"Schon längere Zeit konnte man bemerken, daß die Turmspitze mit dem Kreuz und dem Wetterhahn sich nach links neigte und bei aufkommenden Winden derart schwankte, daß man ein Herabfallen befürchten musste. Um weiteren Schaden zu verhüten, nahm man die Gelegenheit wahr und beauftragte eine Firma mit der Überprüfung des Turmes und Feststellung des Schadens." So stand es in einem Schreiben aus dem Jahr 1954, das man in dieser Woche der Kupferkapsel aus der Turmspitze der Eltmanner Stadtpfarrkirche entnahm. Der gleiche Umstand führte nun dazu, dass auch jetzt die Eltmanner Stadtpfarrkirche ohne Spitze ist und erneut die Stabilität der Turmspitze überprüft wird.

Das Rathaus der Stadt Eltmann steht in unmittelbarer Nachbarschaft der Pfarrkirche und gerade vom Bürgermeisterzimmer aus hat man einen direkten Blick auf den Haupteingang zum Gotteshaus und hinauf zur Kirchturmspitze. "Bei Regen und Wind haben wir in letzter Zeit festgestellt, dass der Kirchturm im oberen Bereich leicht schwankt. Deswegen haben wir uns für Sicherungsmaßnahmen entschieden und mithilfe von Zimmerermeister Bauerschmitt aus Dippach Kuppel und Kreuz abgenommen. Die wenigsten Bürger Eltmann haben dies vielleicht bemerkt, dass der Turm ohne Spitze ist", vermutet Bürgermeister Michael Ziegler, als er einige Mitarbeiter und Pfarrer Bernhard Öchsner in den Rathaussaal eingeladen hatte.
Mit Hammer und Meißel zum Inhalt
Unter dem wachsamen Auge von Stadtarchivar Thomas Schindler wollte man gemeinsam auch die Kupferkapsel öffnen und sehen, welche geschichtlichen Funde darin verborgen wurden und aus welcher Zeit sie stammen.
Der Vorsitzende des Vereins für Heimatgeschichte Eltmann, Rainer Reitz, und Mario Pfister mussten sich schon anstrengen, denn die 40 Zentimeter hohe Kupferkapsel, die einen Durchmesser von 14 Zentimeter hat, war fachmännisch verschlossen und verplompt, um sie vor dem Eindringen von Feuchtigkeit zu bewahren. Auf der silbernen Plompe waren Einritzungen sowie ein Zimmerer mit einem Geldsack und einem 1000-Mark-Schein zu finden. Mit Hammer und Meißel war es schließlich möglich, zum Inhalt vorzudringen.

Aus der Kapsel zog man dann zahlreiche Schriftstücke, darunter zwei Geschichtsbeschreibungen der Überschwemmungskatastrophen in Bamberg 1784, die Abschrift eines Stadtratsbeschlusses aus dem Jahr 1883, Postkarten mit Ansichten von Eltmann von 1905 und vieles andere mehr. Gespannt entdeckte man noch zwei Päckchen, in denen 19 Silbermünzen aus dem Jahr 1702 und acht Stück aus dem Jahre 1872 mit Bayerischen Münzen des jugendlichen König Ludwig II. enthalten waren.
Beängstigende Arbeiten beim Abbau
Die Kupferkapsel war am 14. Oktober 1954 vom Turm genommen worden. Es hatte sich herausgestellt, dass der Balken im Kirchturm, in dem das Turmkreuz mit Kugel und Hahn eingelassen war, ausgeschlagen war und das Kreuz keinen Halt mehr hatte. "Es war schon erregend, den Männern beim Aufbauen des Gerüstes am Turme zuzusehen, beängstigend aber dann die Arbeiten beim Abbauen der Turmspitze. Fast einen Tag sah und hörte man die Männer hämmern, bis es ihnen gelang, den Bolzen, der Kreuz und Kugel zusammenhielt, loszubekommen", steht in dem Baubericht.
Die Kugel wies damals 15 Einschüsse von Gewehrschüssen auf, wohl Andenken an die Kriegswirrnisse und die Besatzungszeit. "Sogar die in der Kugel befindliche Kapsel mit alten Urkunden und Münzen war durch einen Schuss beschädigt", hieß es weiter.
Interessant ist aber auch eine Auflistung der Geschehnisse in der Stadt seit dem Jahr 1905 mit der Einweihung der städtischen Wasserleitung oder der Übergabe des "Ludwigs-Donau-Mainkanals" 1912, wo zur Feier selbst König Ludwig III. von Bayern in Eltmann weilte und ein Bankett im Rathaus stattfand. "Es war ein großer Tag für Eltmann und seine Bewohner".
Natürlich wird auch viel über die Ereignisse im 1. und 2. Weltkrieg berichtet, über Arbeitsdienstlager und die Raumnot nach 1945, als nach Eltmann rund 900 Flüchtlinge kamen und "hier in sehr primitiven Verhältnissen untergebracht werden". Auch die Aufbauarbeiten nach dem Krieg mit dem Bau der Mainbrücke im Jahre 1949 oder die Bereitstellung eines Industriegelände 1951 werden dabei erwähnt.
Auch eine Corona-Maske soll mit aufgenommen werden
Angemerkt wird auch, dass im November 1951 – also vor 70 Jahren – ein neues Kirchengeläut mit vier Glocken im Turm aufgehängt wurde. Drei der angeschafften Glocken kamen aus Mitteln der Stadt, während eine Glocke Dr. Georg Schäfer aus Schweinfurt stiftete. Die Verwaltung bekam den Auftrag, diese Schriftstücke alle abzufotografieren und alles für die Nachwelt zu erhalten.

Natürlich stellte man auch Überlegungen an, was neben den bisherigen Erinnerungsstücken aus der Neuzeit eingelegt werden sollte, wenn die Kupferkapsel am 22. April mit Hilfe eines Hochkrans wieder in die Turmspitze gebracht wird. Dazu sollen eine Tageszeitung gehören, weitere Informationen über die Zeit von 1954 bis 2021 und natürlich auch neue Münzstücke mit Euro und Cent. Dabei brachte Stadtpfarrer Bernhard Öchsner auch die Idee ein, eine Covid-Maske mit aufzunehmen und ein kleines Schreiben, was die Corona-Pandemie auf die Menschen und die Stadt für Auswirkungen habe.
Wenn am kommenden Donnerstag die Turmkugel mit Kreuz und Wetterhahn wieder auf die Spitze des Turmes gebracht wird und Zimmerermeister alles so fest verankern, dass die Turmspitze wieder über viele Jahrzehnte Stürmen, Wind und Wetter erfolgreich Widerstand leisten kann, werden sicher wieder ein paar Bürger das Spektakel beobachten.