Gerade im letzten Jahr machte ich die Erfahrung wie anstrengend unser Leben oft ist. Und wenn sie meinen, das läge an den Corona-Auflagen, dann irren sie. Meines Erachtens hat diese Pandemie nur zu Tage gefördert, was uns das Leben auch vorher schon zunehmend schwerer gemacht hat. Es ist unser menschliches Streben, dass wir alles ganz genau wissen wollen.
Und wenn wir etwas meinen wirklich zu wissen, dann geht nichts mehr – aber auch gar nichts mehr. Unsicherheiten – offene Fragen sind uns in der Regel ein Graus.
Doch gerade das Wissen darum, nicht alles wissen zu können bzw. nicht alles wissen zu müssen, kann das Leben reicher machen, vielleicht sogar froher.
Während ich diese Zeilen schreibe, muss ich grinsen. Ich, die die Wissenschaft liebt, die es auch lange nach dem Studium genießt, in neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen der Theologie, Psychologie, Geschichte und Weltanschauungsfragen zu schmökern und es spannend findet, wenn das, was unsereins gelernt hat im Studium, heute in Frage gestellt wird, ich schreibe davon, wie schön es ist, nicht alles wissen zu müssen. Doch gerade das habe ich in der Wissenschaft gelernt.
Wissen ist immer relativ – man kann Wissen nicht ein für alle Mal bunkern. Es ist gut, wenn wir Menschen das für unser Leben annehmen könnten. Wir können nicht alles wissen. Wir müssen vertrauen, gerade in den wichtigen Momenten unseres Lebens und erst recht, wenn es Saure-Gurken-Zeit ist. Zu vertrauen ist wichtig, denn es heißt auch, dem Leben nachzuspüren und auch den Mitmenschen nachzuspüren.
Wer zugibt nicht alles zu wissen, der vertraut. Zugegeben, das Vertrauen in Menschen kann enttäuscht werden, aber das Wissen kann genauso enttäuscht werden, nämlich dann, wenn mir ein anderer nachweist, dass mein Wissen falsch ist. Was heute fachlich korrekt ist, muss es morgen lange nicht mehr sein. Was heute sinnvoll ist und richtig, kann morgen falsch sein. So ist das Leben!
Warum mir das gerade alles durch den Kopf geht? Weil wir am Sonntag die Dreieinigkeit Gottes feiern. Verstehen kann das kein Mensch, wie das funktionieren kann mit diesem Gott, der Schöpfer ist, Mensch wurde und dann als Geist bei seinen Menschen bleibt. Wissen kann man es schon überhaupt nicht. Aber darauf vertrauen, weil es mein Leben heller macht und froher. Weil ich Hoffnung habe über meine menschliche Vernunft und das menschliche Wissen hinaus. Weil ich es spüren kann, das Glück und die Freude, die Hoffnung, die mir ein gutes Gespräch, eine nette E-Mail, ein Spaziergang gibt, obwohl ich doch um meine eigene Begrenztheit weiß.
Unser Gott ist kein Bildergott, sondern ein Beziehungsgott. Er kann erscheinen in verschiedenen Weisen und zwar als Gegenüber für mich Mensch. Er ist größer als mein Verstand und er lehrt mich zu vertrauen, selbst wenn alles um mich herum nichtig und leer ist, selbst wenn ich mich nach einem schönen, unbeschwerten Urlaub sehne und mich Wissenschaft und Politik schon mal verunsichern. Wenn ich den Menschen und ihrem Wissen nicht vertrauen kann, dann ihm. Er ist nicht nur Schöpfer und Bruder, nicht nur Herr und Meister, sondern auch die heilige Geistkraft.
Wann das Chaos in unserer Welt ein Ende findet? Ich weiß es nicht – werde es wohl abwarten müssen, und bis dahin lese ich mich gerne schlau. Aber unterm Strich vertraue ich Ärzten und selbst politischen Beschlüssen, auch wenn sie mir nicht immer einleuchten. Aber vor allem vertraue ich, dass Gott uns begleitet und die Kraft gibt, dass wir aus dem Schlamassel auch wieder herauskommen. Vielleicht wie Phönix aus der Asche. Wer weiß?
Anne Salzbrenner, Pfarrerin