Am 12. Januar vergangenen Jahres brach über Haiti die Hölle herein. Um 16.53 Uhr bebte damals die Erde. Damit nahm eine Katastrophe mit dramatischen Ausmaßen ihren Lauf, deren Folgen wir alle kennen. Einer, der das „Danach“ miterlebt hat, ist Herbert Tumpach aus Helmstadt. Er war Mitglied eines Teams, das im Auftrag der Organisationen „Help A Child“ und „Eltern für Kinder“ – kurz EfK genannt – 62 bereits zur Adoption vermittelte Kinder aus Haiti holte und zu ihren neuen Eltern nach Deutschland gebracht hat. Das war vor einem Jahr.
Herbert Tumpachs Augen werden groß und leuchten, als er von der Aktion erzählt: „Das hat mein Leben nachhaltig beeinflusst. Ich durfte bei der einzigartigen Evakuierung mit Rat und Tat dabei sein.“
Der 45-Jährige lebt seit 1996 mit seiner Frau in Helmstadt. Nachdem ihr Kinderwunsch nicht in Erfüllung gegangen war, entschlossen sich Herbert und Sonja Tumpach zwei thailändische Kinder zu adoptieren. Der neunjährige Sandro (er heißt eigentlich „Thanchanit“ – Glückskind) kam am 5. Juni 2003 zu ihnen. Die sechsjährige Lorena („Sidaphon“ – schöne Haut) wurde 2006 in die Familie aufgenommen. Mittlerweile sind die Beiden in Helmstadt integriert. Sandro macht zum Beispiel als einziger Junge in der Tanzgarde des Faschingsclubs mit.
Bei beiden Vermittlungen war die Berliner Organisation „Eltern für Kinder“ behilflich. Davon beeindruckt, engagierten sich die Tumpachs ihrerseits, sind mittlerweile in führenden Positionen von EfK tätig. Herbert Tumpach ist stellvertretender Vorsitzender für Deutschland. Beide helfen Ehepaaren beim Adoptieren von Kindern. So lag es nahe, den Würzburger Polizeibeamten nach der Freistellung von seiner Dienststelle mit ins Team zu holen, das unter anderem auch aus Ärzten, Krankenschwestern, Haiti-Kennern und eben erfahrenen Adoptiveltern bestand. Weitere Hilfe leisteten das Auswärtige Amt, die Deutsche Botschaft in Santo Domingo sowie die Fluggesellschaft Condor.
„Die perfekt geplante Aktion hat 62 Kindern wohl das Leben gerettet.“
Herbert Tumpach Help A Child e.V.
In zwei Gruppen flogen die Helfer in die Dominikanische Republik. Für jedes Kind waren Kleidung, Nahrung und Windeln im Gepäck. Das Ganze wurde auf drei Taschen verteilt – eine für Haiti, eine für die Busfahrt und eine für den Rückflug nach Frankfurt.
Die Zollbeamten wollten bei der Ankunft ausgerechnet die Koffer und Medikamentenkisten öffnen. Doch Tumpach gab sich als deutscher Polizeibeamter zu erkennen, nannte den Grund der Reise – und schon konnte die Gruppe unbehelligt passieren.
In Port-au-Prince wurden die Papiere der kleinen Passagiere nochmals geprüft, um keine böse Überraschung zu erleben. Helfer fuhren zurück nach Santo Domingo und kauften Lebensmittel für die fünf Kinderheime, in denen die Kinder lebten. Was es hier noch im Überfluss gab, war einige 100 Kilometer weiter bereits Mangelware.
Schwierig war auch die Fahrt ins Erdbebengebiet. Die Strecke von der Grenze bis in die Hauptstadt von Haiti war zwar nur 80 Kilometer lang, über Schotterpisten und bedingt durch Staus dauerte die Fahrt aber viele Stunden. Am Ziel selbst ging alles reibungslos. Die Kinder waren in guter Verfassung, alles wurde protokolliert. Diejenigen, die für die Ausreise vorgesehen waren, erhielten Armbändchen. Schließlich nahm Herbert Tumpach „seine“ drei Kinder in Obhut. Der Polizeibeamte macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Da gehen schnell mal die Emotionen durch und man hat Tränen der Rührung und Freude in den Augen.“
In Santo Domingo wurden die Kinder im Hotel eingecheckt. Schwierigkeiten gab's am nächsten Morgen. Aus heiterem Himmel waren Unicef-Mitarbeiter aufgetaucht, unterstellten der Gruppe Kinderhandel und wollten die Ausreisepapiere sehen. Mit Hilfe des deutschen Botschafters war die Situation allerdings schnell bereinigt. Am Flughafen wurden die Reisenden von einem weiteren Ärzte- und Betreuerteam erwartet. An Bord der Sondermaschine waren auch 20 Betreuer, die sich rührend um alles kümmerten. In Frankfurt warteten schon die künftigen Eltern. „Es war eine emotionsgeladene Übergabe“, erinnert er sich an den 28. Januar 2010.
Rückblickend sagt der Helmstadter: „Die perfekt geplante Aktion hat 62 Kindern wohl das Leben gerettet.“ Seit 27 Jahren sei er Polizeibeamter und habe viel Leid und Unglück mit ansehen müssen. Diese Aktion jedoch „werde ich mein Leben lang nicht vergessen“.
Der Verein „Eltern für Kinder“ hat noch einen regionalen Bezug, und der heißt Paul Lehrieder, Bundestagsabgeordneter aus Gaukönigshofen. Er konnte als Repräsentant für EfK gewonnen werden. Herbert Tumpach freut sich: „Ein Glücksfall für den Verein“.
Eltern für Kinder
Eltern für Kinder sucht Eltern für Kinder – nicht umgekehrt, heißt es auf der Hompage. EfK ist eine staatlich anerkannte internationale Adoptionsvermittlung in freier, gemeinnütziger Trägerschaft – mit der Zulassung für Haiti, die Mongolei, Peru, Sri Lanka und Thailand.
Seit der Vereinsgründung 1987 konnte EfK über 700 internationale Adoptionen zum Abschluss bringen. Die Vermittlung unterliegt neben dem Haager Adoptionsübereinkommen und dem deutschen Adoptionsrecht, auch den Grundsätzen des Vereins. Seriosität und Kompetenz in der Vermittlung seien so sichergestellt.
Die Betreuung von EfK endet nicht mit der Vermittlung: Es gibt die Möglichkeit, auch während des „Adoptivfamilie-Seins“ begleitet zu werden. Dafür gibt es ein Netzwerk, dem bundesweit über 600 Adoptivfamilien und Einzelpersonen angehören.