"Anna Stolz, Staatssekretärin im bayerischen Kultusministerium, möchte einen Tag als Schülerin der Berufsschule Main-Spessart in Karlstadt verbringen und dabei erleben, wie Schulalltag in Coronazeiten eigentlich aussieht." So hatte es ihre Pressestelle angekündigt, aber ganz so lief es dann doch nicht ab. Der Lehrer der Bierbrauer-Azubis fragte sie nicht, worin sich Weizenbier von Export unterscheidet, die Friseurlehrerin forderte Stolz nicht auf, der Echthaarpuppe einen Scheitel zu ziehen, und mit den Mädels der E-Commerce-Klasse tuschelte die Arnsteinerin auch nicht über die süßen Jungs in der Kfz-Mechatroniker-Ausbildung.
Trotzdem verbrachte Stolz den Donnerstag in der Karlstadter Berufsschule und gewann Einblicke beim Besuch des Unterrichts, beim Gespräch mit der Schulleitung, Lehrern und der Landrätin. Schulleiter Gerhard Hecht und seine Stellvertreterin Andrea Weidner-Roth begrüßten die Staatssekretärin, Landrätin Sabine Sitter und Sebastian Gehret, Sachgebietsleiter Schulen, Sport und Kultur am Landratsamt, in der Schule. Im einführenden Gespräch sagte Stolz, sie wolle sich anschauen, wie der Unterricht "in diesen besonderen Tagen" ablaufe.

Betriebe haben Angst um ihre Azubis
Im Kultusministerium habe während der Corona-Phase ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Anfangs seien genaue, für alle geltende Anweisungen für den Umgang mit der Pandemie erlassen worden. Mittlerweile werde ein Rahmen vorgegeben, aber den Schulen Flexibilität für Entscheidungen vor Ort eingeräumt. Hecht und Weidner-Roth begrüßten die Möglichkeit, selbstständige Entscheidungen zu treffen, ausdrücklich. Sie erklärten auch, dass sich die Berufsschule von anderen Schularten deutlich unterscheide: Viele Betriebe seien nervös, dass sich ihre Auszubildenden beim Schulbesuch anstecken könnten. Tatsächlich sei die Fluktuation von Schülern hoch, manche sind nur an einem Tag pro Woche in der Schule, andere im Blockunterricht. Und sie kämen aus ganz verschiedenen Regionen Deutschlands und Bayerns und seien zum Großteil schon erwachsen.
"Wir gehen hier ganz unaufgeregt mit Corona um", sagte Gerhard Hecht. "Die Lehrer können Schüler auch mal an die frische Luft schicken. Und grundsätzlich: Wer sich nicht wohlfühlt, soll lieber zu Hause bleiben." Sabine Sitter lobte die gute Arbeit an der Schule und betonte, wie wichtig Industrie und Handwerk und deshalb auch die Berufsschule für den Landkreis seien. Sie freue sich deshalb über den Besuch von Anna Stolz, der auch Wertschätzung signalisiere. Der Landkreis sei gewappnet für den Fall steigender Inzidenzwerte, die zuständige Koordinationsgruppe treffe sich einmal pro Woche.
Breites Spektrum in Karlstadt
Die Unterrichtsbesuche zeigten das große Spektrum der Schule auf. Stolz besuchte Unterricht für E-Commerce-Kaufleute, für Bierbrauer und Kfz-Mechatroniker. Außerdem erhielt sie Einblick in eine Berufs-Integrations-Klassse für ausländische Kinder, die darin die Möglichkeit erhalten, verschiedene Berufsbilder kennenzulernen. Nach drei Stunden in den Klassen bedankte sie sich "für den interessanten, ungefilterten Einblick" und lobte: "Sie leisten hier ganz tolle Arbeit. Man merkt den Lehrern an, dass sie für ihre Fachrichtungen brennen."

Die Pandemie habe gezeigt: "Die Digitalisierung ist wichtig, aber auch der persönliche Kontakt zu Lehrern und Mitschülern ist wichtig!" Das Kultusministerium wolle alles daran setzen, den Präsenzunterricht aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig suche sie nach weiteren Möglichkeiten der Flexibilisierung. E-Commerce-Azubis seien schon berufsbedingt online-affin. "Vielleicht hilft es der Schule ja, wenn die am Online-Unterricht teilnehmen und dafür räumliche Kapazitäten für andere freiwerden", überlegte sie.
Grundsätzlich hätten die Schüler in den gerade erfolgten Abschlussprüfungen den Standard gehalten – trotz der zwischenzeitlichen Schulschließungen. Hecht sagte: "Die Lehrer haben in den Prüfungsklassen extrem Gas gegeben. Das hat sich gelohnt." Und insgesamt habe die Karlstadter Berufsschule nun sogar eine Klasse mehr als im Vorjahr. Andere Berufsschulen hätten starke Einbußen, weil die Betriebe wegen Corona weniger ausbilden. Anna Stolz war also zufrieden und versprach, bald auch den Standort Lohr zu besuchen.
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