Im Sommer erhielt Thomas Eigenbrod, Geschäftsführer des gleichnamigen Dentallabors in Bad Brückenau, eine Bewerbung für eine Ausbildung von einem syrischen Flüchtling. Nach einem Gespräch und einem einwöchigen Praktikum entschied sich der Zahntechnikermeister bewusst für den 20-jährigen Azad Issa aus Al-Hasaka im Nordosten Syriens.
Rund einen Monat habe es gedauert, bis alle Unterlagen zum Ausbildungsbeginn Anfang September vorhanden waren. "Massive bürokratische Hürden waren das", bestätigt Eigenbrod. Was die Sache noch komplizierter machte, seien die Absprachen mit der hessischen und der bayerischen Handwerkskammer gewesen, sagt er. Denn Azad wohnt in Schlüchtern im benachbarten Hessen. Doch Eigenbrod hielt den jungen Mann für überaus talentiert und engagiert. "Das wollte ich auch jeden Fall vorantreiben", sagt Eigenbrod.
Vorbildliches Verhalten
Für den Arbeitgeber ist so eine Situation mit Unsicherheit verbunden. Trotzdem: "Das haben wir auch schon bei deutschen Azubis erlebt, dass es nach der Ausbildung nichts mit einem Arbeitsvertrag wurde", begründet Eigenbrod die Entscheidung für den Flüchtling. Außerdem sehe er sich auch in der sozialen Verantwortung. "Alle reden von Integration und keiner macht sie." Azads Verhalten - auch den weiblichen Mitarbeitern gegenüber - sei vorbildlich und seine Deutschkenntnisse auch, bestätigen Mitarbeiter des Dentallabors. "Davon könnte sich mancher Deutsche noch eine Scheibe abschneiden", fügt der Chef hinzu.
Am Beispiel von Azad zeigt sich, dass es häufig einige Jahre braucht, bis die Integration richtig anläuft: Der 20-jährige Syrer kam schon vor vier Jahren mit seiner Mutter und den drei Geschwistern nach Deutschland. In Hessen musste die Familie zunächst mehrere Monate in einem Notaufnahmelager verbringen. Schließlich ging die Reise weiter nach Schlüchtern, wo die Familie auch heute noch lebt. Sein Asylantrag wurde schnell anerkannt, weil er nachweisen konnte, dass er aus dem umkämpften Syrien kommt.
Viel Eigeninitiative
Mit 17 Jahren fing er in Fulda an Fußball zu spielen. Durch den Kontakt zu Gleichaltrigen lernte er schnell die Sprache und den Umgang in Deutschland. Er war offen und neugierig. "Nach einem halben Jahr konnte ich Deutsch", sagt Azad. Die Sprachprüfung B1 bestand er nach eigenen Aussagen sofort. Der schriftliche Nachweis über das Sprachniveau B2 folge. Er besuchte Integrationskurse und half in der Flüchtlingsunterkunft ankommenden Flüchtlinge .
Seinen Schulabschluss aus Syrien habe er übersetzen lassen. Schnell sei für ihn klar gewesen, dass er eine Ausbildung mache möchte. Er absolvierte ein Praktikum in einem Dentallabor in Fliedern. Dort konnte man ihm in diesem Jahr allerdings keine Ausbildungsstelle anbieten. "Erst im nächsten Jahr hätte ich eine Ausbildung beginnen können", sagt Azad. So lange wollte er nicht warten.
Im Internet suchte er offene Ausbildungsstellen und bewarb sich auf mehrere Stellen. Seine Bewerbungsunterlagen trug er auf einem USB-Stick immer bei sich. Nach mehreren Absagen bekam er schließlich die Einladung zum Vorstellungsgespräch von Thomas Eigenbrod. "Ich bin sehr glücklich über die Möglichkeit, eine Ausbildung hier machen zu dürfen", sagt Azad.
Auch seine Geschwister kommen in Deutschland gut an. Zwei von ihnen besuchen die Realschule und die große Schwester, erzählt er glücklich, fing kürzlich eine Ausbildung zur pharmazeutisch technischen Assistentin in Frankfurt an. Noch fährt Azad jeden Morgen mit dem Auto von Schlüchtern nach Bad Brückenau. Doch vielleicht suche er sich bald in der Nähe eine Wohnung, sagt er abschließend.
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