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Vater erzählte von Marktheidenfeld

Marktheidenfeld

Vater erzählte von Marktheidenfeld

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    Ihre Begegnung mit Marktheidenfeld, Karbach und Urspringen war bewegend, denn sie brachte viel von dem zu Tage, was die Beziehung von Juden und Nichtjuden in Deutschland belastet.

    Schon am ersten Tag waren sie mit Heinz Eschenbacher durch die Obertorstraße geschlendert hin zu dem Haus, in dem bis 1934 ihr Großvater Adolf Freimark bis zu seiner Auswanderung einen Schuhladen betrieb. Irene Sternberg ist gerührt, die Tränen schießen ihr in die Augen. Ihr Vater Justin Freimark, der 90-jährig in New York lebt, hat ihr oft aus einer ursprünglichen Heimat erzählt, die er bereits 1928 verlassen hatte. Er sorgte dafür, dass die restliche Familie nach Hitlers Machtantritt Deutschland verlassen konnte.

    Bewegend war auch die Begegnung mit Ludwig und Elisabeth Weidner, die in der Nähe wohnen und in deren Familie sich die Erinnerung an die einstigen jüdischen Nachbarn erhalten hat. Dennoch sagt Ludwig Weidner: Dass eine solche Begegnung mit dem Blick auf die Vergangenheit heute wieder möglich ist, sei unwahrscheinlich. Er ist Heinz Eschenbacher dankbar, der seit Jahren beharrlich den Kontakt zu den Nachfahren der einst in Marktheidenfeld ansässigen Familie knüpfte. Bernice Lewins Mutter war Recha Freimark, die einzige Tochter der Familie. Sie war blond, sah typisch deutsch aus und trug später den Namen ihres Mannes Eichenbronner.

    Bernice Lewis erzählt auch von einem Kapitel ihrer Jugend. In den USA der Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre war ein deutscher Nachname eine schwere Hypothek - auch für Juden. "Man ließ auch uns die Ablehnung gegenüber den Deutschen spüren." Sie versteht sehr gut Deutsch und erzählt von ihrem Mann, der aus Litauen stammt und geradezu perfekt Deutsch spricht. Einen großen Teil seiner Sprachkenntnisse erwarb er allerdings als Kind in den Lagern Dachau und Auschwitz, weswegen er nicht dazu zu bewegen sei, nochmals deutschen Boden zu betreten.

    Am Donnerstag morgen führte der Weg ins Marktheidenfelder Rathaus zu Bürgermeister Dr. Leonhard Scherg, der die beiden Damen aus den USA mit einem umfangreichen Stammbaum der Familien Freimark aus Homburg und Marktheidenfeld überraschte. Mit diesem Hilfsmittel werden Verwandtschaftsverhältnisse geklärt aus einer Familie des unterfränkischen Landjudentums, wie sie für die Gegend bis zur Nazi-Diktatur eben kennzeichnend war.

    Danach fahren alle zusammen nach Karbach zum jüdischen Friedhof auf dem Mühlberg. Dort wartet bereits der zweite Bürgermeister Josef Laudenbacher und führt über den Begräbnisort. Von Stein zu Stein wandert der Blick und die beiden Amerikanerinnen sind überrascht, wie häufig der Name Freimark auf den verwitternden Grabsteinen noch zu entziffern ist.

    Die nächste Station ist die Synagoge in Urspringen. Dort betrachtet man sich die Gedenkstätte mit der Genisa-Ausstellung auf der Frauen-Empore in der Judengasse. Neben den kulturellen Zeugnissen des Landjudentums beeindruckt die Eingangstür, die als Gedenktafel die größte Deportation jüdischer Bürger aus Mainfranken in das Vernichtungslager Belzec im April 1942 dokumentiert. Martin Harth vom Förderkreis Synagoge Urspringen ist mit dabei und anhand des Gedenkbuchs der Synagoge, das die Deportationsakten der Geheimen Staatspolizei in Würzburg wiedergibt, zeigt er die Namen der Verwandten von Bernice Lewin und Irene Sternberg, die im Holocaust ermordet wurden. Kein Kapitel der Vergangenheit bleibt bei diesem Besuch ausgespart, sei es auch noch so leidvoll.

    Zurück in Marktheidenfeld hat Heinz Eschenbacher in seiner Steinmetz-Werkstatt eine Ausstellung von Dokumenten und Fotos über die Marktheidenfelder Juden zusammen gestellt. Beeindruckend ist die Schützenscheibe des Marktheidenfelder Kleinkaliberschützenvereins die 1931 Adolf Freimark stiftete und von seinem Schuhladen haben sich in einigen "Hädefelder" Haushalten sogar noch "Salamander"-Schuhlöffel mit Firmenbeschriftung erhalten.

    Bevor man mit einem Gläschen Sekt anstößt, gibt es eine Überraschung. Der Werbegrafiker Willi Armstark hat das Freimarksche Schuhgeschäft nach einem historischen Foto detailgetreu in einem Gemälde verewigt. In der davor stehenden Menschengruppe könnte man vielleicht die Ähnlichkeit zu den einstigen Familienmitgliedern entdecken. Bernice Lewin und Irene Sternberg, die noch bis Sonntag bleiben und dann nach Berlin fahren, sind gerührt. Das Bild wird einen Ehrenplatz erhalten.

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