnt festlichen Zeremoniell in der Münchner Residenz einigermaßen überfordert.
Was bedeutet Ihnen der Staatspreis?
Voll: Jeder freut sich, wenn seine Arbeit Beachtung findet und Würdigung erfährt. Ich war aber schon überrascht, dass im hohen Haus am Münchner Salvatorplatz oberfränkische Arbeit bemerkt wird.
Was fasziniert Sie an der Verbindung aus Sport und Wissenschaft?
Voll: Mein Vorgänger Prof. Dr. Sigurd Baumann, einer der bekanntesten Sportpsychologen, hat einmal gesagt: Eine gute Theorie ist die beste Praxis. Und tatsächlich ist es so, dass der Transfer von Sportforschung auf die „Wahrheit auf dem Platz“ (Otto Rehagel) schon komplex und spannend ist.
Und was für ein Forschungsprojekt würde Sie noch reizen?
Voll: Im Bereich des Einflusses von gezielter Bewegung auf die geistige Leistungsfähigkeit, speziell auf die sogenannten exekutiven kognitiven Funktionen wie Konzentrationsfähigkeit oder Wahrnehmungsfähigkeit, ist die evidenzbasierte Forschungslage schon ganz gut. Jedoch müsste davon ausgehend noch mehr Grundlagenforschung zum spannenden Zusammenhang von bewegungsorientiertem Lernen und Behaltensleistung sowie Vergessensresistenz erfolgen.
Welche Art von Professor sind Sie – der zerstreute oder der abschweifende?
Voll: Meine Studierenden und Mitarbeiter würden wohl eine Mischung aus zerstreut und abschweifend augenzwinkernd anmerken. Jedenfalls bin ich sicher weit entfernt von Vorbildlichkeit.
Jetzt mal ganz was anderes: Wer glauben Sie, ist bei einer Stunde, fünf Minuten und 56 Sekunden in dem 1973 entstandenen deutschen Film „Das fliegende Klassenzimmer“ (mit Joachim Fuchsberger) zu sehen? Kleiner Tipp: Er trägt ein ziemlich buntes T-Shirt.
Voll: Tatsächlich wurde damals unsere Klasse ausgewählt, die Statistenrollen in diesem bekannten Pennälerfilm zu übernehmen, der überwiegend in dem Bamberger Internat Aufseesianum gedreht wurde, das ich zeitgleich besucht habe. Die dreiwöchige Drehzeit war schon spannend.
Sie kommen aus Lichtenfels, der Film wurde in Bamberg gedreht, Sie lehren in Bamberg und wohnen in Lichtenfels – sind Sie ein heimatverwurzelter Mensch und hätten Sie sich vorstellen können, auch außerhalb Oberfrankens zu lehren?
Voll: Des Öfteren gab es in der Vergangenheit die Möglichkeit, an andere Universitäten auch im Ausland zu wechseln. Aber die Universität Bamberg mit ihrem geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt bot und bietet sehr gute Möglichkeiten, etwas zu bewegen und auf den Weg zubringen. Außerdem ist Lichtenfels meine Heimat. Und wer hat schon einen Gottesgarten vor der Haustür …
