Was tun, wenn sich Schüler in der Schule zoffen oder gar handgreiflich werden? Wie kann man Konflikte unter Schülern entschärfen und lösen helfen, bevor es für die Streitenden möglicherweise sogar zum Verweis durch die Schule kommt? In solchen prekären Situationen sind sogenannte Streitschlichter gefragt. Das sind Schüler meist höherer Jahrgangsstufen, die als neutrale Vermittler versuchen, Auseinandersetzungen zwischen streitenden Schülerparteien zu lösen. Wie man dabei vorgeht, lernen sie in einer speziellen Ausbildung.
Auch an der Ignaz-Reder-Realschule Mellrichstadt haben sich im letzten halben Jahr 37 Schüler der neunten Jahrgangsstufe freiwillig in acht Übungseinheiten zu Streitschlichtern ausbilden lassen. Projektleiterin Irmgard Seifert händigte nun die Urkunden an die frischgebackenen Mediatoren aus.
Konflikte gibt es an jeder Schule. Und weil sie ihren Mitschülern helfen wollen, Streitigkeiten gewaltfrei zu lösen, haben sich heuer viele Neuntklässler zum Streitschlichter ausbilden lassen. Anhand vieler praktischer Übungen haben sie gelernt, wie man mit Streit unter Mitschülern umgeht und wie ein solcher Streitschlichtungsprozess ablaufen sollte.
Im Rahmen der Abschlussveranstaltung demonstrierten Jonas Schwarz und Sonja Landgraf dies anhand eines Fallbeispiels: Zwei Mitschüler der unteren Jahrgangsstufe stellten einen Streit auf dem Pausenhof nach, der dann in einer handfesten Prügelei mündete. Erst war es wichtig, die beiden Streithähne auseinanderzubringen, die erhitzten Gemüter zu beruhigen und durch gezielte Fragen in Erfahrung zu bringen, warum es zum Streit gekommen ist. Sonja und Jonas mussten ruhig, aber bestimmt auftreten, die Schwere des Konflikts einschätzen und dann ein Gespräch in ruhiger Atmosphäre anbieten. Dafür hat die Schule sogar einen eigenen Raum zur Verfügung gestellt.
Im ersten Schritt ließen die Streitschlichter die Konfliktparteien getrennt zu Wort kommen. Zur Unterstützung hatten Jonas und Sonja eine Checkliste bekommen, die den genauen Ablauf des in Phasen aufgeteilten Schlichtungsgesprächs aufzeigte. In der ersten Phase geht es darum, dass die Mediatoren die Vertraulichkeit des Gesprächs zusichern sowie die Regeln und das Ziel der Mediation verdeutlichen. In der zweiten Phase wird die Sichtweise der Konfliktparteien protokolliert und abschließend eine Zusammenfassung erstellt. Die dritte Phase dient der Konflikterhellung. Motive und Gefühle sollen herausgefunden werden, schrittweise eine direkte Kommunikation hergestellt werden, damit Seite an Seite nach Lösungen gesucht und, in der vierten Phase, ein Konsens gefunden werden kann. Schließlich wird in der letzten Phase eine Vereinbarung auf dem sogenannten Einigungsformular festgehalten, die dann sowohl die Konfliktparteien als auch die Mediatoren unterschreiben.
Wie Seifert erläuterte, können Streitschlichter als Außenstehende eher zur Erarbeitung von Kompromissen beitragen und konstruktive Lösungen anbieten. Sie können Schülerkonflikte eher nachvollziehen als Erwachsene, weil sie auf Augenhöhe agieren. Zudem sind Schüler eher bereit, sich vor Mitschülern zu öffnen. Deshalb schicken oftmals auch Lehrkräfte sich streitende Schüler zu den Mediatoren, ergänzte Schulleiter Ulrich Kluge. Nur wenn die Fronten so verhärtet sind, dass keine Aussicht auf eine Lösung des Problems besteht, wenn es gar zu Körperverletzungen kommt oder Mobbing im Spiel ist, müssen die Lehrer und die Schulleitung reagieren und auch die Eltern mit ins Boot nehmen. Einen Schulverweis hält Kluge nicht für das richtige Mittel zur Konfliktlösung. „Wenn Jugendliche Probleme und Konflikte untereinander lösen können, insbesondere mit Unterstützung ausgebildeter Streitschlichter, ist das immer der bessere Weg“, so Kluge.
Die Schüler haben während ihrer Ausbildung auch viel für sich selbst mitgenommen. Begleitet hat sie dabei auch das Buch des promovierten Pädagogen Reinhold Mille, das Irmgard Seifert als Leitfaden genommen hat. In „Halt's Maul, du dumme Sau!“, so der Titel, beschreibt der Autor, wie man auf Beschimpfungen reagiert, ohne dass die Situation eskaliert, dass Körpersprache auch Botschaften vermittelt und was die Merkmale eines guten Gespräches sind.
Die neuen Mediatoren an der Ignaz-Reder-Realschule hoffen, dass sie mit ihrer Ausbildung auch zum friedlichen Schulklima beitragen. Zudem wird die Streitschlichter-Ausbildung im Zeugnis vermerkt. Und das kann sich bei einer Bewerbung durchaus als Vorteil erweisen.
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