Die Disharmonie platzt aus allen Nähten, an Jürgens Bar drängen sich die durstigen Seelen, in der ersten Reihe küsst sich hingebungsvoll ein Pärchen. C'est la vie – wir sind Gäste des Ensembles „Café de la mer“, das uns bei seinem samstäglichen Konzert mitnehmen will auf einen musikalischen Trip um die Welt. Hier sind die Reiseführer: Die Sopranistin Nicole Schömig, der Gitarrist Werner Küspert, der Akkordeonist Gerd Semle und der Bassist Dirk Schade.
Die Musik des Quartetts besteht aus einer zumindest eigenwilligen Mischung aus gepflegter Unterhaltungsmusik, Chansons, aber auch Jazz, für den der Gitarrist Werner Küspert mit seinen zupackenden Improvisationen zuständig ist. Sein Spiel bereichert den Abend mit Dynamik und Spannung. Eine bekömmliche Melange der moderaten Art also – oder wie eine Besucherin nach dem Konzert bilanziert: Ein kuschliger Abend.
„Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ behauptet kess die junge sympathische Sängerin Nicole Schömig in ihrem Auftrittslied. Heute darf sie das singen: Gerd Semle, liebenswürdiger Conferencier, erzählt nämlich vorher, dass dieser Schlager aus dem 1938-Film „Tanz auf dem Vulkan“ vom Reichspropaganda-Minister Joseph Göbbels als Schallplatte verboten wurde - „das deutsche Volk schläft nachts“. Politisch korrekt dann die Rumba „Petticoats of Portugal“ und Charles Trenets „La Mer“, dem Werner Küspert mit seinen fließenden Gitarren-Improvisationen eine neue Note gibt.
Nicole Schömig als ausgebildete Opernsängerin pflegt einen arios-opulenten Gesangsstil, der dramatischen Songs wie „Bei dir war es immer so schön“ oder Edith Piafs „Hymne a l'amour“ Schönheit und Nachdruck verleiht. Jazztiteln wie „It's only a papermoon“ oder Hits wie „Tico, Tico“, „Volare“ oder „Quizas“ dagegen würde eine etwas lebendigere Präsentation und eine rhythmischere Phrasierung sicher gut tun.
Mit dem Musette-Walzern „Petite Minouche“ und „Mesange Bleu“ zaubert Gerd Semle unbeschwerte Frühlingsstimmung in den Saal. Der Klang seines Akkordeons, sein brillantes Spiel und die beschwingten Melodien flüstern von Leichtsinn und einem Bummel über die Champs Élysées. Dirk Schade am Kontrabass, gefragter Sideman der süddeutschen Jazzszene, bleibt bei diesem Wohlfühlprogramm trotz einiger Soli dezent im Hintergrund, sorgt für das rhythmische Fundament. Wunderschön gestalten die Vier Carlos Gardels Tango „El Dia que me quieras“, voller Power erklingt Kate Bush's „Wuthering Heights“. Von Sehnsucht nach der Liebsten erzählt Antônio Carlos Jobins „Dindi“, virtuos dann Richard Gallianos „Waltz for Nicky“ und als Zugabe „Malena“. Großer herzlicher Applaus. Manfred Herker