Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bad Kissingen
Icon Pfeil nach unten

OERLENBACH: Laufen mit dem Herzen und beten mit Füßen

OERLENBACH

Laufen mit dem Herzen und beten mit Füßen

    • |
    • |

    Wenn der Vater mit dem Sohne . . . Konrad und Michael Brunner aus Oerlenbach haben sich einen großen Wunsch erfüllt: den Jakobusweg von Südwestfrankreich aus durch Nordspanien nach Santiago de Compostela über 800 Kilometer „per pedes Apostolorum“ (lat.: „zu Fuß wie die Apostel“) zurückzulegen. Überwältigt und glücklich erreichten sie die Pilgerstätte und kehrten mit vielen Eindrücken zurück.

    Konrad Brunner war zuvor sechsmal den Jakobusweg-Abschnitt von Schweinfurt nach Würzburg gelaufen. Dabei war der Gedanke gereift, einmal einen längeren Abschnitt zurückzulegen. Sohn Michael griff die Idee auf und kaufte kurzerhand zwei Bahntickets nach Saint Jean Pied de Port, dem Ausgangspunkt des „Camino Frances“ am Fuße der Pyrenäen.

    Segen von Pfarrer Breitenbach

    Nun gab es kein Zurück mehr. Zur Vorbereitung wurde im Internet recherchiert, Bücher wurden gewälzt. Rucksack, Kleidung und sonstige Ausrüstungstipps waren gefragt, Route und Tagesetappen wurden geplant, Rückflugtickets gebucht, Pilgerausweise besorgt. Am Tag vor der Abreise holten sich beide den Segen von Pfarrer Roland Breitenbach, der den Camino selbst schon gegangen war.

    Zu Fuß liefen beide zum Bahnhof in Schweinfurt. Von dort ging's nach Frankfurt und weiter mit dem französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV über Paris nach Bayonne am Atlantik. Ein Bus brachte sie zum Startpunkt Saint Jean Pied de Port.

    Herberge verschlossen

    Mit Jakobusmuschel und dem ersten Stempel wartete die erste Etappe über 27 Kilometer. Nicht einfach, gleich zu Beginn einen Pyrenäenpass hinauf auf 1340 Meter, eine harte Prüfung. Es war schon dunkel, als die Pilgerherberge erreicht war. Sie war verschlossen, dafür hatte ein Hotel in der Nähe geöffnet. Am nächsten Morgen war Wundenlecken und Verarzten angesagt, denn Vater Konrad hatte sich Blasen und Druckstellen zugezogen. Falsche Socken?

    Eine überaus wichtige Begegnung folgte im baskischen Pamplona, dem Ziel des dritten Tages. „Was habt ihr alles im Rucksack?“, fragte der Betreuer der Casa Paderborn, ein Deutscher. Er wog die Rucksäcke – zu schwer, so sein fachmännisches Urteil. Unnötiges wurde ausgesondert. Die Tipps zahlten sich aus. Mit Tagesetappen zwischen 20 und 30 Kilometern, einige Male darüber, hielten beide ihren Plan ein.

    Pilger verstehen sich

    Unterwegs oder abends in den Herbergen trafen beide auf weitere Pilger aus aller Herren Länder, darunter Japaner, Kanadier, Franzosen, Holländer, Argentinier und Uruguayer, Deutsche. Die Verständigung klappe problemlos, in der Not mit Händen und Füßen. Manchmal wurde gemeinsam gefrühstückt und ein paar Schritte zusammenmarschiert. Unterwegs verlor man sich aus den Augen, um sich Tage später wieder zu begegnen.

    Ortschaften brachten Abwechslung, auch wenn sie manchmal schier unendlich weit in der Ferne lagen. An der Mauer eines Fabrikgeländes fand sich ein Gedicht: „Staub, Schlamm, Sonne und Regen, das ist der Weg nach Santiago. Tausende von Pilgern und mehr als tausend Jahre. Wer ruft dich, Pilger? Welche geheime Macht lockt dich an? Doch die Stimme, die mich ruft, fühle ich viel tiefer in mir. Die Kraft die mich vorantreibt, die Macht, die mich anlockt. Ich kann sie mir nicht erklären, dies kann allein nur Er da oben!“ (Auszug). Diese Zeilen regten zum Nachdenken an. Aufgeben war nie ein Thema, egal, ob die Sonne lachte oder Regen, Schnee, Nebel und Wind das Vorankommen erschwerten, ob die Füße schmerzten und der Rucksack drückte.

    Symbolträchtige Zwischenstation war „Cruze de Ferro“ (Eisenkreuz) in Kastilien. Über einem gewaltigen Steinhaufen erhebt sich ein fünf Meter hoher Eichenstamm mit Eisenkreuz. Hier legen die meisten Pilger einen Stein, von zu Hause mitgebracht, ab. Auch Konrad und Michael Brunner erfüllten dieses Ritual.

    Ziel rückt näher

    Großes Glücksgefühl erfüllte beide, als sie nach 33 Tagen vom „Monte do Gozo“, dem „Berg der Freude“ auf die Stadt hinunter schauen konnten. Überall entdeckten sie bekannte Gesichter, Pilger, die man in Herbergen und unterwegs mehr oder weniger oft getroffen hatte. Im Pilgerbüro holten sich beide die „Compostela“, die offizielle Beglaubigung für die Pilgerschaft, ab. Um 12 Uhr folgte in der überfüllten Kathedrale der Pilgergottesdienst. Nur ein Stehplatz blieb.

    Atemberaubend

    Bei jeder Messe im Heiligen Jahr endet die Feier mit dem „Botafumeiro“, dem Schwenken des großen Weihrauchkessels. Dahinter soll stecken, dass in früheren Zeiten der Gestank der Pilger „atemraubend“ gewesen sein soll. Als weiteres Ritual umarmten beide noch die Statue des heiligen Jakobus.

    Am nächsten Tag, einem Sonntag, nochmal ein Festgottesdienst. Am Montag stand der Rückflug an. Die abschließende Erkenntnis der Brunners lautete: „Pilgern ist Laufen mit dem Herzen und Beten mit den Füßen“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden