Nachdem im Frühsommer die drohende Schließung der Haßfurter Geburtshilfe zu öffentlichem Widerstand geführt hat, ist das Thema im Sommer rasch in der Versenkung verschwunden. Dabei ist noch lange nicht geklärt, ob und wie es mit der gynäkologischen Abteilung im Krankenhaus der Kreisstadt weitergeht. Die steigende Zahl der Entbindungen in der Klinik lässt die dort arbeitenden Hebammen hoffen, dass die Geburtshilfe fortbestehen wird.
44 Geburten mehr als im Vorjahreszeitraum
Bis zum Montagnachmittag kamen in der Geburtshilfe am Haßfurter Krankenhaus in diesem Jahr 329 Kinder zur Welt. Das sind 44 mehr als im selben Zeitraum des Jahres 2015, berichtet Hebamme Annette Storkan auf Nachfrage. Trotz dieser steigenden Tendenz möchte sie jedoch zum jetzigen Zeitpunkt auf keinen Fall Euphorie aufkommen lassen. „Ob das am Ende reichen wird, um die Geburtshilfe zu retten, ist offen“, stellt Storkan klar.
Sparmaßnahmen aufgeschoben
Denn der Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken hatte Anfang Juni, wie berichtet, lediglich beschlossen, die Entscheidung zu Sparmaßnahmen im Kommunalunternehmen zu vertagen. Spätestens im Frühjahr 2017, wenn die Ergebnisse fürs laufende Jahr ausgewertet sind, soll entschieden werden, wo der Rotstift angesetzt wird. Und ob die zuletzt zu verzeichnende Trendwende bei den Entbindungen ausreicht, das vermag auch Landrat Wilhelm Schneider als Vorsitzender des Verwaltungsrats aktuell nicht vorherzusehen.
Erst bei 600 Geburten pro Jahr besteht Sicherheit
Er erwartet in diesem Jahr, wie er im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt, im Haßfurter Krankenhaus etwa 50 Geburten mehr als im Vorjahr. Damit dürften es ungefähr 420 Geburten werden, was Schneider „sehr erfreulich“ finden würde. Aber dadurch ist für ihn ein Grundsatzproblem noch nicht gelöst: Die Zahlen wären im Vergleich zu den Geburtsabteilungen anderer Kliniken weiter niedrig. Im Juni hatte Schneider erklärt, dass eine Steigerung auf 600 Entbindungen im Jahr notwendig wäre, um die Haßfurter Geburtshilfe aus der Schusslinie zu nehmen.
Hinter den Einsparplänen steht ganz klar das Defizit der Haßberg-Kliniken, das im vergangenen Jahr etwa 2,75 Millionen Euro betragen hat. Wenn der Verwaltungsratsvorsitzende fürs laufende Jahr davon spricht, dass – Rechnungsstand bis einschließlich August – die Einnahmen und Ausgaben des Kommunalunternehmens „voll im Plan“ liegen, dann heißt das noch lange nicht, dass die angestrebte schwarze Null erreicht ist. Schneider erwartet lediglich, dass das Jahresdefizit 2016 nicht größer sein wird, als das des Vorjahres. Was angesichts von Personalkosten, die um 0,7 Millionen Euro gestiegen sind, durchaus einen Erfolg darstellt. Der Spardruck, der auf dem Landkreis Haßberge als Träger des Unternehmens lastet, bleibt damit aber weiter bestehen.
Aufwärtstrend erst seit Juni
Wenn das Schicksal der Geburtshilfe, wie es scheint, in erster Linie mit der Zahl der dortigen Entbindungen verknüpft wird, dann sollte bedacht werden, dass der Aufwärtstrend bei den Geburtenzahlen erst ab Juni eingesetzt hat – nachdem die drohende Schließung der Abteilung im Mai öffentlich wurde. Darauf weist Hebamme Carola Lutsch hin. Sie bittet die Entscheidungsträger, dies nicht zu vergessen und den Zuwachs nicht zu niedrig anzusetzen, wenn sie die Jahresbilanz bewerten.
Sie macht das wachsende Interesse von Schwangeren an der Haßfurter Geburtshilfe auch daran fest, dass zu den Infoabenden der Geburtshilfe in der Klinik an jedem ersten Mittwoch im Monat um 19 Uhr um die 50 Teilnehmer kämen.
Patientinnen von außerhalb
Wie ihre Kollegin Storkan berichtet Lutsch von Schwangeren, die sich bewusst für eine Entbindung an der Haßfurter Geburtshilfe entschieden haben, um das Überleben der Abteilung zu sichern. Dass darunter Frauen waren, die nicht aus dem Landkreis Haßberge, sondern beispielsweise aus Schweinfurt oder dem Raum Bamberg waren, sehen die Hebammen als Zeichen ihrer erfolgreichen öffentlichkeitswirksamen Aktionen.
So zählt die Facebook-Gruppe „Helft den Hassfurter Hebammen!“ noch immer knapp 6500 Mitglieder, auch wenn es am Anfang des Protests schon mal fast 7000 waren. Dort ist in den vergangenen Tagen immer wieder die Frage aufgetaucht, wie es mit der Haßfurter Geburtshilfe weitergeht. Diese Frage bekommen Storkan, Lutsch und ihre acht am Haßfurter Krankenhaus angestellten Kolleginnen auch persönlich von Patientinnen gestellt.
Notfalls wird es wieder auf öffentlichen Protest ankommen
Ohne den öffentlichen Protest, der sich in den 22 000 Unterschriften gegen eine Schließung der Haßfurter Geburtshilfe widerspiegelt, den die Hebammen im Frühjahr in drei Wochen gesammelt hatten, wäre das Ende der Geburtsabteilung wohl schon beschlossene Sache. Dies hatte Wilhelm Schneider im Juni selbst festgestellt. Vor diesem Hintergrund danken die Hebammen auch nochmals all ihren Unterstützern – und sie wissen: Auf diese wird es erneut ankommen, sollte der Verwaltungsrat doch noch die Schließung der Geburtshilfe beschließen. Dann würden sie erneut öffentlichen Protest mobilisieren, kündigen die Hebammen an.
Hebammen erkennen Umdenken bei Frauenärzten
Positiv bewerten die Hebammen, dass manche Frauenärzte im Landkreis ihren Patientinnen nicht mehr abrieten, in Haßfurt zu entbinden. Diesen Vorwurf hatten die Hebammen mehrfach erhoben. Hier hat laut Lutsch eine Werbekampagne der Hebammen gewirkt. Auch Wilhelm Schneider berichtet von Gesprächen mit Frauenärzten in diese Richtung.