„Aufklärung ist die Befreiung des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“. Klingt gut, der Kant. Nur, wer will sowas schon? Die Sigrid hat anderes im Sinn, im Lektürekreis, auf der Bühne der Disharmonie. Sie braucht dringend einen Mann. Denn: „Bei den Philosophen ging es auch nur um Sex“. Ein Triebstau, den im Publikum der Wilfried und vor allem der Rolf zu spüren bekommen.
„Geradeaus im Kreisverkehr“ nennt sich das Kabarett-Programm von Eva Eiselt. Nicht zum ersten Mal beschäftigt sich die Rheinländerin am Main mit dem gnadenlosen, narzisstischen Selbstdarsteller namens Mensch. Es sind moderne Fabeln, die hier von personifizierter natürlicher Unschuld beäugt werden: einer Hasenmutti mit Kind. Zu bestaunen gibt es etwa eine Karrieretussi, die sich am Streicheltelefon mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben beschäftigt. „Artificial Communication Design“ zum Beispiel, oder Fragen wie: Bin ich verheiratet? Habe ich Kinder? Und wie erklär ich dem selbstentwickelten Sprachprogramm der Bahn, dass ich ein Ticket von „MünCHÄNNN“ nach „DüsSÄÄÄLdorf“ kaufen möchte?
Wieder ein wahres Meisterwerk: die Neujahrsansprache der Kanzlerin. Angie plaudert, voll verkrampfter Lockerheit, beide Mundwinkel im Anschlag, mit ihrem Schweinfurter Volk. 2014 geht es, da merkt man den Einfluss des „Dschungelcamps“, um Intimes. Schweinfurt wünscht sich bescheiden einen „Berg mit Schnee“. Angie träumt insgeheim davon, Prinzessin zu sein. Klagt über jüngste Probleme mit der Fraktion: der Interfraktion beim Skifahren. Im letzten Traum war die kindliche Kanzlerin, habemus mamam, Päpstin, hatte nichts an, außer Skiern und wurde dabei von „Mubarak Obama“ abgehört, mit dem Stethoskop. OMG: Oh mein Gott. Die FDP ist real draußen, das war zu erwarten: Merkels (vom Stasi-Mitarbeiter geschriebene) Doktorarbeit drehte sich schließlich um den „Mechanismus von Zerfallsreaktionen“. Es geht ums Ministerwichteln, sprich Postenschachern: „Mit Pofalla hat die Bahn endlich auch mal eine schwarze Null.“ In weiteren Szenen trifft Tai Chi mit Bandscheibenvorfall auf das „Ti amo“ einer echten Schreckschraube: Deren Liebeswahn endet wieder in Stress für Rolf.
Auch in Zukunft wird die Kölnerin dem Thema treu bleiben: „Neurosen und andere Blumen“ heißt das nächste Programm. Als Entschädigung erhält das Daueropfer in der ersten Reihe schon jetzt eine Rose, mit einem Tütchen Schnittblumen-Frisch.
„Geradeaus im Kreisverkehr“ ist knackig-cleveres Typen-Kabarett, ebenso bodenständig wie anspruchsvoll, Satire erster Sahne. Ganz am Schluss knabbert noch einmal die Hasenmutter an der Möhre. Erklärt ihrem Nachwuchs, dass die Hasen es nicht mehr lange aushalten müssen mit diesem Menschenvolk. Das läuft nämlich wie bei den Seerosen. Die vermehren sich in ihrem Teich exponenziell: Erst sind's zwei, dann vier, dann acht, am Ende ist der ganze See zugewuchert, und alle gehen zugrunde.
Die Moral von der Geschichte?: „Menschen sind wie Seerosen. Nur nicht so schön.“ Was soll man zu so viel kabarettististischer Weisheit noch sagen? Applaus.
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