Selbst in Retzbach, 17 Kilometer von Würzburg entfernt, sahen die Menschen am 16. März den blutroten Himmel über der zerbombten Stadt. „Eigentlich unglaublich“, meint Johanna Barthelmes. Von ihrem Opa weiß die 17-Jährige von der Kolpingjugend Retzbach, wie die Menschen jene schreckliche Nacht erlebten. Auch wenn dieses Ereignis lange vor ihrer Geburt liegt, setzt sich Barthelmes für ein Gedenken an diesen Tag ein. Darum engagiert sie sich auch beim Würzburger Gedächtnislauf, heißt es in einer Pressemitteilung.
Zum sechsten Mal wurde der Gedächtnislauf zur Erinnerung an die Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 von Kolping-Mainfranken und der Laufgemeinschaft Würzburg organisiert. Die Startspenden kommen der Kolping-Stiftung zugute. Zahlreiche Kolping-Mitglieder waren für das Sportereignis im Einsatz.
Fünf junge Frauen und Männer von der Kolpingjugend in Retzbach und Güntersleben betreuten den Verpflegungsstand am Zellinger Schwimmbad. Um 11 Uhr wurde aufgebaut, fast vier Stunden waren die Jugendlichen im Einsatz. „Wir hatten nahezu 200 Liter Wasser und auch fast 200 Schokoriegel dabei“, erzählt Jochen Behr, Gruppenleiter bei der Retzbacher Kolpingjugend. Um sechs Minuten nach zwölf kam der erste Läufer am Stand vorbei, dicht gefolgt von einem Konkurrenten. Danach tröpfelte es eine Weile. Bis es immer turbulenter wurde.
Sich für Frieden einzusetzen, das ist für Jochen Behr äußerst wichtig. „Erst gestern hatten wir eine lange Filmnacht organisiert“, erzählt der 21-Jährige. Am späten Abend, als nur noch Jugendliche ab 18 Jahren anwesend waren, schaute man gemeinsam den amerikanischen Kriegsfilm „Soldat James Ryan“ über die alliierte Invasion in der Normandie. Der Streifen ging Jochen unter die Haut.
Im Übrigen sei auch Retzbach nicht vom Krieg verschont geblieben, weiß der junge Mann: „Die Nazis sprengten in den letzten Kriegstagen die Alte Mainbrücke.“ In der Ortschronik ist dieses Ereignis festgehalten. „Aus der erzählte uns Ministranten unser Pfarrer“, sagt Jochen, der als Ministrant aktiv ist.
Leonie Ebert von der Kolpingjugend Güntersleben weiß über ihre Großmutter ein wenig, wie das damals im Krieg war. „Sie musste einmal mit dem Boot in Würzburg von einer Mainseite zur anderen fahren“, berichtet die 18 Jahre alte, angehende Erzieherin. Mitten auf dem Main fielen plötzlich Bomben. Das Boot machte sofort kehrt. Leonies Großmutter, damals ein Kind, stand Todesängste aus.
Nicht alle junge Menschen haben noch Interesse daran, sich mit dem Zweiten Weltkrieg, der NS-Vergangenheit Deutschlands und dem Schicksal ihrer Heimatgemeinde im Dritten Reich auseinanderzusetzen, meint Jochen. Schließlich liegt das, was damals geschah, unermessliche 50 Jahre vor ihrer Geburt. Doch angesichts der zahlreichen Konflikte auf der Welt findet der junge Mann es wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, wie schnell es zu Konflikten kommen kann und wie schnell Konflikte brutal ausufern können. Durch die Krise in der Ukraine sei ein unheilvoller Konfliktherd auch wieder nahe an Deutschland herangerückt.
Abgesehen von dem bedrückenden Kriegsthema hatten die jungen Leute an ihrem Stand eine Menge Spaß. Eben das, meint Leonie, liebe sie so an der Kolpingjugend: Egal, was man miteinander unternimmt oder auf die Beine stellt, es ist schön und man erlebe immer auf tolle Weise Zusammenhalt und Gemeinschaft.