Wer von Süden her die Altstadt betritt, findet dort, wo die Obertorstraße von der Bahnhofstraße abzweigt, vor der Fassade der Sparkasse eine Säule, umgeben von Bäumen. „Elias Hügel – Hofsteinmetz“ steht auf der Vorderseite und verrät damit nur wenig. Auf der Rückseite erfährt man immerhin, dass der solchermaßen Geehrte 1681 in Gemünden geboren wurde und 1765 in Kaisersteinbruch starb.
Man könnte vermuten, die Säule würde an der Stelle schon seit alters her stehen, doch sie wurde erst 1996 aufgestellt – zur Erinnerung an den aus Gemünden stammenden Hofbildhauer und Kirchenbaumeister Elias Hügel. Kaisersteinbruch, wo er starb, liegt hinter Wien im Burgenland und gehört heute zur Gemeinde Bruckneudorf. Von dort stammt das Material für die prächtigen Bauten der österreichischen Kaiser- und Hauptstadt.
Am 17. Juni 1681 wurde Elias in Gemünden als das jüngste von zehn Kindern eines Schuhmachers geboren. Einer seiner älteren Brüder hieß Gallus. Dieser war vor Elias nach Österreich ausgewandert und war dort Begründer einer Steinmetz- und Baumeisterdynastie.
Elias wurde im August 1694 Lehrjunge beim Hofsteinmetzmeister Ambrosius Ferrethi in Kaisersteinbruch. Sein Lehrherr starb 1696. Elias begann 1700 bei Richter Giovanni Battista Passerini eine Ausbildung zum Bildhauer. In den Jahren arbeiteten sie an Aufträgen des Fürsten Liechtenstein in Wien. Friedrich Karl von Schönborn-Buchheim führte ab 1705 die Geschäfte als Reichsvizekanzler in Wien. Der bedeutende Bauherr war für den jungen Gesellen und später für den Hof-Steinmetz Elias Hügel mehrmaliger Auftraggeber.
Heirat einer Witwe
Als Geselle heiratete Elias im Alter von 25 Jahren 1706 die 44-jährige Maria Elisabetha Trumlerin, eine Ferrethi-Tochter und Witwe des Steinmetzmeisters Martin Trumler. Diese Zweckheirat war notwendig geworden, denn damals musste eine Witwe die Ausübung des Gewerbes einstellen, es sei denn, sie heiratete nach einem Jahr einen Steinmetzmeister oder einen tauglichen Gesellen. 1709, als Meister der Bruderschaft, ließ sie ihn neben sich ins Grundbuch schreiben, mit einem Steinbruch und zwei Häusern.
Beim Gesamtkunstwerk Karlskirche, als Mitarbeiter von Johann Bernhard Fischer von Erlach vollzog Elias Hügel den Schritt zum Künstler. Diese Arbeit brachte ihm viel Ehre. Im April 1719 erhielt er den Rang eines Hofsteinmetzmeisters. Das bedeutete, er bekam direkt Aufträge vom kaiserlichen Hofbauamt und gab diese, wenn es notwendig war, an die Bruderschaft weiter.
Unter anderem beteiligte sich der Gemündener am Bau des Wiener Domes. 1713 fertigt er mit seiner Werkstatt die Dreifaltigkeits- oder auch Pestsäule für Neusiedel am See. Der Hoch-, der Marien- und der Kreuzaltar in der Wallfahrtskirche von Kaisersteinbruch, geschaffen von 1720 bis 1738, sind weitere Belege dafür, dass Elias Hügel mehr als nur ein bloßer Steinmetz war.
Hügels Ehefrau Maria Elisabetha starb 1728, seine vier Stiefkinder erhielten das mütterliche Erbe. Mit 47 Jahren heiratete Elias 1728 Catharina Dirr, die Tochter eines Breslauer Wirts. 1730 kaufte er den Hausbruch mit dem besten Kaiserstein.
Hochaltar als Testament
Sein künstlerisches Testament schuf Hügel mit dem Hochaltar in der Pfarrkirche von Stotzing. Er hatte seinen eigenen Altarstil entwickelt: aus hartem, weißem Stein, und doch luftig leicht. Schlanke Säulen öffnen sich zu einem Tor für den Menschen. Vergoldete Kapitelle mit hochaufragenden Gebälk weisen direkt in den himmlischen Bereich. In „seiner“ Kaisersteinbrucher Kirche verwirklichte er kaiserliche Hofkunst in der Provinz. Durch dieses Meisterwerk verwirklichte er gleichzeitig ein Symbol für all das, was die barocke Kunst an Ausgewogenheit zwischen irdischem und himmlischem Leben bedeutet hatte.
Am 23. August 1755 starb Elias Hügel mit 79 Jahren und wurde beim Heilig-Kreuz-Altar in der Kirche von Kaisersteinbruch beigesetzt. In Gemünden erinnern die Säule auf der Straße an den berühmten Steinbildhauer sowie ein Epitaph, also ein Denkmal, in der Kirche St. Peter und Paul an seinen Urgroßvater Simon Hügel.