Der Mai ist der Monat, in dem die Rehe ihre Jungtiere bekommen. Der Waidmann spricht hier von der Setzzeit. Um sie vor Feinden zu schützen, bringt die Rehgeiß ihr Junges oft in hohen, waldnahen Wiesen zur Welt. Die possierlichen, noch wackeligen "Bambis" verweilen an dieser Stelle für die ersten Wochen, fast regungslos eingerollt in einem Graslager.
Nur ab und zu kommt die Mutter zum Säugen. Dann bleibt das Kitz wieder alleine. Die weißen Farbtupfer auf ihrem Fell machen sie auf dem Grasboden fast unsichtbar. Zudem hat die Natur es so eingerichtet, dass die Kitze keinerlei Geruch abgeben. Somit können sie zum Beispiel von Füchsen oder Hunden nicht wahrgenommen werden.
Tierschutz mit moderner Technik
Ein perfekter Schutz – wenn da nicht gleichzeitig für die Landwirte der Zeitpunkt für die dringend erwartete erste Wiesenmahd wäre. Henning Wiedenroth, Jäger und Revierinhaber einer 350 Hektar großen Jagdfläche bei Willanzheim hat sich zum Ziel gesetzt, in seinem Hegering, dem Zusammenschluss verschiedener Revierinhaber, gegen den Mähtod anzugehen. Und zwar unter Einsatz neuester Technik: Er verwendet eine Drohne mit Wärmebildkamera. Ein Instrument, das es zwar schon seit einiger Zeit gibt, das aber wegen den hohen Anschaffungskosten und der anspruchsvollen Bedienung nur vereinzelt zum Einsatz kommt.
"Vor einem Jahr habe ich mitbekommen, dass bei Marktheidenfeld ein Jäger mit diesem System gute Erfolge hat. Die Sache hat mich so begeistert, das ich mit ihm Kontakt aufgenommen habe. Es ist super mit ihm gelaufen", erzählt Wiedenroth. Gut 3500Euro habe er in die Sache investiert –"und viel, viel Zeit in die Ausbildung an der Drohne gesteckt".
Kürzlich traf er sich mit dem Willanzheimer Landwirt Matthias Haupt, der ihm mitgeteilt hatte, dass er in der Flur "Am Stangenberg" eine Wiese von einem Hektar mähen will. Kurz vor Sonnenaufgang trafen sich beide. "Es muss noch kühl sein", erklärt der Revierinhaber. Die Wärmebildkamera kann dann in der Wiese gut warme Flecken, wie sie die Kitze ausstrahlen, erkennen. Langsam lässt er die Drohne in langen Bahnen hin und her fliegen. Plötzlich zeigt der Bildschirm am Bedienungsteil einen roten Punkt. – Ein Rehkitz?
Rehkitze nicht berühren

Wiedenroth lässt die Drohne über dem Punkt in der Luft stehen und Matthias Haupt geht vorsichtig durch das hohe Gras darauf zu. Diesmal war es aber kein Tier, sondern ein frisch aufgeworfener Maulwurfshügel, der Wärme abstrahlt. Auch gut: Wäre ein Kitz gefunden worden, müsste es ganz vorsichtig in Grasbüschel eingewickelt werden, um es aus dem Bereich der Wiese zu bringen." Es darf keinen direkten Hautkontakt geben", mahnt der Jäger. "Die Geiß würde den Menschen riechen und ihr Kitz nicht mehr annehmen."
Wiedenroth erzählt, dass er auf diese Art und Weise schon viele Kitze gerettet habe. "Es ist ein unheimlich schönes Gefühl, wenn man ein so hilfloses Geschöpf weg trägt." Da nichts Weiteres gefunden wurde, kann der Landwirt kurz darauf guten Gewissens mit dem Mähen beginnen. "Ganz wichtig ist eine enge und gute Zusammenarbeit zwischen Jäger und Landwirten", betont Wiedenroth. "Der Bauer muss seine Planungen zeitgerecht dem Revierinhaber mitteilen und dieser muss sich die Zeit nehmen, richtig zu reagieren."

Der Waidmann erzählt, dass es zur Tierrettung auch andere Methoden gibt, so zum Beispiel das Vergrämen. Einen Tag vor der Mahd werden in der Wiese Stöcke eingeschlagen und Papiersäcke daran befestigt. Dies verunsichert und verscheucht die Tiere aus der Wiese. "Eine Methode, die aber bei Weitem nicht so sicher ist", meint Wiedenroth. Auch das Abgehen der Wiese mit einem Hund ist wenig erfolgversprechend, da ja das Kitz keine Witterung abgibt.
Fördergeld vom Freistaat
Ein Bericht der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) spricht von deutschlandweit circa 100 000 getöteten Kitzen pro Jahr, die von Mähwerken erfasst und getötet werden. Zu viel – das meint auch die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, deren Ministerium das Kitzrettungsprojekt mit einer Million Euro fördern will.
"Wir als Jäger haben über das Jagdrecht eine Verpflichtung, die Rehkitze zu retten, denn wenn ich mein Wild hegen will, muss ich es auch schützen", erklärt der Jagdpächter und verweist zudem auf die einschlägigen Vorschriften im Tierschutzgesetz, das für Jäger und Landwirte zu gleichen Teilen gilt.
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