Wer sich für die Schweinfurter und Gerolzhöfer Kunstszene interessiert, ist möglicherweise bereits auf ihn aufmerksam geworden: Saleh Nemr. Seit 2015 lebt der 1972 in Syrien geborene Bildhauer in Gerolzhofen. In der Region macht er mit seinen Werken von sich reden.
Als Dank für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge hatte er der Stadt Gerolzhofen im September eine von ihm gefertigte Holzskulptur geschenkt. Anfang 2016 hatte sich bereits die Frieden-Mittelschule Schweinfurt über ein von ihm geschaffenes Werk gefreut.
Am Montag bedachte Nemr nun die Lebenshilfe Schweinfurt. Im Eingangsbereich der Geschäftsstelle Am Oberen Marienbach hat sein Werk „Alle in einem Boot“ einen Platz gefunden: eine aus Lindenholz geschnitzte, etwa zwei Meter breite Arche, die mit Tieren und Menschen beladen übers Wasser fährt.
Der Vorsitzende der Lebenshilfe Schweinfurt, Horst Golüke, dankte Nemr und freute sich sichtlich über das imposante Geschenk. „Letztlich kann der Titel ,Alle in einem Boot‘ als Leitbild für die Lebenshilfe Schweinfurt verstanden werden“, sagte er.
Geschäftsführer Martin Groove führte aus: „Es ist ein sehr schönes Sinnbild für die Arbeit der Lebenshilfe Schweinfurt.“ Schließlich setze sich der Verein mit seinen Einrichtungen in Unterfranken mit aller Kraft für ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung ein.
Entstanden ist „Alle in einem Boot“ in der zur Lebenshilfe-Werkstatt Sennfeld gehörenden Tagesgruppe. In der Tagesgruppe nehmen Werkstattmitarbeiter mit Behinderung an mehrwöchigen Auszeiten teil. Anstelle von Lohnarbeiten für industrielle Auftraggeber stehen dann zum Beispiel kreative Tätigkeiten auf dem Programm. Ende September hatte Nemr ein zweiwöchiges Praktikum in der Tagesgruppe absolviert. Unter seiner Anleitung und zusammen mit ihm hatten die Tagesgruppenteilnehmer die Arche geschnitzt.
„Wenn in so kurzer Zeit ein solches Werk entsteht, muss ein besonderer Mensch dahinterstehen“, erinnerte sich Josef Weinbeer, Leiter der Tagesgruppe, am Montag an die Praktikumszeit. Nemr habe alle Gruppenteilnehmer mit großem didaktischem Geschick „ins Boot geholt“. Er habe jeden mit zu seinen individuellen Fähigkeiten passenden Tätigkeiten am Entstehen der Arche teilhaben lassen.
Doch nicht nur die Tagesgruppenteilnehmer waren von Nemr begeistert. „Ich habe viel von ihnen gelernt“, sagte der Künstler rückblickend. Er zeigte sich vor allem von der gelassenen und vorurteilsfreien Art der Tagesgruppenteilnehmer begeistert.
In seiner Heimat war Nemr ein erfolgreicher Bildhauer. Er absolvierte in der syrischen Hauptstadt Damaskus ein Studium am Institut für angewandte Kunst, wo er auch mehrere Jahre unterrichtete. Er hatte zahlreiche Ausstellungen ausgerichtet und Arbeiten für den öffentlichen Raum geschaffen, bevor er 2012 vor den Lebensbedingungen in seiner Heimat über den Irak und die Türkei nach Deutschland floh. 2014 kam er hier an. Auch seine Frau und seine Kinder leben mittlerweile hier.
Die Idee, Nemrs Geschenk in der Geschäftsstelle der Lebenshilfe Schweinfurt aufzuhängen, hatte Günter Scheuring: Ein passender Platz, wie der Leiter der Werkstatt für behinderte Menschen Sennfeld am Montag bemerkte.
„In der Lebenshilfe Schweinfurt sitzen alle in einem Boot, und wir begegnen uns immer mit Respekt und auf Augenhöhe.“ Scheuring zeigte sich zuversichtlich, dass dies auch in Zukunft die Lebenshilfe ausmachen werde.
Auch Nemr äußerte einen Wunsch für die Zukunft. In einem Museum im Irak stehen noch über 30 seiner Werke. Eines Tages möchte Nemr sie in Deutschland ausstellen.