
Es ist ein bemerkenswerter, ein denkwürdiger, wohl auch ein historischer Abend, dieser Sonntagabend in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Oberlauringen. Gut 100 Teilnehmer haben sich eingefunden. Auf neutralem Boden im Saal des TSV-Sportheimes. Zur Gemeindeversammlung. Aktueller Anlass: Die harschen Konflikte innerhalb der Kirchengemeinde mit dem Vorstand und seinen Anhängern auf der einen Seite und Pfarrer Dietmar Schmurlack, Vorstandsgegnern und dem nach Wetzhausen abgewanderten Gospelchor auf der anderen Seite. So ist der Versammlungsleiter schon im Vorfeld hörbar bemüht, den Emotionspegel möglichst flach zu halten. „Keine Beleidigungen, keine ins Persönliche gehenden Provokationen“, fordert Dekan Jürgen Blechschmidt von den Anwesenden. Und Bürgermeister Friedel Heckenlauer ermahnt dazu, „mit den Worten sorgsam umzugehen“.
Was folgt, ist der erwartet heiße Abend. Und schnell ist klar: Das Gros der Versammlungsteilnehmer will eine Zukunft mit Pfarrer Schmurlack. Weitere Wünsche und Hauptforderungen der außerparlamentarischen Kräfte, unter denen sich auch Konfirmanden befinden, sind: Genaue Erklärungen dahin gehend, warum der Seelsorger, der sich schon nach einer anderen Pfarrstelle umguckt, bei den Vorstandsmitgliedern keine guten Karten mehr hat. Eine generell bessere Behandlung des mittlerweile gesundheitlich angeschlagenen Geistlichen seitens des Vorstände. Vor-Ort-Antworten der Vorstände auf Fragen. Bruch mit der Oberlauringer Gepflogenheit, Pfarrer vorzeitig zu verabschieden. Und Neuwahlen.

Trotz der Übermacht bleibt der Vorstand rein rhetorisch im Schlagabtausch eigentlich nichts schuldig. Allen voran Birgit Keß. Die will kategorisch klar gestellt wissen, dass es lange dazu brauche, bis ein Kirchenvorstand mit all seinen Pflichten und Rechten überhaupt sage: „Mit dem Pfarrer geht es nimmer“. Und benennt Konfliktbereiche wie Kindergottesdienst, Konfirmandenunterricht und Konfirmandenfreizeit, während Vertrauensfrau Elke Niklaus ob der Forderung nach mehr Transparenz Grundsätzliches sagt: „Sollen wir vom Vorstand jedes Mal im Dorf rumlaufen und fragen: Dürfen wir das entscheiden und beschließen? Macht das der Bürgermeister mit seinen Gemeinderäten? Wenn das tatsächlich so sein soll, dann brauchen wir keine Wahl, keine Politiker, dann brauchen wir gar nichts mehr.“
Kritik an der Arbeit des Pfarrers
Eingangs hat Vorstandsmann Oskar Buchert schon erklärt, wo für den Vorstand die Kern-Problematik liegt: nämlich in der Arbeit des Pfarrers. Der leiste nicht die gewünschte Arbeit und habe es auf wiederholte Aufforderungen hin nicht besser gemacht. Im übrigen sei die Geschichte eigentlich eine Personalgeschichte. Da sei es für den in solchen Fällen zur Verschwiegenheit verpflichtenden Kirchenvorstand nicht üblich, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Genau das tut nach direkter Anfrage aus dem Plenum und 69 Versammlungsminuten dann aber der krank geschriebene Pfarrer. Mit einem ausführlichen Monolog. Dabei entnimmt er „aus den gerade gemachten Äußerungen, dass der Vorstand meint, ich bin sein Laufbursche“. Und macht klar: „Ich bin verpflichtet, mit dem Vorstand zusammenzuarbeiten. Das werde ich auch weiterhin tun. Ich bin aber gleichzeitig auch als Pfarrer Kraft der Autorität der Kirche eingesetzt, ein Amt wahrzunehmen.“ Und: „In meiner Zuständigkeit für die die Bewohner des Hauses Gottes habe ich den Beschlüssen des Kirchenvorstandes widersprochen. Weil ich Euch widerspreche, seid Ihr gegen mich.“ Und den Anwesenden, die für ihn kämpfen, dankt er, lässt aber wissen: „Mein Amt ist nicht abhängig von der Mehrheitsmeinung der Leute.“
„Einigermaßen sachlich“
Nach 96 Minuten ist die Veranstaltung vorbei, ist viel Haupt- und Nebensächliches trotz aufgeladener Gemütslage doch relativ zügig beleuchtet. Und der Dekan dankt dafür, „dass Sie einigermaßen sachlich geblieben sind“. Was nichts daran ändert, dass sich unterm Strich wenig geändert hat. So bleiben die tiefen Gräben in der Kirchengemeinde. Und offene Fragen. Auch jene, welche der Streitparteien in der 800-Seelen-Gemeinde tatsächlich über eine Mehrheit verfügt.
Dass sich der Kirchenvorstand nun mit dem Gehörten in einer Sitzung auseinandersetzen muss, das allerdings ist Fakt.
Der Diskussionszeitraum für diesen Artikel ist leider schon abgelaufen. Sie können daher keine neuen Beiträge zu diesem Artikel verfassen!