Am Ende der Beweisaufnahme will der Vorsitzende Richter gerne glauben, dass die Angeklagte in ihrem Leben zuvor noch nie Gewalt angewendet hat. Der letzte Septembertag 2002 aber macht die damals 65-jährige Rentnerin aus einer Gemeinde im Landkreis Haßberge morgens gegen 6.30 Uhr zur Mörderin. Ihr Mann sitzt gerade auf dem Bett, als sie mit einer Nachttischlampe auf ihn einschlägt und ihn mehrfach an der Stirn trifft. Vermutlich ihr Liebhaber vollendet die Bluttat: Das Opfer stirbt durch massive Gewalteinwirkung auf den Hinterkopf, ausgeübt wohl mit einer Steinplatte.
Als das Landgericht ein Jahr später Anna R. (Name von der Redaktion ändert) wegen heimtückischen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu lebenslanger Haft und ihren ein Jahr älteren Geliebten Gregori K. (Name geändert) zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, markiert dies das Ende einer Liebesgeschichte, die tragischer nicht hätte verlaufen können.
Der Zufall führte die beiden wieder zusammen
Anna und Gregori stammen beide aus der ehemaligen Sowjetunion. Sie kannten sich von Kindesbeinen an, verloren sich aber trotz ihrer Liebe aus den Augen. Dass sich beide im fortgeschrittenen Alter in Deutschland wiederbegegnen würden, damit hatten sie nicht rechnen können.
Es ist ein Zufall, der die beiden wieder zusammenführt. Und zumindest bei Anna, inzwischen nicht nur vierfache Mutter, sondern auch mehrfache Großmutter, blüht die Liebe von einst wieder auf. Nur dass sie eben verheiratet ist. In ihrer Unzufriedenheit lässt Anna kein gutes Haar an ihrem Gatten, die gemeinsamen Kinder hingegen beschreiben im Zeugenstand den Vater als gutmütigen Menschen, der keiner Fliege etwas zuleide tun könne.
Vor der Tat übernachtete der Liebhaber im Haus der Eheleute
So oder so, Anna und Gregori werden ein Liebespaar. Er lebt in einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen, dort wollen sie auch zusammenziehen. Einstweilen aber besucht Gregori seine Geliebte, wenn der Ehemann im Krankenhaus oder verreist ist. Zu Besuch kommt er auch wenige Stunden vor der Tat, nachdem sich das spätere Opfer früh schlafen gelegt hat, und nächtigt im Wohnzimmer. Ist die Beseitigung des Ehemanns da schon beschlossene Sache?
Das Landgericht Bamberg hat sich im Herbst 2003 mit zwei Versionen auseinanderzusetzen: Gegenüber der Polizei verschweigt Anna zunächst die Existenz ihres Liebhabers und behauptet, ihren Mann alleine getötet zu haben. Später gibt sie zu Protokoll, dass Gregori und sie in der Nacht vor der Tat nach dem Geschlechtsverkehr beschlossen hätten, dass der 68-Jährige weg müsse. "Wenn wir es jetzt nicht schaffen, dann kommen wir nie mehr zusammen."
Vor Gericht bestreitet die Angeklagte derlei Äußerungen. Nun spricht sie von einem Streit mit ihrem gesundheitlich stark angegriffenen Ehepartner. Der habe sich entgegen ärztlichen Rat und ihrem Willen einen Motorroller kaufen wollen, von ihr Geld gefordert und sie am Kleid gepackt, woraufhin sie mit der Lampe zugeschlagen habe: Kein geplanter Mord also, wie die Verteidigung folgert, sondern gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge.
Leiche auf einem Weg abgelegt
Annas Ehemann erliegt den schweren Schlägen gegen seinen Kopf, einen Arzt holte das Liebespaar nicht, "weil wir merkten, dass er nicht mehr schnauft". Stattdessen ziehen die beiden den Toten an, fahren ihn auf einer Schubkarre in den Garten und legen ihn später auf einem Weg unweit des Anwesens so ab, dass es wie ein Unfall aussieht. Hier wird die Leiche am Abend kurz nach 21 Uhr entdeckt. Anna hat inzwischen die blutverspritzte Wand getüncht.
Es hilft ihr nichts, Polizei und Gerichtsmedizin sind schnell im Bilde über das wahre Geschehen, auch auf die Inszenierung in Richtung Raubmord fallen die Ermittler nicht herein. Alsbald ist von einem schlecht vertuschten Verbrechen die Rede. Genau das spricht laut Verteidigung für eine spontane Tat - denn Anna R. ist überdurchschnittlich intelligent. Für das Gericht aber ist es Mord und damit "lebenslänglich". Anna R. hat fürwahr bis zu ihrem Lebensende keine Chance mehr auf Liebesglück, sie stirbt in der Haft.
Der Liebhaber hatte noch eine zweite Freundin
Dass Gregoris Strafe viel geringer ausfällt, obwohl er laut Gutachter vermutlich die todbringenden Schläge ausgeführt hat, hat damit zu tun, dass ihm ein psychiatrisches Gutachten eine Persönlichkeitsstörung und Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit bescheinigt. Er sei nicht die treibende Kraft hinter der Tat gewesen. Für Anna wohl viel bitterer: Weil er neben ihr noch eine weitere Freundin gehabt habe, habe er nur wenig Interesse an der Beseitigung des Ehemanns gehabt, argumentiert Gregoris Anwalt.
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