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Kämpfer an der sozialen Front

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Kämpfer an der sozialen Front

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    Limmers Büro liegt zwei Treppen hoch unterm Dach des Grundbuchamtes in Haßfurt, gleich gegenüber dem Amtsgericht. Mit Grünpflanzen, Korbsesseln und Flickenteppich macht das Zimmer einen freundlichen Eindruck. "In amerikanischen Krimis ist der Bewährungshelfer so ein harter Hund - das deutsche System ist da anders", erzählt Limmer. Er sieht sich als Kämpfer an der sozialen Front.

    Trotz ländlicher Lage gebe es in den Haßbergen "alle Verbrechen der Großstadt". Von seinen derzeit 85 Probanden seien 60 bis 65 abhängig von Drogen oder Alkohol, sagt er. Zwei Drittel der Probanden seien jünger als 21. Auffälliger noch findet er eine andere Zahl: "Kriminalität scheint eine Männerdomäne zu sein", hat er beobachtet; höchstens fünf seiner Probanden seien Frauen.

    Während Frauen sich eher wegen Betrugs verantworten müssten, begingen Männer Körperverletzung. Viele Probanden hätten große Schwierigkeiten im Umgang mit sich, anderen Menschen und dem Alltag. Manche könnten keine Banküberweisung ausfüllen oder gar einen Brief an ihr Opfer schreiben. "Horizont-Erweiterung" sei daher seine Aufgabe, sagt Günther Limmer. Er hilft dem Probanden, sein Leben in den Griff zu bekommen, und kontrolliert ihn, damit er alle Auflagen erfüllt, die das Gericht an die Bewährung geknüpft hat. Das könne ein Drogen-Test sein, eine Therapie oder die Wiedergutmachung eines Schadens, sagt Limmer.

    "Toi, toi, toi - Wiederholungstäter gibt es in den Haßbergen wenige", zieht Günther Limmer eine positive Bilanz. Achtzig Prozent gegenüber den andernorts üblichen siebzig Prozent blieben straffrei. Limmer schreibt dies außer der ländlichen Struktur des Haßbergkreises dem guten Beraternetz zu, aus Anlaufstellen der Caritas und des Landratsamtes. Limmer nimmt eine Postkarte vom Schreibtisch, die ihm ein ehemaliger Proband aus dem Urlaub geschrieben hat. Von diesem habe früher jeder gesagt: Der tauge nichts, trinke und die Arbeit habe er auch nicht erfunden. Während der Bewährung sei er sogar straffällig geworden. Und jetzt schreibe er, das er seinen Arbeitsplatz behalten habe und dass es ihm gut gehe. "Er hat's gepackt!", freut sich Limmer.

    Handelt es sich um jugendliche Probanden, ist Limmers Arbeit nach spätestens zwei Jahren abgeschlossen. Erwachsene sieht der Bewährungshelfer auch jahrelang - mitunter unbefristet, wenn es sich um eine so genannte Führungsaufsicht handelt. Diese wird ausgesprochen für psychisch Kranke und für Sexualstraftäter und ist oft mit einer Therapie verbunden. Acht solche Risikoprobanden betreut Limmer derzeit. Er hält diese Art der Bewährung für "ein stumpfes Schwert", geschaffen zur Bürgerberuhigung. In der Regel verdrängten diese Probanden ihre Tat - und was sie nicht einsehen würden, könnten sie nicht ändern. "Man hat ja keinen Zauberstab, um einen Menschen zu verändern", sagt Limmer.

    Gewalttaten gegen Frauen und Kinder sind die Fälle, die Günther Limmer am meisten beschäftigen. Wenn man von diesen Taten liest "braucht man den ganzen Tag nichts mehr essen", sagt Limmer. Lebenserfahrung sollte ein Bewährungshelfer neben guten Noten daher mitbringen. Limmer selbst studierte nach der Ausbildung zum Kaufmann vier Jahre Sozialpädagogik und arbeitete in einer Beratungsstelle für straffällige und arbeitslose Jugendliche, bevor er 1993 verbeamteter Bewährungshelfer wurde.

    Limmers Arbeitgeber ist das Landgericht Bamberg. Dort gibt es achteinhalb Planstellen für Bewährungshelfer von bayernweit 270: Viereinhalb Stellen für Bamberg, drei für die Außenstation Forchheim und Günther Limmer in der kleinsten Filiale Haßfurt. "Amüsant, wenn's nicht so bitterernst wäre", findet er diese Arbeitsbelastung der Bewährungshelfer. Er führt an: 1974 galt noch, dass ein Bewährungshelfer höchstens 35 Probanden betreuen könne. Doch diese Zahl stieg stetig. "Bei 85 Probanden ist der Input ausgereizt. Wer engagiert arbeiten möchte - und das möchte ich - muss sich eingestehen, dass wir Fließbandpädagogik machen", sagt er daher.

    Seit zehn Jahren seien keine neuen Planstellen für Bewährungshelfer geschaffen worden. Ein Verurteilter in Haft koste den Staat im Jahr 120 000 Mark, rechnet Limmer. Billiger sei die Bewährung - doch gerade hier fehle das Geld. Ein Beispiel: "Computer kriegen wir nächstes Jahr."

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