Ein außergewöhnliches Urteil hat Wolfgang Götter, Vorsitzender Richter am Landgericht Schweinfurt, gefällt. Der Energieversorger Innogy aus Essen muss der Unterfränkischen Überlandzentrale (ÜZ) aus Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) eine halbseitige Anzeige in der Main-Post-Ausgabe Gerolzhofen bezahlen, die den Wortlaut des Endurteils aus Schweinfurt in einigen Passagen wiedergibt.
Das Urteil (Aktenzeichen 5 HK O 40/16) besagt, Innogy, eine Tochter des Energieriesen RWE, habe es zu unterlassen, „im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Strom (...) Kunden der Klägerin in deren Privatwohnung“ zu besuchen und dort einen Strom-Preisvergleich zwischen dem Grundversorgungstarif der ÜZ und dem Innogy-Produkt SmartLineStromDirect vorzunehmen. Bei diesem Vergleich wurde bei einem angenommenen Jahresverbrauch von 5400 Kilowattstunden eine Ersparnis von 228 Euro im Jahr durch das Innogy-Produkt vorgerechnet. Das darf laut Gericht nicht sein, „wenn dies nicht der Wahrheit entspricht“.
Ordnungshaft angedroht
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsurteil droht ein Ordnungsgeld bis zu 250 000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.
Ursache für den Rechtsstreit zwischen ÜZ und Innogy war ein Haustürbesuch eines Werbers mit besagtem Preisvergleich. Der betroffene Kunde meldete der ÜZ den Vorfall – und die entschied sich für den Gang vors Gericht. Ein weiterer Grund, auf Unterlassung zu klagen, war, dass der Werber an der Haustüre den Preisvergleich auf Basis des Grundversorgungstarifs der ÜZ berechnete. Das aber ist der höchste Tarif, den nur ganz wenige unter den rund 58 000 Kunden des Lülsfelder Versorgers haben. Weil dieser gesetzliche Pflichttarif teurer ist, kann er innerhalb von zwei Wochen gekündigt werden. Auch darauf hätte der Werber bei seinem Vergleich laut Gerichtsurteil ausdrücklich hinweisen müssen.
Nun hätte eine erfolgreiche Klage wegen Unterlassung der ÜZ wenig gebracht, wenn das Urteil bei den Akten geblieben wäre. Das Besondere an dem Endurteil ist deshalb, dass es per Zeitungsanzeige auf Kosten der beklagten Innogy veröffentlicht wird. Das impliziert, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, vor ähnlichen Vorfällen gewarnt und geschützt zu werden. Insofern ist die Veröffentlichung für Innogy wohl schmerzlicher als die 1848 Euro netto, die die Anzeige in der Samstagsausgabe kostet.
Zur Klarstellung: Rein wettbewerbsrechtlich muss Innogy selbst gar keine Schuld auf sich geladen haben. Ein Anbieter ist jedoch voll verantwortlich für das, was in seinem Namen und mit seinem Werbematerial geschieht.