So schnell kriegen sie ihn da nicht raus: Bibliothekar Schüttlöffel stand 30 Jahre zwischen den Regalen, nun soll sein Bücherhort dichtgemacht werden. Im Occupy-Stil besetzt er das eigene Domizil. Es droht die Frühverrentung, bestenfalls die Weiterverwendung in einem Projekt.
„Der kaltwütige Herr Schüttlöffel“, es ist das neueste Projekt des Kölners Thomas Freitag, bekannt als Kabarettist und Parodist alter Schule, ein Demagoge mit Lautsprecher, im Auftrag des Humanismus. Sein anderes Ich findet sich vom SEK umstellt. Verschanzt hinter Büchern und klassischer Bildung, ein freundlich-kauziger Ignorant mit Fliege und Biedermeier-Weste, könnte der Herr Schüttlöffel einem Gemälde von Carl Spitzweg entsprungen sein: „Der Bücherwurm“. Ein Wurm, der sich windet: Es geht ihm um echte Freiheit, gegen egalitären Mainstream und geistige Verflachung im „Land der Dichter und Denker“. Um das Recht auf Übergewicht etwa: „Liberté, Egalité, Pommes Fritte“ - als Imbissbudenbesitzer kämpft er für seine Kartoffelstäbchen, so fettig und hart wie Libello-Stifte.
Gegen radikale „Salatisten“. Kohls Wampe, was war das noch für ein Überhangmandat im Bundestag? Heute verspricht Mama Merkel, dass alles gut wird, natürlich alternativlos, der Bundes-Papa lässt sich demnächst vielleicht im Gauckomobil feiern.
Karl Marx tritt auf und erliegt turbokapitalistischem Charme, in Form chinesischer Billigtennissocken. Schiller darf sich vom modernen Verleger seine „Räuber“ umschreiben lassen: Ganz nett, aber warum nicht mit neuer Heldin Karla Moor, Typ Wanderhure, als Adels-Schmonzette in Cornwall, plus skandinavischem Killer im Neoprenanzug?
Wie wär's generell mit Sponsoring für Weltliteratur: „Madame Bovary“, präsentiert von Viagra und Elitepartner.de?
Kafkas Schimpanse gibt die Fortsetzung seines „Bericht an die Akademie“, klassische Satire vom sich selbst zähmenden Primaten: Die Rück-Degenerierung des Menschen zum Affen, verkrümmt am Computer, verdummt in der Massenabfertigung, bislang einmalig in der Evolutionsgeschichte.
Dem Publikum gefällt's, auch wenn die Kritik manchmal hilflos wirkt: Stand am Anfang der Entwicklung, die der Schöngeist voll kalter Wut beklagt, nicht auch der Ruf nach Freiheit?
Jede Revolution frisst halt früher oder später ihre Kinder, nicht nur die Pommesbuden. Uwe Eichler