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Arm sein ist keine Schande, oder doch?

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Arm sein ist keine Schande, oder doch?

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    Was ist eigentlich arm? Wenn man von dem Sozialhilfesatz lebt und jeden Euro dreimal umdrehen muss, bevor er ausgegeben wird; wenn man seinen Kindern nichts Neues zum Anziehen kaufen kann und immer auf abgetragene Textilien der Verwandtschaft angewiesen ist; wenn man sich überschuldet hat und auf Jahre in diesem Tal bleiben muss? Oder ist auch schon der arm (dran), der wegen sinkenden Einkommens auf den zusätzlichen Skiurlaub und den wöchentlichen Restaurantbesuch verzichten muss? Arm sein ist sicher oft ein relativer Begriff. Er hängt von der Umgebung ab, in der man sich bewegt.

    Tatsache aber ist, dass 2,8 Millionen Menschen in Deutschland von der Sozialhilfe leben, darunter über eine Million Kinder, erläutert Dr. Ludger Heuer, Pressesprecher der Caritas in Würzburg. Tatsache ist auch, dass 25 000 Menschen in Deutschland obdachlos auf der Straße leben. Tatsache ist, dass in Bayern jeder siebte Privathaushalt überschuldet ist. Tatsache ist auch, dass unsere Schuldner- oder Suchtberatungen seit Jahren immer mehr zu tun haben und die Zahl der Bundesbürger, die aufgrund von Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit finanzielle Unterstützung bekommen, jedes Jahr um zwei bis drei Prozent steigt. 2001 waren es 1,5 Millionen Menschen.

    Die sozialen Sicherungssysteme werden immer brüchiger. "Das soziale Klima wird kälter in Deutschland", sagt Dr. Heuer. 4,4 Millionen Arbeitslose, eine lahmende Konjunktur, eine triste Zukunft für die steigende Zahl der Rentner, der Pflegbedürftigen und - auch wohl eine steigende Zahl der Armen.

    Doch, so könnte man einwenden: Selbst die Armen bei uns in Deutschland leben noch besser als die Reichen in vielen anderen Ländern. Das mag in vielen Bereichen stimmen. Sie haben ein Dach über dem Kopf, eine medizinische Versorgung und eine gesicherte Schulbildung. Verhungern müssen sie auch nicht. Doch dann hört es vielfach schon auf. Jeder von uns kennt vielleicht vermeintliche "Sozialhilfeschmarotzer". 287 Euro beträgt der Regelsatz für den Haushaltsvorstand, für jedes weitere Familienmitglied je nach Alter 144 bis 230 Euro. Sind das wirklich Schmarotzer?

    Ein Selbstversuch

    Wollen Sie selbst einmal versuchen, mit den Sozialhilfesätzen klarzukommen? Nicht über ein Wochenende, nein, über mehrere Wochen, denn sonst könnten sie sich aus dem vollen Kühlschrank oder Vorratskeller bedienen. Wenn Sie nach zwei oder drei Wochen alles aufgebraucht haben, gilt:

    *    1.    Kaufen Sie nur zu Fuß in der direkten Umgebung ein, denn ein Auto können Sie sich nicht leisten.

    *    2.    Kaufen Sie nur teure Kleinpackungen ein, denn große können Sie nicht tragen.

    *    3.    Wenn die Haushaltsgeräte kaputt gehen, verzichten sie halt darauf.

    *    4.    Setzen Sie sich in der Schule dafür ein, dass Klassenausflüge Ihrer Kinder preiswert sind.

    *    5.    Reduzieren Sie Ihre Garderobe auf zwei Wechselgarnituren, die jede Woche gewaschen werden müssen, denn ein Griff in den vollen Kleiderschrank ist bei Sozialhilfe nicht möglich.

    *   6. Holen Sie sich bei neuem Textilbedarf einen Berechtigungsschein beim Sozialamt.

    *    7.    Versuchen Sie - am besten mit ihren Kindern - beim Essen in der Suppenküche Kontakte zu Gleichgesinnten zu knüpfen.

    *    8.    Nehmen Sie sich viel Zeit für Schlangestehen im Sozialamt. So werden Sie ein gutes Gefühl dafür bekommen, was ein Bittsteller ist.

    *    9.    Reduzieren Sie ihren Wohnraum auf das gültige Höchstmaß, so dass Sie sich gegenseitig besser auf die Nerven gehen.

    *    10.    Nehmen Sie weder für sich noch für Ihre Kinder Einladungen an, denn Geschenke kaufen ist nicht drin.

    Hilfe tut Not

    Wenn Sie diesen Versuch durchhalten, beurteilen Sie die Situation armer Menschen vielleicht anders. Sie werden dann auch verstehen, warum solchen Menschen geholfen werden muss.

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