Zum zweiten „Digital Media Lab“ im Johann-Schöner-Gymnasium begrüßte der Elternbeiratsvorsitzende Harald Wiggenhorn wieder zahlreiche Gäste und einen hochkarätigen Referenten. Dr. Simon Haug, Justiziar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, referierte zum Thema „Wahrheit, Recht und Fairness in Zeiten der Digitalisierung“.
Der 35-jährige Haug hat in Großbritannien studiert, in Deutschland promoviert und arbeitet neben seiner Tätigkeit bei der FAZ auch als Kollege Wiggenhorns – als Dozent an der Aschaffenburger Fachhochschule. „Grundsätzlich“, erklärte Haug, „gelten im Internet die gleichen Regeln des Anstands wie im analogen Leben“. Das werde allerdings häufig missachtet.
Neue Chancen und Probleme
Auch für die Presse gelten für Online- und Printausgabe grundsätzlich die gleichen Gesetze, allerdings kommen durch die Digitalisierung neue Problemfelder hinzu: Sämtliche Veröffentlichungen – ob von Lokalzeitungen oder von Schülern in sozialen Netzwerken – sind einem breiten Empfängerkreis zugänglich; zudem sind einmal online gestellte Texte oder Bilder nur schwer wieder aus der Welt zu schaffen.
Haug erklärte, die Intimsphäre des Menschen sei grundsätzlich zu schützen, bei der Privatsphäre sei im Einzelfall abzuwägen, die Sozialsphäre – Auftreten in Beruf und in der Öffentlichkeit – unterliegt dagegen einem geringeren Schutz. Zu unterscheiden sei immer, ob es sich bei einer Veröffentlichung – ob in Print oder den sozialen Medien – um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handele. Das Recht der freien Meinungsäußerung sei „weit gefasst“, so Haug.
Suchmaschinen-Pessimierung
Der Jurist stellte den „digitalen Radiergummi“ vor, die sogenannte Suchmaschinen-Pessimierung – Gegenteil der oft versuchten Optimierung. Es sei durchaus möglich, ältere Online-Veröffentlichungen für Suchmaschinen schwer auffindbar zu machen. Dies diene dem Persönlichkeitsschutz, beispielsweise bei Menschen, die eine Haftstrafe verbüßt haben. Gewöhnlich seien aber die zum Zeitpunkt des Geschehens verfassten Artikel weiterhin im Online-Archiv der FAZ auffindbar – „sonst würde die Zeitgeschichte verfälscht“, argumentierte Haug.
Torpedoklage
Eine weitere Besonderheit des Internets sei die Klage-Androhung aus dem Ausland. Bei der letzten Fußball-EM bebilderte die FAZ eine Geschichte über Hooligans mit einem Kroaten, der „Hooligan“ auf den Oberkörper tätowiert hatte. Trotzdem drohte er mit einer Klage mit Gerichtsstand in Kroatien – mit deutschen Juristen unbekannter Gesetzeslage.
Selbst Jugendlichen, die nach einem Schulausflug fälschlicherweise von „polnischen KZs“ schrieben, drohe eine Klage aus dem Ausland. Mit einer sogenannten Torpedoklage sei es zumindest in Europa möglich, den Gerichtsstand nach Deutschland zu verlegen, erklärte Simon Haug.
In der anschließenden Diskussion ging es vor allem um den Umgang der Schüler mit digitalen Medien und sozialen Netzwerken. Sie müssten lernen, sich in der digitalen Welt zu bewegen, beispielsweise um „Fake News“ zu erkennen. Beim Thema Online-Mobbing gelang Haug der Zirkelschluss zur Einstiegsthese: „Anstand gilt auch digital.“