Konstanz hat kürzlich als erste Stadt in Deutschland den Klima-Notstand ausgerufen: Alle Entscheidungen stellt die Kommune jetzt unter einen Klima-Vorbehalt. Die Initiative kam ebenfalls von der Schülerinitiative „Fridays for Future“. Doch es hat es lange gebraucht hat, bis Klimaschutz und alles was an gesunden Lebensbedingungen dranhängt, jetzt durch die Europawahl endgültig salonfähig geworden ist. Lange war die Zeit trotz warnender Kassandrarufe vieler Wissenschaftler noch nicht reif genug dafür. Das zeigt ein bald 25 Jahre alter Antrag der Gerolzhöfer Offenen Liste (GE-O-L) zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes auf lokaler Ebene. Der stammt nämlich bereits aus dem Jahr 1995. Die Gerolzhöfer Offene Liste, kurz GE-O-L, war als Alternative für Gerolzhofen von 1984 bis 2002 im Stadtrat vertreten, zuletzt jeweils mit drei Sitzen.
Dem Antrag vom Mai 1995 zufolge, sollte sich die Stadt Gerolzhofen verpflichten, in den kommenden Jahren weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes einzuleiten. Konkret hieß es, dass der C02-Ausstoß bis zum Jahr 2005 um 20 Prozent verringert werden soll.
Um dieses Ziel zu erreichen, sollte die Stadtverwaltung beauftragt werden, die Möglichkeiten zur CO2- und Energieeinsparung in kommunalen Gebäuden und Einrichtungen zu prüfen.
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Ferner sollten Maßnahmen zur Senkung des Schadstoffausstoßes im Verkehrsbereich wie die Steigerung des Öffentlichen Personennahverkehrs, die Wiederaufnahme des Personenzugverkehrs auf der Strecke Schweinfurt-Gerolzhofen-Kitzingen, ein innerstädtisches Verkehrskonzept oder die Anschaffung umweltfreundlicher Fahrzeuge im Verbund mit geeigneten Fördermaßnahmen als Anreiz für private und gewerbliche energieeinsparende und CO2-reduzierende Investitionen untersucht werden.
Ein Zwischenbericht der Stadtverwaltung im Lauf des Jahres 1995 sollte das Energie- beziehungsweise CO2-Einsparungspotential der Maßnahmen sowie die Kosten zum Inhalt haben.
Die globalen Bedrohungen von damals und heute
In der Begründung schrieb die GE-O-L-Fraktion als wäre es erst heute gewesen: „Angesichts der globalen Bedrohung des Weltklimas mit den bekannten Auswirkungen (Stürme, Dürre, Hunger, Überflutung von Küstenregionen und Inseln etc.) ist eine große gemeinsame Anstrengung zur Vermeidung von Kohlendioxid notwendig. Insbesondere in den Industriestaaten, die hauptsächlich für den CO2-Ausstoß verantwortlich sind, müssen zahlreiche einschneidende Maßnahmen getroffen werden.“
Neben staatlichen Maßnahmen wie Energiesteuer, Wärmeschutzverordnung, Ökologische Steuerreform, Stopp des Straßenausbaus oder Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel hätten auch die Kommunen verschiedene Möglichkeiten, aktiv zu werden und gegenzusteuern, schrieb die kommunale Liste vor bald 25 Jahren.
Entsprechend der damaligen Selbstverpflichtung der Bundesregierung beim Erdgipfel 1992 von Rio sollte der CO2-Ausstoß in jeder Gemeinde, Stadt oder jedem Landkreis um 20 Prozent bis zum Jahr 2005 verringert werden.
Die Möglichkeiten auf kommunaler Ebene
Mit anderen Worten: Eine Kommune sollte einerseits den CO2-Ausstoß in ihren eigenen Gebäuden und Anlagen um mindestens 20 Prozent senken. Sie sollte andererseits aber auch durch entsprechende Maßnahmen darauf einwirken, dass der Ausstoß im Gemeinde- beziehungsweise Stadtgebiet bei privaten und gewerblichen Anlagen sowie im Verkehr ebenfalls um 20 Prozent zurückgeht.
Da Energiesparen in vielen Fällen kostensenkend sei, werde sich zumindest ein Teil der Investitionen und Maßnahmen wirtschaftlich rechnen und refinanzieren, so die GE-O-L damals in der Antragsbegründung.
Senkung des Energieverbrauchs
Als Beispiele für konkrete Maßnahmen wurden drei Schwerpunktbereiche genannt. Bei den eigenen Anlagen wurde zum Beispiel gefordert: Die Senkung des Energieverbrauchs in städtischen Gebäuden und Einrichtungen durch bessere Wärmedämmung; die Nutzung von Biogasen aus Kläranlage, Deponien und Landwirtschaft zur Wärme- und Stromerzeugung; die Verwendung von Energiesparlampen statt herkömmlicher Beleuchtung in städtischen Gebäuden oder die Überprüfung der Straßenbeleuchtung auf Energieeinsparung.
Im Verkehrsbereich wurde als erste Maßnahme die erwähnte Wiedereröffnung der Bahnstrecke Schweinfurt-Gerolzhofen-Kitzingen für den Personenzugverkehr mit benutzerfreundlichem Anschluss an das Schweinfurter Stadtbussystem genannt. Dazu hieß es konkret: Die anliegenden Gemeinden und Städte müssten hierzu eine Interessengemeinschaft gründen, um Konzepte auszuarbeiten und für den entsprechenden Druck bei Landkreis, Staat und Bahn zu sorgen. Die Kosten müssen aufgeteilt werden.
Außerdem sollten die Verkehrsunternehmen einen Nahverkehrsbund bilden mit dem Ziel: Ein Fahrplan, ein Tarif und eine Fahrkarte für alle Fahrten im Verbund. Auch hierzu ist ein starker Druck aus den Gemeinden notwendig, heißt es in dem Antrag.
Städtische Fördermaßnahmen
Durch die Stadt sollten in diesem Zusammenhang fotovoltaische Solaranlagen (durch Gewährung eines kostendeckenden Tarifs für den ins öffentliche Netz eingespeisten Strom), thermische Solaranlagen (Warmwasseranlagen) oder Windkraftwerke (durch Investitionszuschüsse) gefördert werden. Zur Erleichterung beim Bau von Solaranlagen sollte bereits bei der Bauleitplanung auf Solaranlagen Rücksicht genommen werden, wie etwa durch die Ausrichtung der Dächer nach Süden. Diese Forderung wurde erst jetzt wieder im Stadtrat von Birgid Röder (Geo-net) im Hinblick auf das geplante Neubaugebiet "Nützelbach II" erhoben.
Zur Erläuterung: Zum Zeitpunkt des damaligen Antrag existierten noch die wenige Jahre später an die ÜZ verkauften eigenen Stadtwerke. Die Stadt hätte hier also in verschiedener Hinsicht noch eigenen Handlungsspielraum gehabt.
Die späte Behandlung des Antrags
Mit der Behandlung des Antrags der Offenen Liste ließ sich Bürgermeister Hartmut Bräuer bis Mitte Dezember 1995 Zeit, also über ein halbes Jahr. Es war dann auch eher eine Beantwortung dessen, welche Maßnahmen die Stadt zum damaligen Zeitpunkt in Sachen Umweltschutz und Senkung des CO2-Ausstoßes bereits ergriffen hatte und welche sie gedachte, zusätzlich zu ergreifen.
Zu konkreten Beschlüssen des Stadtrats aufgrund des Antrags kam es nicht. Die Zeit war eben noch nicht reif. Es sollte 25 Jahre dauern, bis durch die von der Wissenschaft lange vorausgesagten Auswirkungen des Klimawandels und die "Fridays for Future"-Bewegung der Klimaschutz sein heutiges Gewicht erlangte, wie sich auch erst jetzt bei der Europawahl zeigte.