Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Haßberge
Icon Pfeil nach unten
Haßbergkreis
Icon Pfeil nach unten

FRIESENHAUSEN: Das Gespür für Tiere

FRIESENHAUSEN

Das Gespür für Tiere

    • |
    • |

    Man kann sich echt auf sie verlassen.“ Als der Friesenhäuser Landwirt Martin Gleichmann dieses Kompliment ausspricht, klingt das nicht so, als ob er es einfach so dahersagt, aus reiner Höflichkeit. Jessica Aparecida, der die ehrlichen Worte gelten, sitzt ihm gegenüber am Küchentisch im Bauernhaus der Gleichmanns. Sie freut sich über das Lob.

    Die 19-jährige Brasilianerin kam am 18. Dezember an. Vier Tage hatte die Reise aus dem südbrasilianischen Bundesstaat Dourados bis in die Haßberge wegen des Schneechaos' gedauert. Sie war auf mehreren Flughäfen festgehangen. Seitdem absolviert sie ein landwirtschaftliches Praktikum auf dem Hof der Gleichmanns. Am 19. Februar fliegt sie wieder Richtung Heimat.

    Jessica studiert in Brasilien im zweiten Semester Tiermedizin. Später möchte sie gerne im Bereich der Tier-Reproduktion arbeiten, also bei der kontrollierten Fortpflanzung, beispielsweise der Besamung von Kühen. Dass sie ein Praktikum im landwirtschaftlichen Betrieb der Gleichmanns macht, ist purer Zufall. Ein Studienkollege von ihr hatte einen Praktikumsplatz im benachbarten Kreis Bamberg erhalten. Deshalb hatte sich auch Jessica um ein Praktikum in der Nähe bemüht. Auf Umwegen hatte Martin Gleichmann in Friesenhausen davon erfahren. So fügte sich schließlich alles.

    Die junge Brasilianerin ist nicht der erste Praktikant bei Gleichmanns von weit her: Ein junger Mann kam aus Kamerun, ein Slowake war schon hier, ebenso ein Pole.

    Jessica wurde in der Bauernfamilie wie eine eigene Tochter aufgenommen: „Sie ist unsere Jessi“, sagt Martin Gleichmanns Mutter Inge, die mit am Tisch sitzt. Neben ihr sitzen ihre Tochter Heike Buchner und Betriebshelferin Carolin Geier. Ihr Zusammenhalt ist spürbar.

    Zur geselligen Runde zählt auch Oliveira Elenilda. Die 31-Jährige ist ebenfalls Brasilianerin und wohnt in Schweinfurt. Sie ist mit der Familie Gleichmann gut befreundet und dolmetscht Fragen und Antworten für Jessica.

    Martin Gleichmann hat während mehrerer eigener Aufenthalte in Brasilien Portugiesisch gelernt und kann sich flüssig mit Jessica unterhalten. Als er jedoch nach einem Unfall für einige Tage ins Krankenhaus musste, sprang Oliveira Elenilda hilfsbreit ein und zog kurzerhand für eine Woche nach Friesenhausen. Sonst hätte sich der Rest der Familie Gleichmann mit ihrer Gasttochter nur mehr schlecht als recht unterhalten können.

    Jessicas Vater arbeitet in Brasilien auf einer Farm mit 2000 Rindern und 2000 Hektar Weideland. Jessica selbst kann Rinder per Lasso fangen. Dazu braucht sie eine Strecke von nur 100 Metern. Ein brasilianisches Cowgirl sozusagen. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie so gut mit Tieren umgeht. „Sie weiß immer, wo sie zu stehen hat“, sagt Martin Gleichmann, „und sie hat eine unheimlich gute Beobachtungsgabe.“

    Der Landwirt hat versucht, der brasilianischen Studentin „so viel wie möglich zu zeigen“. In der Praxis heißt das: Jessica hilft im Stall bei allem mit. Sie war – zum ersten Mal – mit dabei, als eine Kuh gekalbt hat; „bei der zweiten Geburt hat sie schon selbst mit reingelangt“, beschreibt Gleichmann die Situation plastisch. Jessica melkt Kühe, füttert Kälber, gibt ihnen Spritzen und pflegt sie. „Und sie fährt Traktor, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht“, sagt der Chef auf dem Hof.

    Auch Küchenchefin Inge Gleichmann ist mit Jessica zufrieden: „Sie isst alles.“ Und diese gibt ein Lob zurück: „Oma kocht gut und jeden Tag etwas anderes.“ Das ist in Brasilien keine Selbstverständlichkeit. Dort bestehen fast alle Gerichte aus Reis, Bohnen, Maniok und Fleisch. Gestern hat Inge Sauerkraut und geräucherten Bauch gekocht. „Auch das hat Jessica prima geschmeckt.“ Inge Gleichmann findet wirklich keinen Grund zur Klage.

    Ihr Lieblingsessen in Deutschland? Jessica zögert nicht lange: „Nutella.“ Alle vier Tage verputzt sie ein Glas davon, ergänzt die Runde am Küchentisch. Schaut man sich Jessicas schlanke Figur an, mag man's kaum glauben. Und noch ein Wort hat sich bei ihr eingeprägt: „Schlenkerla.“ Das Rauchbier hat sie neulich bei einem Besuch in Bamberg kennengelernt.

    Einen neuen Spaß ganz anderer Art hat die Brasilianerin in der Rhön entdeckt: Skifahren. Zusammen mit den Gleichmanns war sie hierzu auf dem Feuerberg gewesen. Dabei hatte sie vor ihrem Praktikum in den Haßbergen noch nie Schnee erlebt. „Auch Schlittschuh läuft sie prima“, sagt Martin Gleichmann.

    In Friesenhausen ist Jessica aufgefallen, dass es auf einem deutschen Bauernhof mehr Arbeit gibt als auf einer brasilianischen Rinderfarm. Bei den Gleichmanns steht auch am Sonntag die Arbeit im Stall nicht still. „Ganz klar“, meint Gleichmann, „die müssen in Brasilien die Rinder nur auf die Weide lassen – fertig. Das ist bei uns schon aufwendiger.“

    Jessica würde wiederkommen. „Doch dafür muss ich erst Geld sparen“, sagt sie. Doch bis zum Tag des Abschieds ist es noch ist ein paar Tage hin. Und ein Glanzpunkt steht ihr noch bevor: ein Kesselfleischessen. „Schweinefleisch kennen die in Brasilien nicht so“, sagt Inge Gleichmann. Und „ihre Jessi“ sei doch so eine „richtige fleischfressende Pflanze“. Aus Inge Gleichmanns Mund ist das ein Kompliment.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden