Jacques Gaillot ist das Vorbild für den "Kleinen Bischof" in dem gleichnamigen Zukunftsroman, den der in der Region überaus bekannte und beliebte Pfarrer Roland Breitenbach geschrieben hat.
"In Kenntnis der bestehenden Schwierigkeiten mit der Diözese Würzburg", schreibt der französische Bischof in seiner Muttersprache in einem Mail und "in Sorge um die Einheit der Kirche", habe er sich entschieden, nicht nach Schweinfurt zu kommen.
Der erneute Besuch, bereits seit einem Jahr geplant und dem Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann auch mitgeteilt, war für den 7. und 8. Mai in Verbindung mit einem Gottesdienst vorgesehen. Dabei sollte auch eine Lesung aus dem neuen Buch von Bischof Gaillot, "Ein Katechismus, der Freiheit atmet", stattfinden.
Der Hintergrund der überraschenden Absage ist pikant. Offensichtlich gab es in der vergangenen Woche ein Gespräch zwischen Bischof Friedhelm Hofmann und Gaillot, vermutlich in Speyer. Für Jacques Gaillot war es nach diesem Gespräch klar, dass er in Unterfranken nicht willkommen sei. Das gleiche Schicksal ereilte den Bischof im vergangenen Jahr in Köln (aus diesem Bistum kommt der Würzburger Bischof) durch Kardinal Meisner gleich dreimal. Offenbar werde der Franzose wegen seiner Liberalität und seines offenen Wortes in den konservativen Bischofskreisen Deutschlands nicht sonderlich geschätzt, heißt es dazu aus der Pfarrei St. Michael.
Jacques Gaillot sorgt für Schlagzeilen, wenn er sich für die Gewissensfreiheit der Gläubigen einsetzt. "Der Zweck der moralischen Erziehung ist nicht so sehr das Erlassen von Vorschriften, sondern das Übertragen von Verantwortung", sagt er und sieht die "Moral in steter Wandlung".
Übel genommen haben ihm einige der deutschen Bischöfe, dass er auch angesichts des Umsichgreifens der Seuche Aids für die Verwendung von Kondomen eintritt, mit der Geburtenkontrolle keine Probleme hat und den Homosexuellen einen selbstverständlichen Platz in der Kirche einräumt. Gaillot: "Ich finde es besser, den gesellschaftlichen Wandel zu begleiten, als nur polemisch dagegen zu sein", wie es die Kirche oft tue.
Jacques Gaillot, der im September 70 Jahre alt wird, lebt in Paris mit den Obdachlosen und den "Sans-Papiers", den Menschen ohne Ausweispapiere, die weitgehend rechtlos sind. Als er bei einem Gespräch mit Pfarrer Roland Breitenbach im Juni 2004 auf dem Deutschen Katholikentag in Ulm nach seinem Gehalt befragt wurde, antwortete er mit einer Gegenfrage: "Wie hoch ist in Deutschland die Sozialhilfe für Alleinstehende?"
Jacques Gaillot wurde vor jetzt zehn Jahren von Papst Johannes Paul II. als Bischof der Diözese Evreux - auch unter politischen Druck - abgesetzt. Der Papst ernannte ihn zum Bischof von Partenia, eines in der algerischen Wüste liegenden und faktisch längst untergegangen Bistums. In seiner Abschiedspredigt vor französischen Bischöfen und Tausenden von Gläubigen sagte er 1995: "Ich für meinen Teil werde, in Gemeinschaft mit der Kirche, meinen Weg fortsetzen, um den Armen die Gute Nachricht zu bringen. Das Evangelium ist eine Botschaft der Freiheit und der Liebe. Gott heute verkünden, bedeutet die Freiheit des Menschen zu verteidigen."
Wenige Tage vor der nun erfolgten "Ausladung" durch Bischof Friedhelm Hofmann hatte Gaillot ein langes Gespräch mit Kardinal Re, Referent für Bischofsangelegenheiten, und dem vatikanischen "Außenminister" Giovanni Lajolo in Rom, das in gutem Einvernehmen geendet haben soll.
Und wie die französischen Bischöfe ihren Amtsbruder sehen, zeigt, dass der neue Bischof von Lyon nun Jacques Gaillot eingeladen hat, in seinem Bistum die Exerzitien für die Priester zu halten. Der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, Louis-Marie Billé, schrieb an Gaillot: "Jenseits der getroffenen Entscheidungen, jenseits der Spannungen einer Situation, die nach wie vor schwierig ist, bleibst Du unser bischöflicher Mitbruder."
"Schon deswegen", sagt der bekannte Pfarrer Breitenbach von St. Michael in Schweinfurt, "kann ich nicht verstehen, dass mein Freund Jacques Gaillot nicht willkommen sein soll, gerade weil er das Evangelium Jesu ganz menschennah verkündet." Der Pfarrer weiter: "Vielleicht klingt ja unseren Bischöfen das provokative Wort von Jacques Gaillot im Ohr: 'Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.'"
In Schweinfurt müssen jetzt jedenfalls viele Gäste ausgeladen werden. Manche hatten sich aus Leipzig, München und Zürich angemeldet. Die ersten Reaktionen der Gemeinde St. Michael reichen von "sauer" bis "maßlos enttäuscht". Die ehemalige Vorsitzende des Pfarrgemeinderates Gabi Kiesel, in deren Amtszeit Bischof Gaillot vor einem Jahr eingeladen wurde, sagt: "Solche Verfahrensweisen der Kirche setzen mir arg zu, und ich entscheide dann für mich: Das brauch ich nicht, dann eben ohne mich in dieser Kirche!"
Der jetzige Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, der Chefarzt im Schweinfurter St. Josefs-Krankenhaus, Dr. Christof Bretscher, ärgert sich: "Ich halte das Vorgehen des Bischofs für geradezu intrigant, denn die 'Ausladung' geschieht ohne Wissen der einladenden Gemeinde. Dann bleibt uns eben nichts anderes übrig, als Jacques Gaillot in Paris zu besuchen."

Wie bereits gestern berichtet, erklärte der Sprecher des Würzburger Ordinariats, Bernhard Schweßinger, das Gespräch zwischen Hofmann und Gaillot sei sehr einvernehmlich und offen geführt worden. Gaillot habe nicht zu einer Polarisierung beitragen wollen und seinen Besuch von sich aus abgesagt.