
(ta) Das Lohrer Schauspielensemble „Die Gaukler“ feierte am Freitagabend im Theaterkeller Mehling Premiere des Horrorklassikers „Dracula“ – und nahm in ihrem bislang schauspielerisch wie technisch schwierigsten Stück eine Hürde derart souverän, dass ein ausverkauftes Haus nach zwei Stunden tobte. Für die „Gaukler“ ist es das 15. Jahr auf den Brettern und ihre 18. Großproduktion. Sie spielen diesmal in klassischen Kostümen und mit Perücken.
Im Mehlingskeller herrscht Dunkelheit; eine mystische Stimmung liegt über dem Raum. Nur ein Halbmond wirft sein fahles Licht auf die Bühne. An den Wänden hängen riesige Spinnennetze, dazwischen Knoblauchfrüchte. Draußen das bedrohliche Geheule ausgehungerter Wölfe. Graf Dracula betritt seine Burg bei Bistritz in den Karpaten. Schwarze Kleidung trägt er und einen Mantel mit blutrotem Kragen. Seine Augen funkeln furchterregend.
Gerhard Kolbert hat die Titelrolle inne; vor ihm liegt ein Marathon. Dieser Ausdruck in Sprache und Mimik ist grandios! Jede noch so kleine Bewegung sitzt perfekt. Ihm gegenüber befindet sich Immobilienmakler Jonathan Harker (Jörg Engelhard). Auch er überzeugt restlos in Sprache, Gestik und Spiel. Draculas Mine ist reglos, als er zu dem jungen Verlobten sagt: „Wenn du das Schwert erhoben hast, dann lass den Kopf auch rollen!“
Die abendländische Kultur brauche eine grundlegende Veränderung mit frischem Blut, das Rot sei kostbar in diesen Tagen. An seine Verlobte Mina Westenra (prächtig verkörpert von Anette Waigand) in Whitby schreibt Jonathan: „Die Gespräche mit dem Grafen zehren an meinen Kräften. Ich ahne Fürchterliches.“ Auf dem Burghof habe er Särge gesehen. Aus dem Hintergrund dröhnen die Stimmen der drei Vampire (Mascha Eckert, Ditte Remmel, Georgia Viola-Richartz; alle in Doppelrollen): „Blut ist Leben, Blut ist Macht!“
Als das Schiff mit Dracula an Bord Kurs auf England nimmt, sind etliche Matrosen tot. An Bord ist der Wahnsinn ausgebrochen. Renfields Stimme (Doppelrolle von Engelhard) zerschneidet den Raum: „Der Meister ist da! Er wird uns alle erlösen.“ Um es mit dem „Meister“ selbst zu sagen: „Wer Freunde gewinnen will, der schlachte früh.“ Am Himmel türmt sich schwarzes Gewölk auf, ein Sturm tobt. Dann gibt es die erste Tote auf dem Marktplatz von Whitby. Lucy Westenra, herrlich herausgearbeitet von Gastschauspielerin Mascha Eckert, weist zwei Einstiche im Hals auf.
Nun geht es Biss auf Biss. Martha Westenra (Inge Schwab), Dr. Seward (Georgia Viola-Richartz) und Prof. Dr. van Helsing (Ditte Remmel) greifen erneut ins Geschehen ein. Wie sie ihren Part ausfüllen? Wie immer. In jeder Hinsicht mit Bravour! Maßgeschneidert indes ist auch die Rolle der Dorothy auf Steffi Staub, ebenso die des „Neuen“, Rouven Remmel, als Arthur Holmwood.
Regisseur Matthias Hahn sitzt im Publikum. „So aufgeregt wie heute war ich noch nie“, gesteht er. Keineswegs zweifelt er an seinen „Gauklern“. Bei ihnen führt er gerade zum siebten Mal Regie. Die diesjährige Produktion brauche immens viel und punktgenaue Technik, begründet er seine Nervenanspannung. Zur Halbzeit sagt er: „Läuft alles super!“ Neben ihm sitzt Autor Bernd Klaus Jerofke. Der gebürtige Nürnberger hat das Stück nach dem Roman von Bram Stoker für Freilichttheater geschrieben, Hahn bearbeitete es für die kleine Lohrer Bühne. Nach zwei Stunden Spielzeit applaudiert Jerofke den „Gauklern“. Der studierte Theaterwissenschaftler und Regisseur zollt einer Prachtleistung Lob.
Weitere Vorstellungen von „Dracula“ sind im Mehlingskeller am 29. und 30. Oktober, am 5., 6., 12., 13., 19., 20., 26. und 27. November. Im Januar am 14., 15., 21., 22., 28. und 29. Im Februar am 4., 5., 11., 12., 18. und 19. Die letzte Aufführung ist die Benefizvorstellung zugunsten der Lebenshilfe Main-Spessart. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Karten sind im Weinhaus Mehling erhältlich unter (09352) 2602.
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