Am Freitagvormittag besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin noch das soziale Start-up Kiron, wo Flüchtlinge sich auf ein Studium vorbereiten können. Am Nachmittag trifft sie in Bad Kissingen ein. Abends steht Fulda auf dem Programm. Wahlkampf ist kein Zuckerschlecken.
Wenigstens scheint die Sonne, als die CDU-Frontfrau am Regentenbau ihrer Limousine entsteigt. Sie lacht, winkt, richtet ihren blassroten Blazer und schüttelt die Hände, die man ihr entgegenstreckt. Bundesinnenminister Joachim Herrmann hat da schon die zwei Eiskugeln, die er sich schnell gegenüber an der Eisdiele auf die Waffeltüte klacken ließ, aufgeschleckt.
CSU-Lokalprominenz und Personenschützer nehmen die Kanzlerin in die Mitte und schleusen sie durch die 6000 Besucher im Kurgarten. Merkel will das Bad in der Menge nehmen. Sie bleibt gleich nach wenigen Metern stehen und kommt mit einem Mann im Rollstuhl ins Gespräch, der ihr etwas zuruft. Soviel Zeit muss sein. In der Kurhausstraße warten gespannt die Landwirte mit 20 Traktoren.
Demo-Kuh Cilly aus Elfershausen hat etwas auf dem Herzen: „Frau Merkel, wir müssen reden“, heißt es auf dem Plakat an ihrem Körper. Zum Reden kommt Merkel aber nicht, der Zeitplan ist eng. Immerhin wird sie später auf der Bühne den Milchviehhaltern ihre „Hochachtung“ aussprechen, weil sie von früh bis spät für ihre Tiere da sind.
Ein Kleinod entdeckt



Auf dem Weg vom Regentenbau zum Freiluft-Podium vor der Wandelhalle säumen zahlreiche Menschen ihren Weg. Immer wieder skandiert man „Merkel!“ Die Bundeskanzlerin drückt hin und wieder eine Hand, die sich ihr entgegenstreckt. Man merkt, ihr gefällt's in Bad Kissingen. Auf dem Podium nennt sie die Kurstadt ein „Kleinod“.
Bei einer kleinen Talkrunde zu Beginn nennen Innenminister Herrmann, Staatssekretärin Dorothee Bär und Merkel die Ziele, die ihnen am wichtigsten sind. Bär baut auf die Digitalisierung, die laut Kanzlerin Merkel „Chefsache“ werden soll. Herrmann will natürlich die innere Sicherheit des Landes gewährleisten.
15 000 Polizisten sollen demnächst zusätzlich eingestellt werden. Der islamistische Staat bringe die Grundwerte der Gesellschaft in Gefahr, sagt er. Sicher müsse man anders Denkenden gegenüber tolerant sein. „Aber Toleranz hat Grenzen. Das ist die Lehre, die wir aus dem Nationalsozialismus gezogen habe.“ Obwohl die Lautsprecher hinten nicht tragen und man kaum etwas versteht, brandet Riesenbeifall auf.
Merkels Einstig ist „tough“: Sie redet nicht drum herum, sondern sagt klar: „Der 24. September ist nicht der Tag der Kandidaten, sondern der Tag, an dem Sie entscheiden, wie es künftig weitergeht.“ Weniger als 2,5 Millionen Arbeitslose in Deutschland nennt sie ein gutes Resultat der vergangenen Jahre. Dennoch möchte sie noch mehr Menschen in Arbeit bringen.
Gelegentlich wird sie konkret: Kleine und mittlere Einkommen sollen entlastet werden. Der Freibetrag von Kindern soll auf den der Erwachsenen erhöht werden. In vielem bleibt die CDU-Vorsitzende aber vage: „Wir wollen vieles an den Menschen entscheiden und ihre Wünsche berücksichtigen.“
Den Quantensprung schaffen
Merkel will den „Quantensprung in der Schule“ schaffen und die Kids fit für die Digitalisierung machen. Die Pflege muss verbessert werden, die Rente soll bald sicher sein und die Probleme im ländlichen Raum müssen im Fokus bleiben, nennt sie als Ziele. Viel Konkretes gibt es freilich nicht. Aber ist Konkretes der tiefere Sinn einer Wahlkampfrede? Geht es dabei nicht eher um Psychologisches: die Menschen bei ihren Problemen zu packen und sie mitzureißen?
In Bad Kissingen ist Merkel das wohl gelungen. Es gab nur vereinzelt Pfiffe und Buhrufe. Die Meisten, die kamen, wollten wissen, was die 63-Jährige zu sagen hat. Wenngleich der Schlussapplaus verhalten blieb.
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