Sylvia Kaiser steht in ihrem Hausflur und telefoniert. Ihr Gesicht ist immer noch gerötet vor Aufregung, sie schwitzt ein bisschen. Ihre Freundin und Nachbarin Sabine Hetterich hat gerade eine Flasche Sekt aus dem Keller geholt. „Ach Gott, so eine Aufregung, ich bin immer noch in der Warteschleife“, ruft Sylvia Kaiser, dann verschwindet die 43-Jährige im Nebenzimmer, und schreit ins Telefon: „Juhu, juhu, ich habe 100 000 Euro gewonnen!“ Kurze Zeit später ist genau dieser Ausruf im Radio zu hören, das immer noch im Hintergrund läuft. Vor etwa einer Stunde hat sie gewonnen, seitdem hängt sie fast die ganze Zeit am Telefon in der Warteschleife, ab und an wird sie etwas gefragt.
Sylvia Kaiser stößt mit ihrer Freundin an, das Telefon dudelt vor sich hin, sie muss immer noch dran bleiben: „Das ist ja ein richtiger Stress. Ständig muss ich nochmal jubeln“, lacht sie. Dann fächelt sie sich Luft zu. „Ich war so um kurz nach neun gerade auf dem Heimweg. Ich wollte meinen Staubsauger zur Reparatur bringen, aber die Dame meinte, ich müsste auch die Bürste mitbringen. Also bin ich zurückgefahren, um sie zu holen und habe im Radio schon die ganze Zeit gehört, dass jetzt bald die Gewinner-Lieder kommen“, erzählt sie.
Denn wenn bei Antenne Bayern drei bestimmte Lieder hintereinander gespielt werden, in dem Fall war es „I was made for loving you“ von Kiss, „If you believe“ von Sascha und „Snow“ von den Red Hot Chili Peppers, dann gewinnt der Anrufer, der in der zehnten Leitung hängt, 100 000 Euro. „Ich war grad mit dem Auto hier vor der Garage, da kam das Lied von Kiss, und bei den ersten Tönen habe ich sofort angerufen. Dann habe ich gedacht, oh je, wenn jetzt der Akku leer geht, und habe erstmal das Netzteil geholt. Und dann bin ich hier auf der Küchenablage gesessen, habe die drei Lieder im Radio gehört, und gedacht: Jetzt hast Du gewonnen!“ Nach dem dritten Lied ist sie tatsächlich mit Moderatorin Kathie Kleff verbunden und kann es gar nicht fassen.
Das andere Telefon klingelt, eine Freundin ruft an, die die Neuigkeit ebenfalls schon gehört hat. Dann klingelt es an der Tür. Sylvias Mann Martin kommt nach Hause: „Meine Belegschaft hat mich heimgeschickt, ich war total neben der Spur.“ Dann nimmt er seine Frau in den Arm, küsst sie: „Du hast Recht gehabt, Schneck. Ich hab ja immer gedacht, das bringt sowieso nix, da anzurufen, und jetzt haben wir gewonnen!“ Ein paar Mal hatte es Sylvia Kaiser probiert, aber nicht wirklich oft. Und jetzt hat es geklappt.
Die 23-jährige Tochter Lisa hatte ihren Vater im Büro angerufen: „Die war total kirre am Telefon. Ich habe erst gedacht, es ist was Schlimmes passiert. Und als ich dann gehört habe, dass wir 100 000 Euro gewonnen haben, war ich von den Gefühlen erst mal auf Null, so sehr war ich vorher erschrocken.“
Als ihn dann noch Moderatorin Kathie Kleff auf der Arbeit anruft, kann er noch gar nicht jubeln. „Die haben gesagt, ich soll mich freuen, aber ich habe es noch gar nicht realisiert.“
Mittlerweile sind bei Kaisers neben den Journalisten der örtlichen Tageszeitungen noch weitere Freunde eingetroffen. Auch Edith Burger und Silke Räder stoßen mit den Gewinnern an. Die zweite Flasche Sekt wird geköpft. „Mit dir hat es die Richtige getroffen“, freut sich Sabine Hetterich, „du bist immer so großzügig.“ Und Martin Kaiser fügt hinzu: „Und als ich dich im Radio gehört habe, habe ich gedacht, deine Frau, die ist schlagfertig.“ Er tätschelt ihr liebevoll den Oberschenkel.
Dann ist wieder jemand von Antenne Bayern am Telefon: „Wie kommt denn jetzt das Geld eigentlich zu mir?“, fragt Sylvia Kaiser. Und erzählt nach dem Telefonat: „Die haben gesagt, wir sollen zu Hause bleiben, es gibt noch eine Überraschung. Und meine Kontonummer wollten sie gar nicht wissen. Dabei habe ich sie extra rausgesucht.“
Eine Stunde später ruft Sabine Hetterich: „Da sind sie, das Antenne Bayern Auto!“ Alle gehen nach draußen. Neben dem Übertragungswagen kommt noch ein Kleinwagen mit den Reportern, dahinter ein Geldtransporter: „Tatsächlich, die haben das Geld dabei“, Martin Kaiser kann es kaum glauben.
„Johannes Ott, Grüß Gott“, ruft der Reporter. Dann sagt er: „Gehen Sie alle mal wieder rein, ich bin ja noch gar nicht da. Ich klingle, und dann machen Sie mir auf.“
Dann ruft er die beiden Sicherheitsmänner mit dem gläsernen Geldkoffer zu sich und läutet an der Tür. Sylvia Kaiser öffnet, und beantwortet professionell die Fragen des Reporters: „Ich bin Sylvia Kaiser und habe bei Antenne Bayern 100 000 Euro gewonnen! Mit dem Geld werd ich erst mal meinen Rasen neu machen. Und dann fahren mein Mann und ich übers Wochenende nach Dresden. Oder nach London. Oder nach Rom.“ „Und mit dem Rest?“, fragt Johannes Ott, sichtlich erfreut über seine eloquente Interviewpartnerin. „Werd ich mir auch noch Klamotten kaufen, von oben bis unten!“ Martin Kaiser macht derweil Fotos, Sylvia Kaiser legt ihre Hände an den Geldkoffer, der von innen mit lauter 500–Euro-Scheinen beklebt ist. „Außerdem hab ich ja noch Kinder, die Lisa, den Jakob und die Rosina, und Patenkinder.“ Aber zuallererst wird es bei Kaisers ein großes Fest geben, noch auf dem alten Rasen. Wenn sich alle wieder beruhigt haben: „Ich bin immer noch total neben der Spur. Und sensationell, dass meine Frau mal ein Handy dabeigehabt hat“, sagt Martin Kaiser.
Nur eine lässt der Trubel um die 100 000 Euro völlig kalt. Die fünfjährige Rosina ist in der Zwischenzeit vom Kindergarten nach Hause gekommen. Sie sitzt auf dem Sofa im Wohnzimmer, hört Musik und singt vor sich hin. Dann läuft sie in die Küche: „Mama, wann gibt's denn endlich Mittagessen? Ich hab Hunger, Hunger, Hunger.“