
Vor dem Bildschirm stecken vier Somalier, ein Äthiopier und Lehrerin Ines Tauscher die Köpfe zusammen. Einen Raum weiter sitzen drei Schülerinnen aus der Fachoberschule mit fünf Syrern an einem Tisch und malen ein Plakat. Daneben diskutiert Lehrer Thomas Geissendörfer angeregt mit Somaliern, Syrern und Deutschen über die Unterschiede von Christentum und Islam.
Die Integration von Asylbewerbern an der Berufsschule in Kitzingen kommt voran. Der heutige Dienstag könnte ein kleiner Meilenstein in Sachen Austausch zwischen den Kulturen werden. Beim Weihnachtsbasar stellen die Schüler ihre Projektarbeit vor. Seit September werden an der Berufsschule 16 Flüchtlinge unterrichtet.
Auf zwei Jahre ist das Projekt angelegt. Im ersten Schuljahr sollen die jungen Männer vor allem die deutsche Sprache lernen, im zweiten Schuljahr sollen sie mit Hilfe von Praktika einen Berufsweg einschlagen. „Bisher läuft es richtig gut“, freut sich Geissendörfer, der die Schulklasse leitet. „Alle wollen unbedingt was lernen, die Motivation ist groß.“ Keine Selbstverständlichkeit, schließlich müssen sich manche seiner Schüler erst einmal an ein Schulsystem gewöhnen. „In Somalia gibt es keine solchen Strukturen“, erklärt Geissendörfer.
Warum, erfährt sein Lehrerkollege Florian Kattinger gerade aus berufenem Mund. Zusammen mit drei Somaliern erarbeitet er eine Power-Point-Präsentation über die jüngere Geschichte des Landes. „Seit 23 Jahren Bürgerkrieg“, ist dort zu lesen. Und: „Rund 12 500 Tote seit 2006. Es droht eine Hungerkatastrophe.“ Rund eine Million Somalier sind auf der Flucht. Manche haben es bis nach Europa geschafft, einige bis in die Klasse für Asylbewerber an der Kitzinger Berufsschule.
„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.“ So darf sich die Fachoberschule in Kitzingen seit dem Schuljahr 2012/2013 nennen.
Eine Voraussetzung, dass dieser Titel anerkannt bleibt, ist ein Projekt zum Thema pro Jahr. „Es hat sich natürlich angeboten, etwas mit der Flüchtlingsklasse zu gestalten“, erklärt Projektleiterin Ines Tauscher. Elf Schülerinnen arbeiten in ihrer Gruppe mit. Deren Idee war es, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. „Wir wollten Kontakt aufnehmen und etwas über ihre Schicksale erfahren“, so Sabine aus der FOS. Insgesamt vier Treffen gab es im Vorfeld des heutigen Weihnachtsbasars. Vier Treffen, bei denen nicht nur Plakate und Präsentationen entstanden.
Die Schüler aus den unterschiedlichen Kulturkreisen sind sich näher gekommen, Verständnis ist gewachsen. Christina aus der FOS hat viel dazu gelernt. „Die Erzählungen sind viel persönlicher als jeder Fernsehbericht“, sagt sie. Christina und Sabine wissen jetzt beispielsweise, dass es in Syrien nicht nur Assad und die IS gibt, sondern noch viel mehr Splittergruppen. Und dass Überfälle und Folterungen an der Tagesordnung sind, haben sie aus erster Hand erfahren.
Das klassen- und schulartübergreifende Projekt für den Weihnachtsbasar soll kein Einzelfall bleiben. „Wir wollen die Zusammenarbeit erweitern“, erklärt Geissendörfer. Möglich, dass angehende Bankkaufleute künftig den Flüchtlingen das Geldsystem in Deutschland erklären oder Schreiner in die Verarbeitung von Holz einführen. „Wir wollen dafür sorgen, dass sich die deutschen und unsere ausländischen Schüler kennenlernen“, sagt Geissendörfer. Dazu bedarf es eines Anschubs von Seiten der Schule. „Von alleine ist es ganz schwierig.“