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Mit Adolf in der Badewanne

Bad Neustadt

Mit Adolf in der Badewanne

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    1945: in einer Wanne unter der Berliner Reichskanzlei sitzt Adolf Hitler und singt Durchhalteparolen. Rund 3,5 Millionen mal wurde der Animations-Clip "Ich hock in meinem Bonker" nach der Idee von Walter Moers in den letzten Monaten im Internet angeklickt. Die dazugehörige Stimme stammt aus Rhön-Grabfeld, genauer gesagt aus Unsleben. Der Kabarettist Thomas Pigor hat sie dem Zeichentrick-Hitler geliehen.

    Frage: Bevor Sie den Bonker-Song gemacht haben - waren Sie ein Walter Moers Fan? Ganz ehrlich!

    THOMAS PIGOR: Gut, ganz ehrlich: Ich kannte Adolf, den Comic und Käpt'n Blaubär. Das kleine Arschloch kannte ich nur von weitem. Als ich Walter Moers kennenlernte, habe ich seine Bücher verschlungen und war völlig fasziniert von der Bandbreite, in der er zu schreiben versteht. Ein Autor, mit einem Humor, der mich anspricht.

    Frage: Wie kam der Kontakt zu ihm? Sind Sie befreundet?

    PIGOR: Walter Moers hat irgendwann unseren Song "Hitler im Badezimmer" gehört, und fand meine Art Hitler zu geben passend für seine Adolf-Figur. Wir haben lange miteinander telefoniert, irgendwann habe ich ihn besucht, seitdem haben wir regelmäßig Kontakt.

    Als Sie gefragt wurden, ob Sie den Song singen können - haben Sie gezuckt?

    PIGOR: Ich habe gar nicht gezuckt. Wir haben seit zehn Jahren eine Hitler-Parodie in unserem Kabarettprogramm, und Bruno Ganz kann erzählen, was er will: Hitler zu spielen bereitet eine fast blasphemische Lust. Übrigens kam die Wanne erst mit der Animation. Moers hat das Clipboard gezeichntet und Felix Gönnert hat diese wunderbaren Animationen dazu gemacht. Eine Welt, die ich vorher gar nicht kannte.

    Haben Sie nur gesungen oder auch textlich mitgewirkt?

    Walter Moers hat mir eine textliche Rohfassung geschickt, die ich umgearbeitet und vertont habe.

    Abgesehen vom Bonker-Song. Was macht die Musikrichtung "Pigor" aus?

    PIGOR: Wenn Sie mich jetzt musikwissenschaftlich fragen , dann antworte ich: "Chanson á'texte". Eine musikalische Form, in der der Text die gleiche Rolle spielt, wie die Musik. Unser Genre führt in Deutschland leider nur ein Nischendasein. Chanson hat für mich jedoch nichts Nostalgisches, sondern bei uns fließen die verschiedensten Elemente der Popularmusik mit ein: Hip Hop, Jazz, Pop, Reggae, Grunge - je nach dem. Auf der anderen Seite steht da das Klavier als zentrales Element und der satirische Ansatz in den Texten.

    Wie sind Sie überhaupt geworden, was Sie jetzt sind? Sie haben schließlich Chemie studiert?

    PIGOR: Ja, ja, die Chemie. Hätte ich in den sieben Jahren nur etwas Solides gelernt, wie zum Beispiel Klavier spielen! Leider habe ich das Chemiestudium, aus einer Mischung aus Pflichtbewusstsein und Angst vor der Zukunft, bis zum Ende durchgezogen. Ich habe aber während meiner Studienzeit angefangen, Studentenkabarett zu machen, Straßenmusik und Theater. Das hat mich sehr begeistert, nur hatte ich Angst Profimusiker zu werden, weil ich dachte, der Spaß geht dabei flöten. Ich habe mir nach dem Chemie-Diplom ein Jahr Auszeit gestattet, und ausschließlich von meiner Musik gelebt, um zu sehen, was passiert. Danach war es klar: Mir macht es trotzdem Spaß. Chemie heute? Nach Rezept kochen. Das hab ich im Labor gelernt.

    Sie haben bei ihren Eltern Karl Valentin auf Langspielplatte auswendig gelernt, in der Schule Geigenunterricht bekommen und später Straßenmusik gemacht. Hört sich nach einer runden Künstlerkarriere an - war das so?

    PIGOR: Herr Kugler hat am Gymnasium Bad Neustadt wirklich einen einzigartigen Musikunterricht gemacht, das möchte ich mal an dieser Stelle hervorheben. Wir hatten zur besten Zeit ein Schulorchester von 70 Leuten - bei 700 Schülern! Mich würde heute interessieren, wie dieses Schulorchester damals geklungen hat, leider gibt es keine Aufnahmen, Oder hat jemand in der Leserschaft welche? Ich würde tippen: Intonation war nicht unsere Stärke, aber wir hatten wahrscheinlich ziemlich Pepp. Und die Freude, die wir damals beim Musizieren hatten, auch die musikalischen Erfahrungen, haben uns alle nachhaltig geprägt. Ich war leider, vielleicht auch zum Glück, zu schlecht für eine klassische Karriere. Aber ohne diese Erfahrungen hätte ich den Weg zwischen Kabarett und Musik nicht einschlagen können.

    Von Neustadt nach Berlin: Beschreiben Sie doch mal die Reize beider Orte. Wie oft sind Sie noch in der Gegend? Wo trifft man Sie dann am ehesten?

    PIGOR: Wenn in irgendeiner Diskussion die Frage auftaucht, "Was ist Heimat?", dann antworte ich: In Berlin bin ich Franke (ob Unterfranke oder Middelfranke spielt hier keine Rolle) und in Bad Neustadt bin ich Berliner. Heimat ist immer da, wo man nicht ist. Wenn ich in der Rhön bin, dann bin ich entweder im Bildhäuser Hof oder bei meinen Eltern. Ich habe aber schon die Vorstellung, irgendwann mal einen Urlaub in der Rhön zu verbringen, und mit meinen alten Kumpels auf den Kreuzberg zu wallen.

    Zur Person

    Thomas Pigor
    Der gebürtige Unslebener machte
    1975 Abitur am Rhön-Gymnasium
    und ging zum Chemiestudium
    nach Würzburg. Seine Künstler-
    karriere begann er parallel mit
    dem Musikkabarett Knacko & Kon-
    fetti und der Straßenmusik. Nach
    der Uni entschied er sich für die
    Künstlerkarriere und zog nach Ber-
    lin. Dort gründete er mit dem Pia-
    nisten Benedikt Eichhorn das er-
    folgreiche Kabarett-Duo "Pigor
    singt - Benedikt Eichhorn muss
    begleiten", das 2006 mit dem
    österreichischen Kaberettpreis aus-
    gezeichnet wurde.

    Weitere Informationen zum Thema
    im Internet unter:
    www.mainpost.de

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