Kurz vor sieben Uhr: Eine lange Schlange hat sich vor der Disharmonie gebildet. Nanu? Hat sich etwa Monty Python zu einem kurzfristigen Comeback in der Kulturwerkstatt entschlossen? Nein, nein, die britische Komikergruppe hat sich ja bekanntlich im vergangenen Sommer aufgelöst. Doch die, die um kurz nach halb acht die kleine Bühne im ersten Stock des roten Häuschens stürmen, haben es ebenfalls faustdick hinter den Ohren.
Es sind die zehn Mitglieder der Theatergruppe der offenen Behindertenarbeit (OBA), die zusammen mit ihrer Regisseurin Angelika Scheidig dafür sorgen, dass der Saal bis auf den letzten Platz besetzt ist. Und nicht nur das: Jeder noch so winzige Freiraum wird als Stehplatz genutzt. Niemand will sich dieses Bühnenspektakel entgehen lassen. Dass sich das Ausharren im Stehen wirklich lohnt, ist schon nach den ersten Minuten klar. Denn das, was die Schauspieler auf die Kleinkunstbühne zaubern, ist wirklich aller Ehren wert. Ihre Neuinterpretation der Spyri-Klassiker rund um „Heidi“ mit dem klangvollen Namen „Und die Heidi gibt es doch!“ reißt nämlich auch das sitzende Publikum von den Stühlen.
Warum? Auch wenn der Inhalt den Meisten schon von Kindesbeinen an bekannt ist, hält das Stück in feinster Monty-Python-Manier alles bereit, was das Bühnenschauspiel ausmacht. Unerwartet frische Dialoge, gepaart mit lustigen Tanzeinlagen, abgerundet von singenden Zicklein. Kurzum: Es ist einfach großes Theater.
Den Darstellern gelingt es trotz großen Publikum, ihr Lampenfieber auszuschalten. „Natürlich war ich vor der Aufführung aufgeregt und musste mich ganz schön runterschrauben. Gut, dass ich die Anderen nicht angesteckt habe“, lacht Vicky West, die in ihrer Rolle als Baum brilliert. Der Baum, normalerweise als eher ruhiger Geselle bekannt, hält in dem wunderbar komischen Stück die Fäden in der Hand und sorgt lautstark wieder für Ordnung, wenn ein Künstler mal aus seiner Rolle zu purzeln droht.
Denn genau da liegt laut Regisseurin Angelika Scheidig die Krux. Sie hatte der Gruppe in Sachen Dialoge viel Freiraum gelassen, den die Akteure mit einer gehörigen Dosis Fantasie füllten. „Ich weiß darum, dass auf der Bühne immer ziemlich viel experimentiert wird“, erklärt Scheidig, „man weiß halt nie genau, wie sie sich auf der Bühne verhalten.“
Dass so mancher Dialog ganz unerwartet in die Alpenidylle hereinplatzt, hat aber auch seinen ganz eigenen Charme: Wanderer, die beim Bergabstieg ihren „Gegenverkehr“ übersehen und sogleich ihre Unachtsamkeit mit einem lauten „T'schuldigung“ bedauern, täten auch den britischen Großmeistern des messerscharfen Humors ganz gut. Dass der Ziegenpeter, der sich ganz rührend um seine vielen kleinen Zicklein kümmert, in seiner Freizeit über alle möglichen Themen philosophiert, rundet den Plot in außergewöhnlicher Weise ab.
Bis ein solches Theaterstück auf die Beine gestellt werden kann, vergeht natürlich auch seine Zeit. Seit Oktober hatten sich die Hobbyschauspieler einmal wöchentlich zum Proben getroffen, gemeinsam den Inhalt besprochen und das Bühnenbild gestaltet. „Wir haben ganz viele Bausteine zusammengefügt, das kostet natürlich auch Zeit“, so Ingrid Licha, die seitens der offenen Behindertenarbeit für die Theatergruppe verantwortlich ist.
Das Herzblut der kleinen Theaterfamilie honorierten die beeindruckten Zuschauer abschließend mit lang anhaltendem Applaus. Sicherlich hätten sich auch Monty Python verneigt – nachdem sie sich die Freudentränen aus den Augen gewischt hätten.