2005 konnte die SPD bei der Bundestagswahl in der Stadt Schweinfurt noch ihre Hochburgen Gartenstadt und Bergl verteidigen. Seit Sonntag ist nur noch die Gartenstadt rot. Mit 30,3 Prozent bei den Zweitstimmen liegt die SPD in der Gartenstadt mit nur fünf Stimmen vor der CSU, die 29,9 Prozent erreichte. Besonders stark mit über 40 Prozent schnitt die CSU auf der Haardt und im Deutschhof ab. Ihre schlechtesten Ergebnisse fuhren die Konservativen in der Gartenstadt und auf der Eselshöhe ein.
Die Sozialdemokraten schafften die 30-Prozent-Hürde nur in der Gartenstadt. Am Bergl reichte es nur noch für 25,1 Prozent. Keine 20 Prozent kamen im Musikerviertel, in Oberndorf, im Gebiet Hochfeld-Steinberg und auf der Haardt für die SPD zusammen.
Linke: In Schweinfurt vor der FDP
Die Linke liegt in Schweinfurt mit 13,9 Prozent klar vor der FDP (11,2%) und den Grünen (8,9 %). Klaus Ernst und seine Mitstreiter kamen am Bergl und im Musikerviertel sogar über 20 Prozent, einstellig blieben sie nur auf der Haardt. Mit 17 Prozent ist die Haardt die Hochburg der FDP, die am Bergl, in der Gartenstadt, im Musikerviertel und in Oberndorf unter zehn Prozent landete. Die Grünen schnitten zweistellig auf der Eselshöhe und im Bereich Hochfeld-Steinberg ab.
Bei den Erststimmen wurden 485 ungültige Stimmen herausgezählt, bei den Zweitstimmen 377. Michael Glos (CSU), Frank Hofmann (SPD), Klaus Ernst (Linke) und Frank Hofmann von der Bayernpartei lagen mit ihren Erststimmen über dem jeweiligen Parteiergebnis, die anderen Direktkandidaten darunter.
CSU: Herbe Verluste erlitten
„Das Wahlergebnis ist für die CSU enttäuschend, wir haben herbe Verluste erlitten“, gestand ihr unterfränkischer Vorsitzender, der Wahlkreisabgeordnete Michael Glos. Doch hätten Union und Liberale für die nächsten vier Jahre eine tragfähige Mehrheit. Die sei zwar nicht komfortabel breit, was aber zu großer Disziplin zwinge, nämlich dazu, die Sachprobleme anzugehen. Und welches Gewicht hat die CSU in Berlin noch angesichts einer vor Kraft strotzenden FDP, die doppelt so stark ist wie sie selbst? Westerwelle sei klug genug, um zu wissen, dass eine Koalitionsregierung nur mit Kompromissfähigkeit funktionieren könne.
MdL Gerhard Eck zeigte sich „überglücklich“ über das Wahlergebnis, insbesondere darüber, „dass die Linken nicht in die bundespolitische Verantwortung kommen“. Zur starken Liberalen sagte er, diesen Umstand könne man nicht unter den Tisch kehren. Die CSU müsse das rechnerisch verloren gegangene Gewicht durch Diplomatie und Verhandlungsgeschick ausgleichen.
Der CSU-Kreisvorsitzende Hans Gerhard Stockinger sagte, das Ergebnis der CSU erfordere Analyse und Diskussion. Es zeige, „dass die Leute mit der Politik der CSU in Bayern nicht zufrieden sind“. Bei Wahlveranstaltungen und an den Ständen sei immer wieder die Frage aufgetaucht: „Können wir der CSU noch vertrauen und macht sie morgen auch, was sie heute verspricht?“ Die Partei müsse sich dieser Herausforderung stellen und analysieren, was sie künftig besser machen könne.
Positiv bewertet Europaabgeordnete Anja Weisgerber die schwarz-gelbe Gestaltungsmehrheit in Berlin, sogar ohne Überhangmandate. Dass die CSU erheblich verloren hat, erklärt sie mit der massiven Zweitstimmenkampagne der Liberalen, die offenbar gefruchtet habe.
SPD: Eine Katastrophe
Geschmückt war der Biergarten im Gasthaus Dürr am Bergl zur „Wahlparty“ der SPD einwandfrei. Hier ein Plakat von Steinmeier, dort eines des lokalen Bundestagsabgeordneten Frank Hofmann, überall SPD-Fähnchen, rote Tischdecken. Als die erste Hochrechnung am Sonntag kurz nach 18 Uhr aber über die aufgestellte Großleinwand flimmerte, waren nur sieben, acht Genossen anwesend. So als hätten sie geahnt: Das wird heute nichts.
Die Schweinfurter SPD-Vorsitzende Kathi Petersen war aber da, zeigte sich gerade wegen der zuletzt besseren Prognosezahlen „tief enttäuscht“. Schwarzgelb, das Hauptziel, habe man nicht verhindert, „das ist fatal für unser Land in den nächsten Jahren“, sagte die Stadträtin mit eiserner Miene. Schockiert ist auch die Landesvorsitzende der Jusos Marietta Eder: „Eine Katastrophe“.
Mit anderen Schweinfurter Jusos ist sie Samstagnacht noch durch Kneipen gezogen, um junge Leute zur Wahl zu animieren. Und jetzt „wird Grafenrheinfeld verlängert und der Mindestlohn rückt in weite Ferne“. Petersen sagt, dass die SPD jetzt in der Opposition ihr Profil schärfen muss, Eder verlangt eine schonungslose Analyse beim Bundesparteitag im November: „Die SPD muss wieder eine Volkspartei werden“. Später kommt Europaabgeordnete Kerstin Westphal zum Bergl. Das Wahlergebnis nennt sie schrecklich, mit den Linken gelte es, sich ab sofort inhaltlich auseinanderzusetzen. Der Fraktionschef im Stadtrat, Joachim Schmidl, spricht von „meinem bittersten Abend als Mitglied bei der SPD“, einem folgenreichen Abend für die Bevölkerung, der eine „völlig neue Politik“ bevorsteht.
Die Linken sind im Alevitischen Gemeindezentrum in der Wirsingstraße hinterm Hauptbahnhof zusammengekommen, und das in großer Zahl. Als ihr Wahlerfolg um 18 Uhr eingeblendet wird, klatschen die über 80 Anhänger im vollen Saal minutenlang. Kreisvorsitzender Frank Firsching verrät, dass er entgegen der Prognosen mit einem solchen Erfolg gerechnet habe. Schwarzgelb nennt er aber „absolut enttäuschend“. Jetzt würden die Arbeitnehmer „abgezockt“, die Sozialleistungen gekürzt und die von Steuern entlastet, die das „nicht brauchen“. Am Beispiel der Firma Schaeffler machte Firsching fest, dass eigentlich „mehr Mitbestimmung nötig“ sei, die werde es jetzt aber nicht geben. „Das Ergebnis ist auch für mich als Gewerkschafter eine Katastrophe“, sagte Firsching, hier in seiner Funktion als DGB-Regionschef. Viele Wähler von Schwarz-Gelb würden bald merken, dass sie den Bock zum Gärtner gemacht haben, meint Stadtrat Sinan Öztürk. Kollegin Carmen Starost kann die Zuwächse bei den Liberalen nicht verstehen und erwartet „schlimme Jahre“.
„Wir haben das Hauptziel, Schwarz-Gelb zu verhindern, nicht erreicht“, sagte Hans Plate, Direktkandidat der Bündnisgrünen. Auf seine Partei werde viel basisdemokratische Arbeit zukommen, wenn er etwa an den Ausstieg aus der Atomenergie und der Gentechnik denke. Mit dem eigenen Abschneiden könnten die Grünen zufrieden sein.
Piraten: Über 3000 Wähler
Die Piratenpartei, die bundesweit mit 2,0 Prozent das beste Ergebnis aller Splitterparteien geholt hat, kam im Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen auf 2,1 Prozent: 3076 Wähler haben bei ihr das Kreuzchen gemacht. Die Republikaner – in Stadt- und Kreistag vertreten – spielten bei der Bundestagswahl keine Rolle: In Schweinfurt holten sie 1,0 Prozent und im Landkreis 1,4 Prozent.