Zwischen zwei und viermal die Woche besucht Ingrid Schuck das Grab ihres verstorbenen Mannes Helmut in Steinach. Was sie vor sechs Wochen entdeckte, amüsierte sie zunächst. Dann beunruhigte es sie. Inzwischen löst es große Nervosität bei ihr aus. Es handelt sich um Zettel, die jemand anscheinend absichtlich auf dem Familiengrab platziert. Nun geht Schuck in die Offensive.
Es war Anfang November, als der Spuk begann. Da fand Ingrid Schuck zwischen der Bepflanzung des sehr gepflegten Grabes einen Überweisungsträger. Fünf Euro Kirchgeld konnte man damit einzahlen. Die Steinacherin nahm das Ganze als Jux wahr. Erstens war die Leistung freiwillig. Zweitens hatte sie ihr Scherflein längst beigetragen. "Ich habe den Überweisungsträger zerrissen und weggeworfen", sagt sie.
Die Sache schien vergessen. Doch zehn bis zwölf Tage später lag wieder ein Zettel da, diesmal ein A5-Blatt aus einem Notizblock, mit dem Logo eines regionalen Bestattungsunternehmens . Ingrid Schuck wurde hellhörig. Zufällig schien der Zettel nicht platziert. Er war so tief in die Pflanzen gesteckt, dass der Wind ihn nicht wegwehen konnte. Außerdem fand sich in der Erde ein Fußabdruck.
Wollte ihr jemand etwas damit sagen? Sie an etwas erinnern? An eine unbeglichene Rechnung vielleicht? Oder daran, dass sie eventuell selbst bald "Pietät nutzen müsste", wie sie es selbst formuliert. Schuck rief bei dem Bestattungsunternehmen an. Dort wusste niemand irgendetwas.

Fakt ist nur: Am 3. Dezember lag ein weiteres Stück Papier im Grab. Genauer: unter einem Grablicht steckend. Es handelte sich um einen Aufruf zur Corona-Kollekte. Wieder sprang bei der Steinacherin das Gedankenkarussell an. Eine logische Erklärung für die Zettel fand sie erneut nicht. Aber zunehmend drängte das Gefühl nach oben, dass ihr jemand eins auswischen wollte. Nur wer?
Das Unbehagen verstärkte der vorläufig letzte Zettel am Freitag vorvergangener Woche. Wieder ein Notizblatt des Bestatters . Vor zwei Jahren hatte Ingrid Schuck ihren Mann Helmut zu Grabe getragen. Er war 24 Jahre Bürgermeister gewesen, war als Altbürgermeister und Steinacher Ehrenbürger hoch angesehen. Sollten die Zettel mit ihm zusammenhängen?
Doch Helmut Schuck ist schon 1996 aus der Kommunalpolitik ausgeschieden. Ganz schön lange her für eine späte Rache. Ihr Mann hat über die Jahre vieles über Persönlichkeiten und Entwicklungen im Ort gesammelt. Anfang November wurde sein Archiv an den Steinacher Heimatverein übergeben. Haben die Zettel damit zu tun?
Ingrid Schuck will es nicht ausschließen. Inzwischen findet die Seniorin die mysteriösen Zettel nur noch beängstigend. Sie empfindet diese als "Psychoterror und Störung der Totenruhe".
Schuck informierte die Polizei . Die schickte eine Streife vorbei, protokollierte den Vorgang. Eine Polizistin riet ihr, an die Öffentlichkeit zu gehen. Vielleicht hatte jemand etwas am Friedhof gesehen. Oder beobachtet jetzt etwas.
Derzeit besucht Ingrid Schuck fast jeden Tag das Familiengrab, ihre Töchter ebenfalls. Auf der Suche nach Antworten. 100 Euro hat die Steinacherin ausgelobt, für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen.
Für ihre Tochter Sieglinde Schäfer steht fest: "Wir werden alles daran setzen, dass wir herausfinden, um wen es sich handelt oder dass es zumindest aufhört." Denn Ingrid Schuck möchte nur eins: wieder in Ruhe das Grab der Familie besuchen können.
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