Schwester Dietheide blickt besorgt, ins Internet. Die Warenhauskette Galeria Kaufhof hat gerade angekündigt, 52 Filialen zu schließen. "Ist Schweinfurt auch betroffen?" Die Franziskanerin klickt auf die Onlinekarte.
Nein, die beiden verbliebenen Ordensschwestern sind der Welt nicht entrückt, in ihrem Domizil ein paar Schritte hinter dem Rathaus, in der Conrad Celtis-Straße 2, über dem ehemaligen Kindergarten. Im Erdgeschoss herrscht wieder Leben, vor kurzem wurde eine Gruppe untergebracht, mit Wipfelder Nachwuchs. Schwester Dietheide wird demnächst 85, das Alter macht sich so langsam doch bemerkbar, bei der langjährigen Oberin. Mitschwester Gerhild Schielein (81) fungiert auch als Betreuerin.

1863 kamen die ersten Schwestern nach Wipfeld
Die Atmosphäre im Schwesternhaus, das der Gemeinde gehört, ist eine Mischung aus Klosterandacht und WG. Alles wirkt bescheiden, schlicht, sauber und ordentlich. Über eine schöne alte Holztreppe geht es hinauf in das Refugium der Ruheständlerinnen, die ihren Alltag selbst organisieren, zwischen Früh- und Abendgebet. Auf dem Tisch stapeln sich die Ordner mit der Chronik. 160 Jahre wird die kleine Gemeinschaft im Herbst alt. Am 22. Oktober 1863 sind die ersten Dillinger Franziskanerinnen in den Marktflecken gekommen. Deren Kinderbewahranstalt war erst oben auf dem Kirchberg, später in einem Fachwerkbau am Rathaus untergebracht, der 1953 durch einen Neubau ersetzt worden ist. Kleinkinder und Schüler wurden betreut, eine Zeitlang auch Kranke gepflegt. Dietheide und Gerhild haben sich lange um die Kirchenwäsche der Pfarrei gekümmert.
Viele Jubiläen werden nicht mehr gefeiert werden, Nachfolgerinnen sind keine mehr in Sicht. Dietheide sieht es es realistisch: "Wir sind nun einmal ein tätiger Orden." Die Jungen würde es in die strengen Klöster ziehen, während die caritativen Tätigkeiten der Franziskanerinnen immer mehr von weltlichen Einrichtungen übernommen worden seien. Aus drei Ordensprovinzen in Deutschland sei mittlerweile eine geworden, mit nicht ganz 400 Mitgliedern. Außerdem gibt es noch Niederlassungen in Indien, Brasilien und Nordamerika.
Früher war das Klosterleben eine Befreiung für die Frauen
Die Zeit steht ein wenig still, in der Schwesternwohnung, ein schmaler Gang mit Nebenräumen, Waschmaschine inklusive. Eine Hauskapelle erinnert daran, dass man sich in einer Ordensniederlassung befindet. Gegründet wurden die Dillinger Franziskanerinnen schon 1241, im Kneippstädtchen an der Donau, als Teil einer religiösen Bewegung, die sich Armut und Hilfe für Bedürftige auf die Fahne geschrieben hatte, mit fast schon feministischem Touch.
Im Mittelalter war das Klosterleben für Frauen wohl oft auch Befreiung: von materieller Not, vom strengen Regiment der Ehemänner, ein Leben in Gemeinschaft und Gelehrsamkeit. Einen Sympathiebonus haben die Töchter und Söhne des Heiligen Franz von Assisi bis heute, der den wenig älteren Männerorden gegründet hat. Beide Schwestern sind in einer Zeit aufgewachsen, als Glaube noch fest verwurzelter Alltag war, auf dem Land. Schwester Dietheide hat die letzten Kämpfe 1945 in Höchstadt an der Aisch erlebt, ihrem Heimatort.
Als erste Schwester in die Bütt gestiegen
Der Pfarrer sei einer der ersten gewesen, der beim Ausbessern der Schäden geholfen habe, erinnert sich die Landwirtstochter, die in einfachen Verhältnissen aufgewachsen ist. Die tiefgläubige Mutter habe nicht mitgemacht, im "Dritten Reich", mit kleinen Gesten des Ungehorsams. Mal soll sie ein Kennzeichen am Fuhrwerk verweigert haben, aus Protest gegen den Kriegsdienst des Ehemanns, mal das Kind im Arm gehalten haben, um auf Versammlungen den Nazigruß zu umgehen.

"Beim heiligen Franz von Assisi, trinken wir ein bissi": Schwester Dietheide erinnert sich an einen frommen Trinkspruch. "Beim Heiligen Franz Xaver trinken wir ein bissi mehr. Beim Heiligen Franz von Sales, trinken wir alles!" Natürlich alles mit rechtem Maß. Als Dietheide 1986 nach Wipfeld gekommen ist, da war sie als erste Schwester in der Bütt und bei der Weinlese dabei. Schwester Gerhild stammt aus Spalt bei Nürnberg, als Tochter von Hopfenbauern. "In Spalt, in Spalt. Da wern die Leut gar alt", fällt Schwester Dietheide der nächste Slogan ein. "Sie können nix dafür, das macht das gute Bier." Bis zu 100 Kinder hat sie betreut, in ihrer Zeit als Kindergärtnerin. In Mittel-, Ober- und Unterfranken war die Erzieherin aktiv: "Ich bin eine dreifache Fränkin".
Die große Freiheit im Ordensleben
Auf die Idee, besitzlose Franziskanerin zu werden, hat Dietheide eine Lehrerin gebracht, Schwester Montana. "Unseren Herrgott dienen, das mach ich" - den Gedanken hatte sie schon mit 13. Die Mutter war skeptisch: "Du musst aber auch würdig sein." Schwester Montana habe eine einfache Antwort gehabt: "Kein Mensch ist würdig." Auch die Schulkosten bereiteten der Familie Sorgen. Dafür gab es eine Ausbildung, von der ein Bauernkind wie sie sonst nur hätte träumen können, in Dillingen. Gerhild Schielein wollte nicht zuletzt Ordensschwester werden, weil es ihrer Mutter versagt worden war. Gelernt hat die einstige Kindergärtnerin im Kloster Maria Medingen.

Bis 2013 waren die Wipfelderinnen noch zu dritt, mit Schwester Liberta, die nun im ordenseigenen Seniorenheim Lohr Sendelbach betreut wird. Ganz früher, zur Zeit der Klausur, da hätte es immer auch eine Kandidatin im Ort gegeben, eine ungeweihte Anwärterin, berichtet Dietheide: "Die Schwestern durften ja nicht ins Geschäft." Vieles sei lockerer geworden, sagen die beiden, selbst die Tracht. Bis in die 1990er wurde das strenge Nonnengewand getragen, mit Flügelhaube, was schon unpraktisch gewesen sei, bei Regen oder beim Autofahren. Die Glaubenszuversicht und das Fehlen der Ängste, die "materielle" Menschen plagen: Für Schwester Dietheide ist das die große Freiheit im Ordensleben.