Zollstöcke. Seit Corona sind das zwei wichtige Requisiten für Kirchenmusikdirektorin Andrea Balzer geworden. Zwischen ihr und der ersten Chorreihe müssen vier Meter Abstand sein. Zwischen den Chormitgliedern zwei Meter. Der Mädchenchor "Junge Stimmen Schweinfurt", 2013 mit dem Kulturförderpreis der Stadt ausgezeichnet, hat jetzt zum ersten Mal im Evangelischen Gemeindehaus geprobt. Einmal im Monat treffen sich die 25 Mädchen aus ganz Franken im Alter zwischen 9 und 18 Jahren von Freitag bis Sonntag zum Proben, zum Musik erleben, zum Austausch. Bis zu Corona wohnte und probte der Chor im Jugendgästehaus. Dort zu singen geht jetzt nicht mehr, die Räume sind zu klein.

Was zum Beispiel im Martin-Luther-Haus, wenn dort die anderen Chöre der Kantorei St. Johannis proben oder singen, schon Routine ist, nämlich die Abstandsabzirkelung, ist hier im Gemeindehaus noch neu. Deswegen hat Andrea Balzer die Zollstöcke mitgenommen und die Abstände gemessen. Singen, proben, das hat zur Zeit ziemlich viel mit Logistik zu tun, sagt Balzer. Und mit Sicherheit. Ihr Motto: Mit Bedacht und Vernunft. "Ich muss Verantwortung tragen." Dazu gehört auch eine neue Rolle für die Kirchenmusikdirektorin: Die Mahnerin, die auch mal pingelig ist. "Das will ich eigentlich nicht sein, aber ich muss es jetzt."
Ungewohnter Klang für die Chormitglieder
Mit ihre Kantorei probt sie in zwei Gruppen mit jeweils bis zu 26 Personen. "Die Proben sind gut besucht", sagt sie. "Die Chorsänger freuen sich aufs Musizieren." Es gibt viel Neues, an das man sich gewöhnen muss. Sie an das Headset, das sie bei Proben in St. Johannis trägt. Der Chor an den ungewohnten Klang. "Man hört sich nicht selbst, wenn man nebeneinander sitzt."
Probt die Kinderkantorei, stellen Mütter das "Sicherheitsteam". Sie achten darauf, dass die Kinder die Abstände einhalten, die Masken tragen, wo es gefordert wird. Und die Kinder? Die seien mit Begeisterung bei der Sache und hielten sich an die Regeln. "Es ist herzallerliebst, wie die Kinder das machen. Da geht einem das Herz auf."
Was allen Sängerinnen und Sängern wohl sehr fehlt: das miteinander reden. "Das Soziale ist sehr wichtig in den Chören", sagt Balzer: "Singen verbindet." Plaudern, zusammenstehen, das geht jetzt nicht mehr. Aber man müsse auch an die Leute denken, die jetzt kaum noch soziale Kontakte haben, man sollte nicht auf hohem Niveau jammern.

Singen verbindet: Das gilt auch für die Proben. Da ist das Distanzhalten auch etwas ungewöhnlich für beide Seiten. "Beim Singen geht es auch um Emotionen", sagt Andrea Balzer. Deswegen ist jetzt der Augenkontakt so wichtig. Übrigens auch für die Momente mit Maske in und außerhalb der Proben: "Man kann auch mit den Augen lächeln."
ZDF-Gottesdienst am 22. November abgesagt
Was auch noch schwierig ist: Planen. Am Sonntag, 22. November, wollte das ZDF einen Gottesdienst aus St. Johannis übertragen. Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm sollte predigen, die Sänger hatten sich sehr auf einen Auftritt gefreut. Der Termin wurde jetzt abgesagt. Aufgrund der Corona-Situation in Mainz habe das ZDF-Team in einer Krisensitzung beschlossen, Mainz in den nächsten drei Monaten nicht mehr zu verlassen. Für Weihnachten laufen aber trotzdem Planungen. Sieben Gottesdienste an Heiligabend, zum Beispiel, damit möglichst viele Leute kommen können. Vor St. Johannis sind drei Open-Air-Gottesdienste geplant. "Die Chöre könnten im Freien singen oder wir übertragen aus der Kirche."
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