
Besonders gravierend, aber kein Einzelfall ist das Bild am Ortseingang von Bischwind Richtung Dingolshausen (Lkr. Schweinfurt). Äpfel vergammeln in der Gosse, sind zum Teil schon von Autos zu Mus verarbeitet. Man könnte sie leicht körbeweise einsammeln, doch niemand will sie haben.
Kein Mensch bückt sich mehr nach den Früchten. Wozu auch? Im Supermarkt gibt es Äpfel zuhauf zum günstigen Preis, auf Hochglanz gebracht, ohne unansehnlichen Schorf und womöglich auch noch ganz exotisch – aus Südafrika oder sonst woher von Übersee. Eigentlich ein Frevel angesichts der Tatsache, dass anderswo Hunger und Durst herrschen.
So werden auch in diesem Jahr tonnenweise Äpfel in Straßengräben verfaulen und auf Wiesen und Feldern verrotten. Und das, obwohl die Apfelernte 2012 leicht unterdurchschnittlich ist. Viele Keltereien sind dennoch zufrieden. Nach dem letzten Jahr ist das wenig verwunderlich: „2011 war ein starkes Frostjahr. Es gab viele Betriebe, die gar nichts an Obst hatten“, sagt Thomas Riehl, der beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kitzingen als Obstanbau-Berater tätig ist. Nach einem schlechten Erntejahr ist ein besseres zudem meist garantiert: „Die Bäume erholen sich sehr gut und erhalten mehr Blütenknospen“, sagt Rainer Böhm vom Obsthof Brennerei Böhm in Effeldorf. Der Betrieb erwartet noch bis in den November gute Erträge.
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Vorsicht bei Fallobst
zur FotoansichtPreise für Mostobst im Keller
Doch nicht alle Keltereien haben Grund zur Freude. „Es gibt große Differenzen bei den Betrieben im Frankenland“, so Obstexperte Riehl. „Manche haben eine sehr starke Blüte, andere sind eher schlecht dran.“ So wie die Kelterei Söder in Sandberg. Die letzte große Ernte sei vier Jahre her, erzählt Mitarbeiterin Barbara Söder. Vor allem der Klimawandel macht dem Obst zu schaffen: Fröste bis hin in den Mai und regenreichere Sommer sorgen seit Jahren für rückläufige Ernteerträge. Aber es gilt zu differenzieren: Beim Essobst waren die Erträge schon mal besser, die Mostobstbäume dagegen hingen brechend voll.
Für Mostobst aber sind die Preise im Keller. Das ist auch einer der Gründe, warum so viele Äpfel nicht abgeleert werden. „Oder es gibt Baumbesitzer, die nicht mehr können, und die Jungen haben kein Interesse“, sagt Riehl.
Nicht abgeleerte Bäume stehen zudem oft in Flurbereinigungsgebieten oder an Straßenrändern. Keiner weiß genau, wem sie eigentlich gehören, also kümmert sich auch keiner darum. Streng genommen ist es auch nicht erlaubt, einfach Äpfel von solchen Bäumen mitzunehmen.
So sieht das auch Thorsten Wozniak, Pressesprecher am Landratsamt Schweinfurt. Es gibt Bäume, die zwar am Straßenrand stehen, aber trotzdem in Privatbesitz sind. Der Grund: Bei Flächenerwerb des Landkreises beim Bau von Straßen haben sich frühere Besitzer ausbedungen, ihre Bäume behalten zu dürfen. „Grundsätzlich können wir also nicht sagen, jeder kann sammeln und ernten, wie er will. Besser sollte man zur Klärung mal beim Landratsamt nachfragen.“ Wozniak räumt aber ein, dass es auch beim Kreis etliche Bäume gibt, um die sich niemand kümmert. Dazu gehören die, die den reichen Apfelsegen in Bischwind auf die Straße werfen. Das bestätigt Dingolshausens Bürgermeister Lothar Zachmann. In seiner Gemeinde wird ansonsten der Ertrag von kommunalen Bäumen versteigert. Dabei gibt es bei den Dingolshäusern nur noch geringes Interesse, so dass auch hier viel Obst verrottet. Anders in Bischwind, wo noch fast alle Bäume verstrichen werden.
Beim Staatlichen Straßenbauamt Schweinfurt, das die Staats- und bundeseigenen Straßen betreut, werden Obstbäume zwar gepflegt und zurückgeschnitten, aber nicht abgeerntet. Es sei denn, das Fallobst beeinträchtigt den Straßenverkehr. Das sagt Holger Bothe, der Leiter des Amts. Und: „Wenn jemand diese Früchte aufsammelt, haben wir nichts dagegen.“
Erfolgreiche Sammelstelle
Dass es immer mehr Menschen gibt, denen das Verrotten der Äpfel ein Dorn im Auge ist, scheint die Statistik des Gerolzhöfer Getränkehändlers Heinz Marx zu belegen. Seit fünf Jahren hat er auf seinem Hof eine Sammelstelle für Äpfel. Und von Jahr zu Jahr werden mehr von diesen Baumfrüchten angeliefert.
Marx sagt selbst, es sei „eine Sünde und eine Schande“, solche Mengen an Äpfeln ungenutzt vergammeln zu lassen. Bei seiner Sammelaktion hat er sich mit der Firma Hofmann Fruchtsäfte aus Nüdlingen zusammengetan. Die holt die Äpfel jeden Tag in großen Holzboxen ab und verarbeitet sie zu Saft. Bis zu sechs Tonnen Äpfel am Tag kommen momentan bei Marx auf den Hof.
Die Lieferanten können zwischen zwei Arten der Vergütung wählen. Entweder gibt es vier Euro pro Zentner Äpfel auf die Hand oder es gibt den Saft der Herstellerfirma zum stark vergünstigten Preis. Die Aktion läuft schon seit dem 20. September und wird am 1. November enden.
„Der regionale Wirtschaftskreislauf muss passen, wir brauchen keine Äpfel aus Übersee“, sagt Marx. Und auch für den Abnehmer hat das den Vorteil, dass Äpfel von ungenutzten Bäumen zwar nicht alle echte Schönheiten, dafür aber garantiert frei von chemischen Spritzmitteln sind. Im Gegensatz zu den Hochglanzäpfeln aus dem Supermarkt.
Im Internet kursieren Listen, auf denen Bäume verzeichnet sind, wo man Obst oder Fallobst kostenlos und legal für den Eigengebrauch pflücken oder sammeln darf: www.mundraub.org
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