Der Rambour ist der Lohrer Apfel schlechthin, alljährlich wird ihm – so wie am vergangenen Sonntag – zu Ehren ein eigenes Fest gefeiert. Manche meinen sogar, auch Schneewittchen hätte seinerzeit in einen vergifteten Rambour gebissen. Aber wie kam der Apfel überhaupt nach Lohr? Tatsächlich beginnt die Geschichte des Lohrer Rambourapfels vor 175 Jahren.
Es gibt zwei etwas voneinander abweichende Versionen der Geschichte, die aber im Endeffekt das Gleiche erzählen: In den 1840er Jahren kamen Reiser eines neuen Apfels aus Frankreich nach Lohr und gediehen hier prächtig.
Anfang vor 175 Jahren
Der längst verstorbene Lohrer Ehrenbürger und Oberlehrer Georg Söder hat einst einen Aufsatz über die Geschichte des Lohrer Rambours geschrieben, offenbar basierend auf Akten des Obst- und Gartenbauvereins Lohr, die im Oktober 1958 in der Lohrer Zeitung wiedergegeben wurde. Demnach begann die Zeit des Apfels in Lohr 1843, eben vor 175 Jahren.
Damals lebte in Lohr der Stadttürmer Karl Bayer, gestorben 1863, der neben seiner Arbeit als Feuerwächter ein ausgezeichneter Musiker und ein vorzüglicher Baumzüchter war. Pomologen, also Obstbaukundige, aus Nah und Fern sollen zu ihm gekommen sein, um seine Musterbaumschule zu sehen und von ihm zu lernen.
Ein Apfel aus Frankreich
Laut Söder kam im Jahr 1843 ein Wandergeselle zum Stadttürmer Bayer und bat um eine Wegzehrung. Angeblich stammte der Geselle aus Lothringen und war Gärtner. Bayer stellte den jungen Mann als Gehilfen ein. Irgendwann soll der Gehilfe Meister Bayer mitgeteilt haben, dass in seiner Heimat ein vorzüglicher Apfel wachse, eine Rambour-Art, die aus der Mitte Frankreichs nach Lothringen gekommen sei.
Daraufhin habe sich Bayer Edelreiser von dort nach Lohr kommen lassen und damit Apfelbäume veredelt. Weil der erste umveredelte Baum im Garten des damaligen Sternwirts Mehling gestanden habe, habe er auch den Namen „Sternwirts-Apfel“ bekommen.
Zweite Version der Geschichte
Im Büchlein „Aus der Mappe des Chronisten – Sage und Geschichte – 2. Folge – Lohr und Spessart – Volkstümlich bearbeitet und zusammengestellt von Karl Humpf“, erschienen im Verlag des „Lohrer Anzeigers“, das wahrscheinlich aus den 1920er Jahren datiert, zitiert Humpf eine etwas andere Version aus dem Tagebuch von Stadttürmer Bayer.
„Heute besuchte mich auf seiner Wanderschaft durch das Maintal der Sohn des weltbekannten Obstzüchters Fabre aus Orleans“, habe Bayer Anfang der 1840er geschrieben. „Ich zeigte ihm meine Baumschule sowie die Pfirsichanlage am Beilsteinwingert. Das Gespräch kam auf die kurze Haltbarkeit der Äpfel und ich sagte ihm, dass meine Frau die Äpfel oft buttenweise in den Bach schüttet, da alle im Keller verfault sind. Da pries mir der junge Fabre eine neue Züchtung seines Vaters an, die ganz außerordentlich große Früchte bringe und weit in den Sommer hinein haltbar sei. Ich bat ihn, mir Reiser davon zu schicken, er versprach es.“
Neue Reiser aus Orleans
Später habe Bayer dann geschrieben: „Heute kamen aus Orleans die versprochenen Reiser des neuen Apfels. Ich hatte gar nicht mehr darauf gerechnet und freute mich, dass der junge Mann Wort hielt. Er schrieb dazu, dass ich am besten einen großen Baum veredeln soll, der würde in drei Jahren tragen. Ein junger Baum trage erst viel später. Ich werde den großen Kernapfelbaum im Sternwirtsgarten nehmen . . .“
Die aufgesetzten Reiser gediehen prächtig und die Bäume zeichneten sich laut Söder durch gesunden, starken Wuchs und große, bis ins hohe Alter dauernde große Fruchtbarkeit aus und die Äpfel durch vielseitige Verwendbarkeit als vorzügliches Tafel-, Wirtschafts- und Kelterobst. Bei der Ernte grün aussehend, färbe sich der gelagerte Apfel ins Gelbrote, erhalte einen süß-säuerlichen Geschmack und halte sich bei guten Lagerverhältnissen bis in den Sommer, schwärmte Söder.
Seit 1901 „Lohrer Rambour“
Der Rambour, der anfangs den Namen „Sternwirts-Apfel“ trug, wurde erst 1901 zum „Lohrer Rambour“, nämlich auf der Landesobstausstellung in Augsburg. Laut dem Protokollbuch des Obst- und Gartenbauvereins nahm das Preisrichteramt den besonders ausgezeichneten Sternwirts-Apfel als „Lohrer Rambour“ in das Landessortiment auf. Auch auf späteren Ausstellungen erhielt der Rambour goldene und silberne Preise.
Der erste mit den neuen Reisern veredelte Baum im Garten des Sternwirts wurde übrigens 1931/32, als auf dem Grundstück von Richard Mehling am Oberen Tor das „Rieneckerhaus“ abgerissen und dort das neue Postgebäude gebaut wurde, gefällt. Laut Söder war er sicher schon 100 Jahre alt und habe trotzdem noch Früchte getragen. Mehling habe laut Söder vor dem Abriss noch ein Foto machen lassen und nebst der Lebensbeschreibung des Baumes den Akten des Obst- und Gartenbauvereins übergeben. Die seien allerdings, so erzählt es Hans Kübert, bis zur Auflösung 2008 stellvertretender Vorsitzender des Vereins, einst Opfer eines Brandes geworden.
Der Lohrer Rambour hat heute schon lange nicht mehr die Bedeutung, die er einst hatte. Aber seitdem der langjährige Halsbacher Bürgermeister Vinzenz Stenger, gleichzeitig Fachberater für Obst- und Gartenbau im Landkreis Lohr, Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre den Vorschlag machte, dem verkaufsoffenen Sonntag Ende Oktober in Lohr den unverwechselbaren Namen „Rambour-Sonntag“ zu geben, wird seiner weiterhin mit einem Fest gedacht.