Ein Abend im August 2020: In der Schweinfurter Wohnung einer mehrköpfigen Familie klingelt es an der Tür. Kurz darauf kommt es wegen eines abhanden gekommenen Kopfhörers zu einer körperlichen Auseinandersetzung im Treppenhaus. Als das Ehepaar der Wohnung den Streit zwischen dem 15-jährigen Sohn und dem Besucher mitbekommt, greifen Mutter und Vater folgenschwer ein. Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft soll die Mutter an den Haaren des für sie fremden Jugendlichen gezogen haben, der Vater habe ein 19 Zentimeter langes blaues Küchenmesser mitgeführt und ihm damit mindestens einmal auf den Hinterkopf eingestochen.
Außerdem soll er ihm das Messer drohend an seinen Hals gehalten haben. Zudem habe er den Geschädigten mit Faustschlägen, einer Kopfnuss und dem Knie im Gesicht getroffen. Dadurch erlitt dieser eine stark blutende Stichverletzung, Prellungen sowie "nicht nur unerhebliche Schmerzen", führte die Staatsanwaltschaft aus. Aufgrund dieser Anschuldigungen musste sich der 44-jährige Familienvater, der mit Handschellen in den Sitzungssaal geführt wurde, wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Schweinfurter Schöffengericht verantworten.
Geschädigter aus Angst nicht anwesend
Der Geschädigte selbst war am ersten Verhandlungstag nicht anwesend. Laut Aussagen seiner Mutter habe er im Vorfeld Drohungen erhalten. Aus Angst sei er deshalb in sein Heimatland gereist. "Mein Mandant will zum Sachverhalt keine Angaben machen", sagte wenig später die Verteidigerin des Angeklagten. Zu Wort kamen in der Verhandlung jedoch zahlreiche Zeugen. Allen voran Ehefrau und Sohn des Angeklagten, deren Aussagen einige Zweifel bei Richter und Staatsanwalt aufwarfen.
Denn beide Zeugen bestritten, dass es einen Angriff mit dem Messer gab. Vielmehr habe man sich gewehrt, da der Besucher, der die Kopfhörer abholen wollte, unvermittelt zugeschlagen haben soll. Laut Aussagen des Sohnes kam die Schnittverletzung am Hinterkopf des Opfers vom Briefkasten, an den ihn der Vater geschubst haben soll. Doch die Aussagen des Opfers bei der Polizei beschrieben ganz klar ein blaues Küchenmesser. "Wie kann es denn sein, dass der Geschädigte von dem blauen Küchenmesser wusste, obwohl er es gar nicht gesehen hat?", fragte sich der Richter.
DNA-Spuren am Messer festgestellt
Zudem stellte die Rechtsmedizin DNA-Spuren des Opfers am Küchenmesser fest. "Vielleicht kamen diese Spuren durch meinen Sohn später auf das Messer, als er in der Küche geholfen hat", sagte die Mutter. Doch der Staatsanwalt machte schnell deutlich, dass er ihren Aussagen keinen Glauben schenkte. Unklarheiten blieben indes ob der Entstehung der Auseinandersetzung. Denn wer im Streit um die Kopfhörer wirklich zuerst zuschlug und in welcher Form die Eltern deshalb später eingriffen, konnte nicht abschließend geklärt werden. Eine weitere Zeugin, die zuständige Kriminalbeamtin, beschrieb die Vernehmungen der Familie und des Opfers jedenfalls als "sehr widersprüchlich". Sie habe zudem den Eindruck gehabt, dass die Aussagen von Mutter und Sohn abgesprochen waren.
Der Sachverständige der Rechtsmedizin beantragte nun, den angesprochenen Briefkasten noch einmal genauer unter die Lupe nehmen zu lassen. So soll festgestellt werden, ob etwa scharfe Kanten tatsächlich zu der Kopfverletzung geführt haben könnten. Die Verhandlung soll am 4. Februar fortgesetzt werden.
Der Diskussionszeitraum für diesen Artikel ist leider schon abgelaufen. Sie können daher keine neuen Beiträge zu diesem Artikel verfassen!